Laut OECD-Studie liegt Deutschlands Bildungssystem im Mittelfeld von 36 OECD-Staaten. Die Studierendenzahlen steigen, aber auch die Hochschulmittel – langsam. Ob die Ausbildung der kommenden Generationen dadurch besser wird, ist aber keineswegs ausgemacht.
Probieren geht über studieren, sagt der Volksmund. Aber das gilt heute immer weniger. Statt sich auch in der Ausbildung zu erproben, nach dem Meister ein Studium anzuschließen, strömen immer mehr Schüler direkt in die deutschen Hochschulen. Im Wintersemester 2015/2016 waren es 2,6 Millionen, im aktuellen Wintersemester sind es sogar 2,9 Millionen. Die Hochschulen sind offenbar dem Ansturm finanziell und infrastrukturell nicht gewachsen – auf einen Professor kommen derzeit im Schnitt 67 Studenten, rechnet der Hochschulverband vor. Der Anspruch der Studenten, der Politik und der Wirtschaft an die Ausbildung und die tatsächliche Realität an Universitäten oder Hochschulen klaffen somit oftmals auseinander.
Die OECD sieht in ihrer aktuellen Bildungsstudie Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld. In die Studie flossen nicht nur die Hochschulen ein. Ausfälle im Schulunterricht, ein Mangel an Lehrern, aber auch marode Schul- und Universitätsgebäude sowie überfüllte Hörsäle sind keine Seltenheit und werden von der Organisation kritisiert, ebenso wie die noch immer mangelnde Geschlechtergerechtigkeit bei Lohn und Gehalt. Dennoch spricht Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) von einem guten Bildungssystem, das „international ganz gut bestehen" könne. „Ganz gut" aber wird perspektivisch nicht reichen.
Immerhin entscheiden sich fast 40 Prozent der Studienanfänger in Deutschland für mathematische, naturwissenschaftliche oder technische Fächer. Das ist so viel wie in keinem anderen der 36 OECD-Staaten. Die Absolventen finden recht sicher einen Job, wie die Studie besagt. Doch studiert mittlerweile jeder Dritte in Deutschland. Auch wenn dies weniger als im OECD-Durchschnitt und dem dualen System der Berufsausbildung geschuldet ist. Doch genau dort fehlen Absolventen, je mehr Studenten es gibt. 774.000 Azubis in Handel, Dienstleistung und Industrie absolvierten ihre Ausbildung im Jahr 2018, es gab 589.069 angebotene Ausbildungsplätze und 555.953 Bewerber. Die Zahlen sind gestiegen, weil die Konjunktur in Deutschland brummt wie selten zuvor, und auch der Zuzug ist nicht ganz unschuldig daran. Und dennoch klagen viele Betriebe über zu wenige Fachkräfte. Woran liegt es? Studieren zu viele junge Menschen? Informiert das Handwerk zu wenig? Oder hat es zwar goldenen Boden, aber keinen guten Ruf mehr?
Eine organisierte Orientierungsphase wäre hilfreich, auch daran fehlt es – wie auch an Geld. Laut Ministerin Karliczek will Deutschland an die OECD-Spitze mit seinem Bildungssystem, asiatische Länder wie Japan und Südkorea haben hier die Nase vorn. Bislang ein frommer Wunsch. Denn in Sachen Bildungsgerechtigkeit bleibt Nachholbedarf. Noch immer ist der Aufstieg durch Bildung zu eng an das soziale Milieu gebunden.
„Jeder Mensch hofft, eine solide, gut bezahlte berufliche Laufbahn wählen zu können, einen reibungslosen beruflichen Aufstieg zu genießen und einen Sinn im Leben zu finden", schreibt OECD-Generalsekretär Angel Gurrìa in der Studie. Dies bedeute, in Ausbildungs- und Berufsberatung zu investieren, „damit alle Bildungsteilnehmer ihren Platz in der Gesellschaft finden und ihr Potenzial voll ausschöpfen können". Von diesem Ideal ist auch Deutschland noch weit entfernt.