Schon ein Viertel der Weltbevölkerung ist von Wasserknappheit stark betroffen, wie eine neue US-Studie belegt. Und das Problem des globalen Wasserbedarfs wird sich angesichts des fortschreitenden Klimawandels und des weltweiten Bevölkerungswachstums laut UN-Prognosen bis 2050 massiv verstärken.
Schon in den 1990er-Jahren hatten Wissenschaftler sowie bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft vorausgesagt, dass die Kriege des 21. Jahrhunderts nicht mehr um Öl, sondern um Wasser geführt werden würden. Seitdem sind Bedarf und Nachfrage für diesen lebensnotwendigen Grundstoff angesichts von fortschreitendem Klimawandel und globalem Bevölkerungswachstum weiter gestiegen. Dadurch hat auch das Risiko politischer und kriegerischer Konflikte ums wertvolle Nass weiter zugenommen. Zwar ist es bislang noch nicht zu größeren militärischen Konfrontationen gekommen, doch das Joint Research Center der EU-Kommission hat schon mal durch Modellrechnungen Ende 2018 künftige Hotspots für Wasserkonflikte ausfindig gemacht: die Region um den Nil, das Gangesdelta, das Gebiet rund um Euphrat und Tigris, der Colorado River, der zum Zankapfel zwischen den USA und Mexiko wurde sowie die heiße Zone rund um den Jordan.
In Deutschland hatte die Öffentlichkeit kaum jemals einen Gedanken an das Problem der Wasserknappheit verschwendet. Doch angesichts des ungewohnten Phänomens immer trockenerer Sommer ist auch hierzulande eine hitzige Diskussion rund um die Ressource Wasser entflammt, wobei die kommunalen Verteiler den Vorrang der Trinkwasserversorgung vor den wachsenden Bedarfsansprüchen seitens der Landwirtschaft und der Industrie vehement verteidigt hatten. „Das ist ein neuartiger Konflikt", sagt Dr. Karsten Rinke vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, „den wir bisher in der Form noch gar nicht kannten."
Deutschland auf Platz 62
Unter Wasserknappheit hat die Bundesrepublik allerdings bislang noch nicht zu leiden, weil die Trinkwasserversorgung hierzulande vor allem aus dem Grundwasser geschöpft wird, dessen Potenzial selbst durch einige trockene Jahre nicht wesentlich gefährdet werden kann. Wenn Landwirte ihre Felder aus dieser Reserve bewässern möchten, benötigen sie dafür eine ausdrückliche Genehmigung. Dennoch gab es im Sommer 2019 einige Regionen wie Hessen oder Brandenburg, in denen die Bevölkerung zum sensiblen Umgang mit Wasser aufgefordert wurde, beispielsweise sollten Rasensprenger, die pro Stunde bis zu 800 Liter Wasser verbrauchen, möglichst nicht in Betrieb genommen werden. Auch eine neue US-Studie mit dem Titel „Aqueduct Water Risk Atlas", die Wissenschaftler des renommierten Thinktanks World Ressources Institutes (WRI) Anfang August in Washington vorgestellt hatten, zeigte einen breiten Landstreifen, der sich von Norden über Bremen, Hannover und Leipzig bis in den Süden nach Stuttgart hin zog, in dem die Wasserreserven stärker als in anderen hiesigen Regionen beeinträchtigt waren. Die US-Untersuchung bezog sich jedoch auf einen früheren Zeitraum zwischen 1960 und 2014.
Alles drehte sich bei dem neuen Wasserrisiko-Atlas um den Umwelt-Indikator „Wasserstress", der auch von der UN in ihrem ständig aktualisierten Weltwasserbericht benutzt wird. Wasserstress liegt laut UN-Definition dann in Ländern vor, sobald dort mehr als ein Viertel der erneuerbaren Wasserressourcen genutzt wird. Das Umweltbundesamt sieht die Schwelle zum Wasserstress, also der jährlichen Wasserentnahme im Verhältnis zu den erneuerbaren Wasserressourcen, hierzulande schon bei mehr als 20 Prozent als erreicht an. Es hat postuliert, dass es in der Bundesrepublik generell keinen Wasserstress gebe. Das sehen die US-Wissenschaftler, die bei ihrer Untersuchung die Daten von 189 Ländern ausgewertet haben, etwas anders. Im WRI-Ranking landet Deutschland zwar auf Platz 62 in der mittleren Wasserstress-Kategorie, allerdings wurde der Wasserstress in den Bemessungsjahren zwischen 1960 und 2014 mit Werten zwischen 20 bis 40 Prozent hierzulande als mittel bis hoch eingestuft. Ein niedriges Stresslevel (weniger als zehn Prozent) wurde hingegen Ländern wie Kanada, Österreich oder Neuseeland bescheinigt. Auch Länder wie Großbritannien oder die Niederlande schnitten auf dem Wasserstress-Level niedrig bis mittel (10 bis 20 Prozent) besser ab als die Bundesrepublik. Das dürfte allerdings noch kein Grund zur Besorgnis sein.
Das sieht in 17 Ländern dieser Welt laut WRI ganz anders aus. Denn sie sind von einem „extrem hohen Wasserstress" bedroht, das heißt dass dort jährlich mehr als 80 Prozent des verfügbaren Grund- und Oberflächenwassers verbraucht werden, mithin fast alle verfügbaren Wasserressourcen. Bereits kleine Dürren können dort die Situation eskalieren lassen. Sie sind ständig von der Gefahr des „Day Zero" betroffen, dem Zeitpunkt, zu dem kein fließendes Wasser mehr in den Leitungen verfügbar ist. Fast ein Viertel der Weltbevölkerung lebt in diesen von einem extremen Trockenheitsrisiko betroffenen Staaten. Zwölf dieser wasserarmen Staaten liegen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika, wobei die Lage in Ländern wie Katar, Israel, Libanon oder Saudi-Arabien besonders dramatisch ist.
Größtes Kopfzerbrechen bereitet den WRI-Forschern aber vor allem Indien auf Ranking-Platz 13, weil dort mit 1,3 Milliarden Menschen mehr als dreimal so viele Einwohner leben als in den restlichen 16 Staaten zusammengenommen. In der südindischen Millionenstadt Chennai war kürzlich auch der „Day Zero" eingetreten, und die Bevölkerung konnte nur dank Wassertransporten von außerhalb vor dem Verdursten bewahrt werden. „Wasserknappheit ist die größte Krise, über die niemand spricht", sagt WRI-Chef Andrew Steer. „Die Konsequenzen sind schon sichtbar in Gestalt von Nahrungsknappheit, Konflikten, Migration und finanzieller Instabilität." Zu den 17 Staaten mit extrem hohem Wasserstress kommen noch weitere 27 Nationen mit ebenfalls hohem Risiko hinzu. Dort werden jährlich zwischen 40 und 80 Prozent der verfügbaren Wasserressourcen entnommen, überraschend, dass sich darunter sogar Belgien neben anderen europäischen Staaten wie Zypern, Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien befindet. Insgesamt lebt daher weltweit sogar ein Drittel der Weltbevölkerung in Regionen mit extrem hohem oder sehr hohem Wasserstress.
Kläranlagen könnten helfen
Die UN hatte in ihrem Weltwasserbericht 2019 über 50 Staaten als vom Wasserstress betroffen deklariert. Demzufolge nutzen 31 Staaten derzeit jährlich zwischen 25 und 70 Prozent ihrer erneuerbaren Wasserressourcen, bei 22 weiteren Ländern liegt der Wert sogar jenseits der 70 Prozent. Etwa vier Milliarden Menschen und damit fast zwei Drittel der Weltbevölkerung sind laut UN mindestens einen Monat pro Jahr von schwerer Wasserknappheit betroffen. Laut UN ist die Landwirtschaft, inklusive Bewässerungslandwirtschaft, Viehzucht und Aquakulturen, mit 69 Prozent der global größte Wasserverbraucher. Obwohl die UN davon ausgeht, dass der Wasserverbrauch der Landwirtschaft künftig sinken wird, wird dadurch das Problem des steigenden globalen Wasserbedarfs kaum gelöst werden können.
Seit den 1980er-Jahren ist weltweit ein Anstieg des Wasserverbrauchs um etwa ein Prozent pro Jahr zu registrieren. Es wird erwartet, dass der globale Wasserbedarf bis 2050 in ähnlicher Größenordnung wachsen wird, was einen Anstieg von 20 bis 30 Prozent über dem derzeitigen Wasserverbrauch bedeuten würde. Ein Strohhalm könnte sein, wenn endlich in vielen Staaten Kläranlagen eingerichtet würden, weil derzeit noch über 80 Prozent der Abwässer weltweit einfach ungesäubert und unrecycelt in die Umwelt entsorgt werden. Immerhin hat sich in Sachen Trinkwasserversorgung einiges zum Besseren entwickelt. Laut UN konnten 2015 immerhin 75 Prozent der Bevölkerung in 181 Staaten auf eine mindestens grundlegende Trinkwasserversorgung zurückgreifen. Überraschend war allerdings, dass im Jahr 2015 laut UN 57 Millionen Menschen in Europa und Nordamerika keine Wasserleitungen in ihren Häusern installiert hatten und weitere 21 Millionen Menschen in diesen zivilisierten Ländern nicht einmal Zugang zu einer grundlegenden Trinkwasserversorgung hatten.
Dass die deutschen Bauern angesichts der jüngsten trockenen Sommer ständig Ausgleichszahlungen für Ernteverluste fordern und für 2018 von Bund und Ländern auch schon 340 Millionen Euro bewilligt bekommen hatten, wird eher kritisch beurteilt. Schließlich könnten sie für solche Fälle rechtzeitig einen Notgroschen aus den üppig fließenden EU-Subventionen von rund 250 Euro pro Jahr und Hektar zurücklegen und sich womöglich auch schon um den Anbau von trockenheitstoleranteren Pflanzenkulturen gekümmert haben. Für 2019 hatte der Deutsche Bauernverband vorsorglich beim Bund schon mal Unterstützungszahlen in Höhe von einer Milliarde Euro zum Ausgleich möglicher Ernteausfälle in den Raum gestellt.