Bubble Tea ist die große Unbekannte unter den Drinks, Snacks, Süßigkeiten – ja, was denn nun genau? Eine Erkundungsreise zu „Ulteamate" in der Kantstraße, einem der neuen, qualitätsbewussten Bubble-Tea-Shops in Berlin, gibt Aufschluss über das von Asiaten heißgeliebte Kalt- und Kultgetränk.
Wir müssen über Bubble Tea sprechen. Ja, genau über das, was Vielen als kritzebuntes, plastikartig aussehendes Getränk in ebensolchen Bechern mit großen Kugeln aus „Wasauchimmer" darin vor etwa zehn Jahren begegnet ist. Doch diese erste Bubble-Tea-Welle ist vorbei, die Läden kamen und schlossen schnell wieder. Umso verblüffter war ich, als mich die philippinische Freundin nach einem ziemlich vorurteilsbeladenen Gespräch meinerseits kurzerhand in einen nahe gelegenen Bubble-Tea-Shop entführte und beschloss, ich müsse sofort über das asiatische Kalt- und Kultgetränk in guter Ausführung praktisch aufgeklärt werden. Und siehe da: Bubble Tea schmeckt – auch dem europäisch sozialisierten Gaumen. Voraussetzung: Man begreift es als flüssigen Snack, in dem sich das Prinzip Trinken und das Prinzip Essen eben auf eine ungewohnte Art vereinen. Die Karte in einem Bubble-Tea-Shop wie „Ulteamate" in der Kantstraße ist also zunächst einmal als Wegweiser zu verstehen. Immerhin kann sich ein Bubble Tea aus Bausteinen wie Grün-, Schwarz- und Früchtetees und Soda, festeren Tapiokaperlen oder aufspringenden „Popping Boba"-Pearls, Jellys und Toppings wie Crumble oder Cream-Cheese plus Eis zusammensetzen. Klingt kompliziert? Ist es nur auf den ersten Blick und Gedanken. Orientierungshilfe bieten die unterschiedlichen „Series", die „Ulteamate" auf der Karte hat: Milchtees, Früchtetees, „Classics" mit Cream-Cheese-Toppings oder Eigenkreationen wie Eis-Shakes und „Fresh Sodas".
Alles hat seine Berechtigung. Auch die „Tees" ohne Teein. „Viele Kunden möchten zum Beispiel abends nicht so viel Tee zu sich nehmen oder haben ihre Kinder dabei", sagt Ngoc Hoang, die gemeinsam mit ihrem Partner Michael Nguyen im Mai „Ulteamate" an der Kantstraße, Höhe Leibnizstraße, eröffnete. Da die „echten" Tees stark angesetzt werden, bieten sich stattdessen Früchtetees oder Sodas als Basis an. So wie bei unserer „Iced Blaubeere", die wir mit viel Geschmack und ordentlich geschreddertem Eis erhalten. „Das ist ein kleines Eis, sehr erfrischend", sage ich.
Den Zuckergehalt kann man nach oben und unten variieren
Es fühlt sich wie ein etwas flüssigeres, obstiges Softeis im Mund an. „Das kennen wir so nicht in Asien", ergänzt die weitgereiste Begleiterin. „Dort gibt es kaum Blaubeeren, und sie sind sehr teuer." Ob es auch Tees mit der dort sehr beliebten „Wintermelon" gebe, will sie wissen. Ich zumindest habe von dieser Frucht noch nie gehört. Wir bemühen das Netz und einen Translator. Nein, Wachskürbis, so die deutsche Bezeichnung, gebe es nicht, bestätigt Ngoc Hoang.
Nach dem erfrischenden Einsteigermodell geht’s mit dem „Signature Milk Tea" des Hauses mit Tapiokaperlen an einen „echten" Bubble Tea. Wir wählen ihn mit 30 Prozent Zucker. Jeder Tee sei so konzipiert, dass die Süße zur jeweiligen Kreation passt, sagt Ngoc Hoang. „Unser Standardlevel ist 50 Prozent Zucker. Selbstverständlich kann man nach oben oder unten variieren." So viel zum Thema Zuckerbombe: Kann man, muss man aber nicht machen. Der in Asien beliebteste und bekannteste Bubble Tea ist gut gekühlt und leicht cremig, wie ein guter, mit Milch und Zucker abgeschmeckter Schwarztee in kalt.
Die Tapiokaperlen machen sich schon mal optisch gut. Elegant und dunkel wabern sie durch den beigen Tee. Mit Festigkeit im Inneren und dem geleeigen Äußeren in ihrer Textur erinnern sie an überdimensionale Sago-Kugeln, wie sie etwa in Roter Grütze verwendet werden. Die Tapiokaperlen machen diesen Tee durch ihren Biss interessanter, finde ich. „Chewing is involved", fasst es die englischsprachige Begleiterin zusammen. „Man muss schon kauen." Auf gar keinen Fall auf die Idee kommen, die erbsengroßen Perlen nur durch den Strohhalm hochzusaugen und sie direkt zu schlucken! Die Freundin gibt unmissverständliche Regieanweisungen für Bubble-Tea-unerfahrene Europäer.
Tapiokaperlen werden aus dem Mehl der Maniokwurzel und Sirup hergestellt. Man kann sie selbst zu Hause formen und kochen. Das macht in einem Bubble-Tea-Shop mit unzähligen Bechern Tee am Tag natürlich niemand. Die Begleiterin erinnert sich: „Früher konnte man zum Ende des Monats hin in einem anderen Shop keine doppelten Portionen mehr bekommen. Sonst wären die Pearls bis zur nächsten Lieferung aus gewesen." Selbst wenn es keine Import-Engpässe mehr gibt, so müssen die Pearls vor Ort eine Stunde lang gekocht werden. „Die Perlen sind superbeliebt. Manchmal warten die Leute nachmittags oder abends, wenn viel los ist, sogar eine halbe Stunde, bis sie fertig sind", weiß Ngoc Hoang. In Taiwan wurde der Bubble Tea, der wohl besser als Perlen- denn als „Blubberblasen"-Tee bezeichnet werden sollte, erfunden. Erste Shops in Deutschland gab es um das Jahr 2009. Asiaten wollten „ihr" Getränk auch hierzulande trinken, bekannt machen und verkaufen. Die meisten Shops der „ersten Welle" von vor zehn Jahren verschwanden allerdings nach 2012 vom Markt. Eine Studie hatte – fälschlicherweise – verbreitet, Bubble Tea enthalte gesundheitsschädliche Stoffe. 2019 hatten bei Ngoc Hoang und Michael Nguyen dieselbe Idee wie so einige Taiwanesen und Vietnamesen zehn Jahre zuvor: „Unsere Familien haben in Vietnam Bubble-Tea-Läden. Hier gab es so viele künstlich schmeckende Tees. Wir dachten uns: Das können wir besser, und mehr Vielfalt wäre auch gut."
Ich persönlich mag eher eine moderate Menge an Tapiokaperlen, vielleicht ist mir die flummiartige Konsistenz doch zu fremd. Doch bei den „Popping Boba" mit Erdbeer-, Mango- oder Litschi-Innenleben im Früchtetee bin ich sofort dabei: In unserem „Thai Lion Ice Tea" auf Grünteebasis schwimmen Mango-Kügelchen, „Rainbow Jelly"-Streifen und Zitronenschnitze. Sehr dekorativ und an einem 30-Grad-Tag genau das Richtige – eine erfrischende Abwechslung zum ewiglichen Wasser.
Die Saftbömbchen entsprechen in diesem Tee eher etwas Blasigem: draufbeißen und den Saft im Mund herausspritzen lassen. Peng! Das hat den Spaßfaktor vom Aufdrücken von Noppenfolie, aber sehr viel mehr Geschmack. Zwei Teenies am Nebentisch schauen neugierig auf unsere Testreihe aus fünf unterschiedlich gefüllten Bechern. Großer Luxus, zumal wir nicht alle austrinken. Sonst bekämen wir später kein Auge zu, meint Michael Nguyen grinsend. Apropos Becherparade und Plastikaufkommen: Bei „Ulteamate" erworbene oder eigene Becher können mitgebracht werden. Darauf gibt’s dann 20 Cent Rabatt.
Alles variabel und Geschmackssache
Ein „Chocolate Lover" ist zweifellos der Mann der Begleiterin. Für ihn muss es der schokoladige Milchtee mit einer doppelten Portion Tapiokaperlen sein. Mir ist unsere Wahl mit nur wenig Zucker wiederum zu asketisch zartbitter. Nicht meins, ich hätte mehr Zucker gewählt, damit es nach eisgekühltem Kakao schmeckt.
Aber kein Problem, alles ist ja variabel und einfach Geschmackssache. Bleibt nur noch, die „Oreo Bomb" zum Abschluss zu verkosten. Sie macht ihrem Namen mit geschredderten Keksen, viel Eis und einem bombastischen Cream-Cheese-Topping alle Ehre. „Say Cheeeeese!", fordert die Begleiterin nicht nur fürs Foto. Was auch sonst angesichts dieses dionysischen Cremegebirges!
Das ist genau mein Ding – die leicht salzige Creme aus aufgeschlagenem Frischkäse und Sahne macht aus Milchtee mit vermahlenen Keksen eine hüftgoldfreudige, süße Komplettmahlzeit. Tees mit einem cremigen Topping seien in Asien sehr beliebt, hierzulande aber unbekannt, verrät die Freundin. Wer den Cheesecake-Geschmack obenauf nicht mag, für den sei Sahne die Alternative, ergänzt Ngoc Hoang. Ich sage: Das ist „Konditern" auf Asiatisch!
Ausprobieren ist die unkomplizierteste Möglichkeit, um herauszufinden, wie viel Asien und Bubble-Tea-Affinität in einem selbst steckt: Ein Becher bei „Ulteamate" kostet in Größe M um die 3,50 Euro, die L-Version zwischen 3,90 und 4,40 Euro, zusätzliche Toppings oder Perlen jeweils 50 Cent. Die Freundin befindet: „After that we need a Korean barbecue!" Nur ein kurzes Stück weiter Richtung Wilmersdorfer Straße ist einer ihrer Lieblingsimbisse. Wir tun uns bei „Chibo" an pikanten, frittierten „Chicken Bits" gütlich, lassen uns von quietschebuntem koreanischen Pop beschallen und beschließen damit einen „fully Asian"-Nachmittag auf der Kantstraße, der inoffiziellen gastronomischen Asia-Hauptmeile der Stadt.