Der Humor der britischen Komiker-Gruppe Monty Python ist wunderbar schräg und herrlich politisch unkorrekt. So unkorrekt, dass sie in der heutigen Zeit wohl keinen Fuß auf den Boden bekommen würde. Gut, dass der Siegeszug ihres skurrilen Humors vor 50 Jahren startete.
Der tote Papagei aus einem Sketch der britischen Komiker-Truppe Monty Python hat es bis in eine Rede von Margaret Thatcher geschafft. Sie beharrte darauf: Der Piepmatz war nicht einfach nur leblos. Er hatte vielmehr aufgehört, zu existieren, sein Haltbarkeitsdatum war abgelaufen, er hatte uns verlassen, hatte das Zeitliche gesegnet und war dabei, vor seinen Schöpfer zu treten. In ihrer Rede von 1990 machte die britische Regierungschefin sich so über den gerade entworfenen „Freiheitsvogel" im Parteilogo der britischen Liberaldemokraten lustig. Wie die sechs Mitglieder der britischen Comedy-Truppe Monty Python Thatchers Witzeklau damals fanden, ist unbekannt. Thatchers Hommage zeigt aber, dass Monty Pythons Humor von Anfang an alle gesellschaftlichen Schichten in Großbritannien erreicht hat und dort auch heute noch sehr präsent ist.
Alles begann am 5. Oktober 1969, mit einer BBC-Fernsehshow namens „Monty Python’s Flying Circus". Schon die Eröffnungssequenz war etwas nie Gesehenes: eine bunte, schräge Cut-Out-Animation untermalt mit Marschmusik, ineinandergreifende Zahnräder, geköpfte Figuren, eine fette Henne und ein überdimensionaler furzender Fuß, der am Ende alles zertritt.
Genauso schräg waren die Sketche: Wer könnte ihn je vergessen, den ach so toten Papagei, das Ministerium für alberne Gänge, die unerwartete Spanische Inquisition oder den so inbrünstig vorgetragenen Lumberjack Song.
Das Erstaunliche an diesem Lied ist, dass es davon auch eine deutsche Version gibt – von Michael Palin auf Deutsch gesungen, mit deutschem Text, inklusive deutschem Chor. Dass es diese Version des Liedes gibt und die „Monty Python Show" in Deutschland zu sehen war, verdanken wir vor allem dem Talkmaster und TV-Produzenten Alfred Biolek. Er sah die Pythons nach ihrer BBC-Premiere bei einem London-Besuch im Fernsehen und spürte, dass sie etwas ganz Neues machen und dass sie nicht nur lustig waren, sondern auch sehr gute Schauspieler. Er überzeugte den experimentierfreudigen Unterhaltungschef des WDR, Hannes Hoff, die Serie produzieren zu dürfen.
Alfred Biolek brachte die Pythons ins deutsche Fernsehen
Dann kam der schwierigere Teil: Biolek musste die britischen Komiker überreden, die zuerst nicht so recht wollten. Biolek sagte: „Und ich hab’s dann geschafft bei einem Abend in der Bar der BBC, sie mit vielen Argumenten und noch mehr Gin Tonics zu überzeugen. Und es war dann so ein bisschen so eine Art Freundschaft, also so eine gute Chemie, zwischen uns entstanden. Und sie haben dann gesagt: Na ja, also nach Deutschland wollten wir eigentlich nie, aber zu dir kommen wir jetzt." Die Pythons flogen 1971 nach München, machten eine Art Probewoche, sahen sich Land und Leute an, wie Biolek in einem Interview 2009 mit dem Deutschlandfunk erzählte.
Auch Michael Palin erinnert sich an seinen Deutschlandbesuch, als er dazu von der BBC interviewt wurde: „Deutschland war damals – 1971 – kein besonders fröhlicher Ort, mit Ausnahme von Alfreds Wohnung, wo es doch sehr fröhlich zuging." Vielleicht war das der Grund, warum die Komiker obendrein auch noch zusagten, die erste Sendung auf Deutsch zu machen. Keiner der Pythons sprach Deutsch, nur John Cleese hatte Deutsch in der Schule gelernt.
Die Sechs haben dann die erste Sendung geschrieben, und der Redakteur und Übersetzer Thomas Woitkewitsch, der die Sendung gemeinsam mit Biolek produzierte, übersetzte das Skript auf Deutsch und coachte die sechs Briten, wie sie die Sätze aussprechen sollten. Wort für Wort. In einem Sketch sollte ein Australier den deutschen Maler Albrecht Dürer dem Publikum vorstellen: „Ich weiß über Dürer genauso viel wie über das Rektum eines Kängurus." Hier überwand die Derbheit der Pythons Sprachbarrieren.
Die erste und einzige auf Deutsch aufgenommene 45-Minuten-Episode, exklusiv produziert für den WDR, mit dem Titel „Monty Python’s Fliegender Zirkus" wurde am 3. Januar 1972 ausgestrahlt – mit in deutscher Sprache nicht existentem Genetiv-S im Titel, was aber niemanden zu stören schien. Die zweite Episode wurde dann auf Englisch gedreht und in einer synchronisierten Fassung am 18. Dezember 1972 ausgestrahlt. Die deutsche Fassung blieb die einzige Show, die die Pythons jemals in einer anderen Sprache produzierten. Eine Sendung auf Deutsch zu machen, war ein Abenteuer und war natürlich der Angst Bioleks geschuldet, dass vor allem das ältere deutsche Publikum, konfrontiert mit der Originalsprache, keinen Schimmer haben würde, was die Pythons in ihren Sketchen von sich geben. Geblieben ist Python-Fans eine Rarität, die sich zum Beispiel im Holzfäller-Song so anhört: „Ich bin ein Holzfäller und fühl’ mich stark, ich schlaf’ des Nachts und hack’ am Tag. Ich fälle Bäume, ich ess’ mein Brot, ich geh auf das WC."
Revolution des Comedy-Genres
Komplett war die BBC-Reihe in Deutschland erst ab 1991 auf N3 zu sehen – ebenfalls im Originalton. Sat1 traute sich 1998 erstmals an die Synchronisation des schwierig zu übersetzenden britischen Humors und zeigte alle 45 Folgen im Spätprogramm. Zur Überraschung von Fans und Kritikern war die Serie auch in der deutschen Fassung immer noch witzig. Monty Python war auch hierzulande ein Erfolg, und das hat wiederum die Sicht der sechs Briten auf die Deutschen verändert. Michael Palin sagte dazu im Rückblick: „Unsere Vorurteile gegenüber Deutschland waren widerlegt. Die Python-Fernsehshows liefen sehr, sehr gut in Deutschland, genauso wie unsere Kinofilme. Wenn mir heute jemand kommt und sagt, die Deutschen hätten keinen Humor, erwidere ich, dass sie den Pythons-Humor vor vielen anderen Ländern verstanden haben."
Nach ihrem Fernseherfolg in der BBC war Monty Pythons Siegeszug auch international nicht mehr aufzuhalten. Sie produzierten fünf Kinofilme, Bühnenshows und etliche Musikalben. Wer könnte „Monty Python and the Holy Grail" („Die Ritter der Kokosnuss") von 1975 vergessen? Einen Film, der fast scheiterte, weil die Produktion kein Budget hatte für Stuntpferde. Doch die sechs britischen Komikergenies halfen sich einfach mit klappernden Kokosnussschalenhälften. Oder die Kreuzigungsszene im Film von 1979: „Life of Brian" („Das Leben des Brian") mit dem schwärzesten aller lustigen Songs „Always look on the bright side of life".
Mit ihrer Mischung aus albernem Slapstick, kalauernden Wortspielen und scharfzüngiger Satire hat Monty Python die Comedy revolutioniert. Humorkritiker haben sich schwer getan, die Ideen des Python-Sextetts einzuordnen. Deshalb wurde kurzerhand der Begriff „pythonesk" erfunden.
Die Bezeichnung „Spam" hat es sogar in den Duden geschafft, wird dort definiert als „unerwünschte massenhaft per E-Mail oder auf ähnlichem Wege versandte Nachrichten" und hat seinen Ursprung in einem Monty-Python-Sketch.
Hier kriegt wirklich jeder sein Fett weg
Für das 50-jährige TV-Jubiläum fährt die BBC mit einem neuen Radioprogramm und nie gehörten Python-Fundstücken aus dem Audioarchiv auf. Die noch aktiven vier Komiker (Graham Chapman starb 1989, bei Terry Jones wurde 2015 Demenz diagnostiziert) versuchen, einen Guinness-Weltrekord aufzustellen: Die weltgrößte Ansammlung von „Gumbys". Ein Gumby ist eine Monty-Python-Figur, mit kleinem hitleresken Oberlippenbart, auf dem Kopf ein an vier Ecken verknotetes Taschentuch und Nickelbrille. Er trägt Strickpul-lunder, hochgekrempelte von Hosenträgern gehaltene Stoffhosen, zeigt Knie und Beine, die in schweren Gummistiefeln stecken. Und er ist leider nicht der Schlauste.
Natürlich stellt sich im Jubiläumsjahr die Frage, ob und wie pythonesker Humor beim Publikum von 2019 ankommt. In Zeiten der politischen Hyper-Korrektheit, in der Komiker aufpassen müssen, über wen sie sich lustig machen und obendrein jede gender-unsensible Formulierung von der sozialmedialen Inquisition bestraft wird.
In Python-Sketchen tauchen immer wieder Klischees auf, ausgerechnet über Ausländer, Deutsche, Skandinavier und für die Briten natürlich besonders die Franzosen. John Cleese, der heute in Kalifornien lebt und mit 79 Jahren immer noch auf der Bühne steht, ließ in einem Fernsehinterview auf HBO durchblicken, wie unmöglich er die heute über allem lauernde Idee politischer Korrektheit findet: „Bei meinen Auftritten mache ich mich grundsätzlich über alle lustig. Als dann die Mexikaner dran waren, wurde es plötzlich totenstill. Sind die armen Mexikaner so zerbrechlich, dass sie sich nicht wehren können? Über alle, nur die Mexikaner, darf ich mich nicht lustig machen? Das ist schon sehr herablassend gegenüber den Mexikanern." Vielleicht ist der Schlüssel bei Monty Python, dass jeder sein Fett wegbekommt. Die Briten eingeschlossen.
Allen Hardcore-Python-Fans, die es unverschämt finden, dass sich ausgerechnet Margaret Thatcher ungeniert aus dem Humorschatzkästchen der Python-Sketche für ihre erzkonservative, humorlose Politik bediente, sei gesagt, dass ihr langjähriger politischer Sekretär John Whittingdale, der ihr vorschlug, den Witz in ihre Rede einzubauen, vermutet, dass Thatcher nie wirklich verstanden hatte, warum der Papageien-Sketch so lustig war.