Einst kam Katja Just in den Norden, um Ferienwohnungen zu vermieten. Jetzt lebt die gebürtige Münchnerin seit fast 20 Jahren auf einer Warft im Wattenmeer und ist mittlerweile sogar Bürgermeisterin eines 100-Einwohner-Eilands.
Tosende See, peitschender Regen, Blitze aus allen Himmelsrichtungen: Die Sturmflut kommt und mit ihr das Wasser, das den Lebensraum der Hallig auf ein Drittel reduziert. Katja Just und ihre Nachbarn verbarrikadieren sich auf ihren Warften und warten, bis der „Blanke Hans" endlich Ruhe gibt. Das kann manchmal Tage dauern. Doch an Flucht oder Rettungsaktionen denkt hier keiner. Ein Kapitän verlässt schließlich nicht das sinkende Schiff. Auch Katja Just bleibt, denn die Hallig Hooge ist seit fast 20 Jahren ihr Zuhause.
„Die wunderbare Natur schützen"
Ursprünglich kam die gebürtige Münchnerin in den Norden, um hier Ferienwohnungen zu vermieten. Seit 2018 ist sie sogar Bürgermeisterin des 100-Einwohner-Eilands mitten im Wattenmeer. In ihrem zweiten Buch „Frische Brise auf dem Sommerdeich" (Eden Books) schreibt sie über Klimaschutz, Hallig-Alltag, Historie und über starke Hallig-Frauen. So eine scheint sie auch selbst zu sein: eine kluge Frau, deren Weitsicht nicht nur im Interview verblüfft. Dabei schöpft Katja Just offenbar nur aus ihrer Lebenserfahrung, zählt eins und eins zusammen und zieht die richtigen Schlüsse. Extratouren und Statussymbole braucht die Hoogerin nicht. Spätestens nach einem Trip nach Hongkong ist ihr klar: Glücklich wird sie nur auf ihrer Hallig. Respekt vor den Naturgewalten hat sie aber wie am ersten Tag: „Das möchte wohl so sein. Es ist Respekt vor der Unberechenbarkeit, aber auch vor der Schönheit der Natur." Die Ruhe vor und nach dem Sturm beeindruckt sie noch immer, sagt die gelernte Kauffrau, die früher mal am Münchner Flughafen gearbeitet hat. Dass diese Faszination eines Tages endet, ist ihr sehr bewusst: „In absehbarer Zeit, also in 50 bis 100 Jahren, wird es keine zehn Halligen mehr geben", macht sich Katja Just keine Illusionen. „Sorge habe ich natürlich, dass bei einer der nächsten Sturmfluten auch mal Wasser in mein Haus plätschert. Darauf muss man sich auf einer Hallig einstellen", sagt die Autorin. Mehr noch als sich Sorgen zu machen, wolle sie aber Natur genießen und bewusst leben. „Gleichzeitig will ich Menschen sensibilisieren, unsere wunderbare Natur zu schützen." Das hat auch mit ihrem Bürgermeister-Job zu tun, den sie nach einigem Zögern annahm. Neben der Verantwortung für ihre Ferienquartiere kümmert sie sich nun auch um nachhaltigen Tourismus, diverse Bauprojekte und um zehn kommunale Mitarbeiter. „Aktuell beschäftigt uns die Aufwarftung der Hanswarft, unser neuer Markt-Treff und die Wiederbelebung des Gasthauses ‚Zum Seehund‘", berichtet die Powerfrau aus dem Norden. Ein Dauerbrenner sei die Qualität des touristischen Angebots. Im Buch, aber auch bei den Interview-Antworten lässt die Bürgermeisterin durchblicken, dass im Fremdenverkehr im Norden nicht alle an einem Strang ziehen. Doch eine starke Hallig-Frau haut das nicht um. Die Rede ist von Frauen, die weit weg von Festland und Infrastruktur Kinder großziehen, Ehrenämter ausüben und kleine Betriebe managen. Einerseits müsse frau Einzelkämpferin sein, andererseits zusammenhalten. „Man muss hier auch alleine klarkommen, schon deshalb, weil aufgrund der Wetterbedingungen nicht immer jemand da sein kann. Sturm, Landunter und Sturmflut bringen mit sich, dass man sich um sein eigenes Hab und Gut kümmern muss."
Doch die Frau, die sich für ein besseres Miteinander der Hooger einsetzt, hat in den letzten zwei Jahrzehnten auch einsame Momente erlebt. „Natürlich bleibt das nicht aus. Zweimal fiel ich in eine tiefe Krise und glaubte, dass meine Zeit hier beendet sei. Es war vor allem die aussichtlose Perspektive, mein finanzielles Auskommen aufzubessern, die mich allmählich kraft- und mutlos werden ließ." Auf Dauer von zwei Ferienwohnungen zu leben, erschien Katja Just den eigenen Worten nach unvernünftig und sinnlos. Doch im Leben gibt es bekanntlich immer Wendungen und Überraschungen. Auch davon ist im Buch zu lesen.
Auch einsame Momente
Apropos Ferienwohnungen: Die besten Schreib-Ideen seien ihr hier beim Putzen der Quartiere gekommen, schmunzelt die taffe Schleswig-Holsteinerin. „Wenn ich weiß, was und wer vorkommen soll, kann ich anfangen zu schreiben und das direkt in den PC." So souverän und selbstbewusst, wie Katja Just in Interviews – auch kürzlich im ZDF-„Mittagsmagazin" – rüberkommt, sei sie keineswegs immer, wie sie sagt. „Gerade im Fernsehen war ich nervös und aufgeregt. Schließlich kenne ich die Fragen nicht und muss spontan antworten." Ihre frühere Heimat München sieht sie kaum noch, wie Katja Just sagt. Berlin und Brandenburg kennt die Buchautorin so gut wie nicht: „Vor Kurzem war ich mal eine Stunde in Potsdam. Nach Berlin komme ich jetzt erst ab und zu, im Zusammenhang mit meinem Buch sowie als Tourismus-Vertreterin auf einer Messe. Ich hoffe aber, demnächst mal ein bisschen mehr kennenzulernen."
Auch an einem Ostseestrand war Katja Just im Grunde genommen noch nie. „Ich war nur in Lübeck und Travemünde. Allerdings verbinde ich die Nordsee, explizit das Wattenmeer, mit einem ganz bestimmten Geruch. Den würde ich an der Ostsee bestimmt vermissen", vermutet die Hallig-Frau. Bleibt am Ende die Frage, welche Charaktereigenschaften man zum Leben auf einer Hallig mitbringen muss: „Ein breites Kreuz, Mut, Toleranz und Selbstsicherheit." Katja Justs Worte sind so eindeutig und klar wie die Geschichten im Buch. Geschwafel ist nicht ihr Ding. Die Mittvierzigerin treibt lieber Projekte voran und packt mit an. Auch darüber berichtet die Autorin in „Frische Brise auf dem Sommerdeich", eine Lektüre, die viel tiefgehender ist als ihr Titel. •