Für die kalte Jahreszeit haben die Designer auf ihren Laufstegen die Strumpfhose nicht nur wiederentdeckt, sondern auch in leuchtenden Farben, mit vielfältigen Mustern, Prints oder Glitzerdetails neu interpretiert.
Wenn es um das Für oder Wider von Strumpfhosen geht, wird es seit Jahren immer wieder zitiert. Das kolportierte Fashion-Diktat von Anna Wintour, der schon längst legendären Chefredakteurin der amerikanischen „Vogue" und eine der einflussreichsten Ladys der weltweiten Modebranche: „Never wear tights! Never!" Mit diesem Satz soll sie vor mehr als einem Jahrzehnt ihre Mitarbeiterinnen dazu aufgefordert haben, Pumps immer ohne Strumpfhosen zu tragen. Sie selbst hatte sich allerdings bei diversen Gala-Auftritten nicht immer an ihre eigene Maxime gehalten, sondern wurde in Nylon-Beinkleidern jeglicher Schattierungen zwischen Schwarz und Dunkelrot gesichtet. Kein Wunder, ist es anlässlich der New York Fashion Week im Big Apple meist ziemlich schattig, und bei Temperaturen weit unterhalb des Gefrierpunkts müssen auch Modepäpstinnen gelegentlich Zugeständnisse machen, die den eigenen stilistischen Wunschvorstellungen widersprechen.
Auf den internationalen Laufstegen wurde hingegen jahrelang brav die Wintour’sche Vorgabe befolgt. Die Designer ließen ihre Models weitestgehend unbestrumpft die neuesten Kreationen vorführen. Blanke Beine waren der Normalfall. Und auch viele Stars und Sternchen folgten auf den roten Teppichen diesem Beispiel und frönten häufig bibbernd dem bare-legged Look. Gewissermaßen sogar geadelt wurde der barbeinige Auftritt durch Herzogin Meghan, die anlässlich ihrer Verlobung mit Prinz Harry 2017 strumpflos unter dem grauen britischen Novemberhimmel erschienen war. Das alles zum großen Missfallen der Strumpfhosenindustrie, deren Absätze weiter zu sinken drohten. Natürlich hat dazu auch längst die Vorliebe vieler Damen für Hosen oder Anzüge beigetragen, die das Tragen einer Strumpfhose schlichtweg überflüssig macht.
Seltsamerweise brachte ausgerechnet eine ziemlich schräge Variante der Hosiery, wie die Strumpfwaren im Englischen genannt werden, die Strumpfhosen oder Tights wieder ins modische Gespräch. Die Rede ist von den Fishnet Tights, die einst als verruchtes Accessoire in der Schmuddelecke angesiedelt waren. Die Netzstrumpfhosen waren allerdings weniger in Kombination mit Röcken oder Kleidern angesagt, sondern blitzten als auffälliges Detail unter destroyed Jeans hervor. Einige Instagram-Stars veröffentlichten zudem Selfies, bei denen sie die Strumpfhosen weit über den Jeansbund hinaus bis fast an die blankliegende Nabel-Zone hochgezogen hatten. Losgetreten wurde der Trend im Winter 2015 durch das Label Proenza Schouler auf der New York Fashion Week. Dann tauchte laut der „Vogue" im Streetstyle der Trend ein Jahr später zunächst in der amerikanischen Metropole auf und setzte von dort seinen Siegeszug nach Europa fort. Auch im Web waren unter dem Stichwort Tights in den folgenden Monaten fast ausschließlich Beiträge zu den Netzstrumpfhosen nachzulesen. Publikationen zu anderen, eher klassischen Nylon-Beinkleidern, fanden sich so gut wie gar keine.
Wärmend, stylish, praktisch
Das sollte sich erst in der Wintersaison 2018/2019 ändern. Denn plötzlich hatten viele Designer wieder ihr Herz für Tights entdeckt und ließen ihre Models auf den Catwalks bestrumpft stolzieren. Sie setzten die Strumpfhosen komplett neu in Szene und unternahmen den Versuch, das Image des von vielen Damen als notwendiges Übel betrachtete Kleidungsstück aufzupeppen. Auf der New York Fashion Week präsentierte Tom Ford neben schwarzen Fishnet Tights auch Strumpfhosen mit Leoprint. Alexander Wangs schwarze Nylons waren mit Spitze oder Kristall-Einlagen aufgehübscht. Anna Sui zeigte Strumpfhosen in leuchtendem Gelbton und Fishnet Tights in auffälligem Rot. Libertine und Area schmückten ihre Strumpfhosen ebenfalls mit Kristall-Applikationen. Spitze, Glitzer, eingearbeiteten Logos (Gucci oder Fendi), leuchtenden Farben, aber auch bravem Weiß. Verschiedenste Muster und Fishnet waren anschließend auch an den Beinen der Models auf den Laufstegen in den europäischen Modehauptstädten zu bewundern. Natürlich wurden die neuen Tights auf Instagram von den meisten Influencerinnen munter gehypt.
Diesen Winter sind vor allem zwei Trends in Sachen Strumpfhosen tonangebend: Leuchtfarben und Glitzerdetails – besonders gelungen bei Paco Rabanne oder Saint Laurent. Den Vogel im Farbenspektrum abgeschossen hat dabei fraglos Anna Sui, die auf dem Catwalk golden schimmernde Tights vorgestellt hatte. Bei Halpern war eine rote Fischnetzstrumpfhose zu bewundern. Kate Spate hatte sich für transparentes Nylon in einem vornehmem Braunton entschieden. Bei Rodarte hat frau die Wahl zwischen Strumpfhosen in Blau, Rot, Pink oder Gelb. Pink und Gelb waren auch die präferierten Farben bei Dolce und Gabbana, wobei zusätzlich Animal- und Blumenprints als Eyecatcher zum Einsatz kamen. Sally Lapointe bevorzugte bei ihren Tights den Lilaton, aber auch Mint und Rot kamen bei ihr zum Einsatz. Auch bei Gucci wurde bei den Spitzen-Tights tief in den Farbtopf gegriffen. Die Mehrzahl der neuen Strumpfhosen kam transparent daher, Valentino tanzte diesbezüglich mit einer blickdichten schwarzen Tights etwas aus der Reihe. Gelungene Tights haben neben den schon genannten Labels auch noch Versace (reichlich Spitze), Louis Vuitton (schwarze Spitze), Miu Miu, Moschino, Balmain oder Givenchy in ihrer aktuellen Kollektion.
So schön die neuen Strumpfhosen auch anzusehen sein mögen, so sollte sich jede Trägerin darüber bewusst sein, dass solche Teile die Blicke geradezu magisch auf sich ziehen werden. Wer also nicht so tolle Beine sein eigen nennen kann, sollte womöglich auf Tights mit Spitze, Glitzer, Prints, Mustern (Ornamente wie Karo tragen immer etwas auf) oder Transparenz verzichten. Und auf jeden Fall sollte bei farbenfrohen Strumpfhosen das übrige Outfit möglichst dezent gehalten werden. Auf der sicheren Seite ist frau auf jeden Fall mit dem Klassiker Schwarz, hautfarbene Tights konnten hingegen auf den Catwalks kaum gesichtet werden.