Zweimal hat Patrick Lange den Ironman auf Hawaii schon gewonnen, den alljährlichen Höhepunkt des Triathlon-Jahres. Mit einem weiteren Erfolg am Samstag, 12. Oktober, kann sich der Deutsche endgültig unsterblich machen.
Abgerechnet wird zum Schluss, das hat Patrick Lange schon des Öfteren bewiesen. Schon oft lag der Triathlet nach dem Radfahren, der zweiten von drei Disziplinen dieser sportlichen Vielseitigkeitsprüfung, scheinbar aussichtslos zurück, ging mit zehn oder sogar zwölf Minuten Rückstand in den abschließenden Marathon, nur um am Ende trotzdem noch zu gewinnen. Auf der Laufstrecke hat Lange seine größte Stärke: Niemand lief bislang bei der Ironman-WM auf Hawaii die finalen 42,195 Kilometer schneller als der Mann aus dem hessischen Bad Wildungen, der dafür 2016 nur 2:39:45 Stunden benötigte und auch im Jahr darauf nur unwesentlich langsamer war (2:39:59).
Auch in diesem Jahr sollte man den 33-Jährigen keineswegs abschreiben, auch wenn die Saison für ihn bislang eher bescheiden lief. Bei den Weltmeisterschaften in Nizza über die Halbdistanz von 113 Kilometern (1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21,1 Kilometer Laufen) kam Lange kürzlich mit fast 20 Minuten Rückstand nicht über den 23. Platz hinaus. „Nicht das Ergebnis, für das wir hierhingekommen sind, aber so ist es", schrieb er anschließend auf seiner Instagram-Seite. Schon bei den Europameisterschaften in Frankfurt am Main war er Ende Juni mit großem Rückstand auf die Spitze ins Ziel gekommen. Bei Temperaturen von knapp 40 Grad warfen ihn Magenprobleme und eine Reifenpanne weit zurück – am Ende wurde er auf der Laufstrecke am Mainufer von seinen deutschen Rivalen Jan Frodeno und Sebastian Kienle sogar überrundet.
War in Frankfurt noch einiges an Pech im Spiel gewesen, warf die Leistung in Nizza umso mehr die Frage auf, ob Patrick Lange in diesem Jahr in Hawaii erneut um den Sieg mitlaufen kann. 2017 und 2018 hatte er den wichtigsten Wettkampf des Jahres jeweils gewonnen, war dabei beim letzten Mal mit einer Gesamtzeit von 7:52:39 Stunden sogar als erster Athlet überhaupt auf Hawaii unter der Marke von acht Stunden geblieben. In diesem Jahr scheinen allerdings andere stärker. Bei genauerer Betrachtung war das allerdings in den Vorjahren auch nicht anders gewesen. Auch damals landete Lange in den Wettkämpfen vor dem Ironman nur selten ganz vorn. Beim Höhepunkt war er dann aber jeweils nicht zu schlagen. Wie gesagt: Abgerechnet wird zum Schluss.
Langes Saison lief bislang eher bescheiden
Erstmals siegte er 2017 mit einem Streckenrekord von 8:01:39 Stunden; dabei holte er beim Marathon noch über zehn Minuten auf und übernahm erst wenige Kilometer vor dem Ziel erstmals die Führung, die er danach nicht mehr abgab. 2018 konnte er seinen Titel dann erfolgreich verteidigen. Die Bilder, wie er anschließend auf die Knie sank und seiner Freundin Julia noch im Zielbereich einen Heiratsantrag machte, gingen um die Welt. Lange war damit der neunte deutsche Sieger auf Hawaii und nach Normann Stadler (2004 und 2006) und Jan Frodeno (2015 und 2016) der dritte DTU-Athlet, der doppelt triumphierte.
Dreimal hat allerdings noch kein Deutscher dieses Rennen gewonnen, erst Recht nicht in Folge. Mit einem weiteren Erfolg am Samstag, 12. Oktober, würde sich Patrick Lange endgültig unsterblich machen.
Der Ironman Hawaii ist der alljährliche Höhepunkt des Triathlon-Jahres und gilt als einer der weltweit anspruchsvollsten Ausdauerwettkämpfe. Dabei ist es nicht nur die bloße Länge der Wettkampfstrecke, die die Teilnehmer an ihre Grenzen bringt. Hinzu kommen noch die speziellen klimatischen Bedingungen auf der Vulkaninsel im Pazifik: Sowohl beim Radfahren als auch auf der weitgehend schattenlosen Laufstrecke sind die Athleten in der Lavawüste Temperaturen von über 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt; zudem können völlig unvorhersehbar böige Seitenwinde mit Geschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern aufkommen, die sogenannten Ho’o-Mumuku-Winde, die den Rennverlauf erheblich beeinflussen.
Trotzdem ist Hawaii der Sehnsuchtsort aller Triathleten. „Schwimme 3,8 Kilometer, radle 180 Kilometer, laufe 42,2 Kilometer. Prahle damit für den Rest Deines Lebens!" – so lautete schon bei der ersten Auflage 1978 eine handschriftliche Notiz auf der dreiseitigen Wettkampfbeschreibung jedes Teilnehmers. Mittlerweile ist der Ironman ein Millionengeschäft. Schon 2002 berichtete die Tageszeitung „Honolulu Advertiser", dass durch den Ironman Hawaii ein zusätzlicher Umsatz von 26 Millionen US-Dollar generiert werde – und die Zahlen dürften seither sogar noch gestiegen sein.
Auch in Deutschland hat das Rennen einen hohen Stellenwert. Nicht umsonst wurden mit Jan Frodeno 2015 und Patrick Lange 2018 zwei Triathleten zum Sportler des Jahres gewählt, die sich in dem Jahr in Hawaii jeweils die Krone aufgesetzt hatten.
„Prahle damit für den Rest deines Lebens"
Langes Ziel ist auch diesmal wieder das gleiche wie in den Vorjahren. Der Weg dorthin war in dieser Saison allerdings ein deutlich anderer als zuletzt – und das nicht nur, weil er Anfang des Jahres zu seiner Frau nach Österreich in die Nähe von Salzburg gezogen ist. Ganz bewusst hat Patrick Lange auch neue Reize gesetzt, schon allein um die Motivation im Training hochzuhalten. „Ich verändere das System nicht grundlegend, die Eckpfeiler bleiben bestehen. Aber es geht im Hochleistungssport um kleinste Details – und auch um den Kopf, sonst wird man zum Hamster im Rad.
Es müssen auch mal neue Reize gesetzt werden. Ich habe gemerkt, dass ich zum Beispiel wieder mehr an meiner Lauf-Grundschnelligkeit arbeiten muss", verriet er im Interview mit der „Frankfurter Rundschau". Im April absolvierte er deshalb in Berlin zum ersten Mal einen Halbmarathon außerhalb eines Triathlons. Auch das anschließende Trainingslager in Phuket in Thailand war eine Premiere, ebenso die Teilnahme beim Ironman 70.3 Vietnam, den er prompt gewann. Anfang August startete Lange auch bei den Deutschen Meisterschaften im Rahmen der „Finals 2019" in Berlin auf der für ihn eigentlich viel zu kurzen Sprintdistanz mit 750 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren und fünf Kilometer Laufen. „Es war von vorne bis hinten hart und komplett ungewohnt", sagte er, nachdem er mit knapp anderthalb Minuten Rückstand als 25. ins Ziel kam. „Aber ich bin absolut zufrieden. Ich habe gezeigt, dass ich auf meine alten Tage mit den Jungs noch gut mithalten kann."
Als Deutschlands amtierender Sportler des Jahres stand Patrick Lange bei den „Finals 2019" ganz besonders im Fokus, auch wenn vorher klar war, dass er auf dieser Strecke nicht gewinnen würde. Dabei sind es nicht nur seine sportliche Leistungen, für die ihn die Leute lieben, sondern sein gesamtes Auftreten. „Bisher waren die Sieger oft diese ganz harten Trainingsmaschinen, kaum jemand hat eine menschliche nahbare Seite gezeigt. Das macht es sicher so besonders", sagte er in der „Bild"-Zeitung über seinen öffentlichen Heiratsantrag im vergangenen Jahr.
„Ich landete schief und überschlug mich"
Überhaupt ist Langes Geschichte eine besondere. Der Hesse fand erst relativ spät den Weg zum Triathlon, nachdem er anfangs viele Jahre Mountainbike gefahren war. In der U15 gewann er in dieser Sportart sogar einmal den Titel des deutschen Jugendmeisters. Dann aber erlitt er einen schweren Sturz, dessen Hergang er in der „Welt" einmal wie folgt beschrieb: „Es war sehr windig an dem Tag, ich fuhr eine Wiese hinunter, dann hat mich in der Luft eine Windböe zur Seite gedrückt, ich landete schief, überschlug mich mehrere Male und knallte auch mit dem Kopf auf den Boden." Ein Vorfall mit Folgen, denn fortan fuhr Lange mit angezogener Handbremse. Als es gar nicht mehr ging, wechselte er 2002 zum Triathlon. Der Durchbruch ließ allerdings auch dort auf sich warten.
Wirklich professionell betreibt Lange die Sportart erst seit 2016, seit seinem Wechsel zu Trainer Faris Al-Sultan, 2005 selbst Gewinner des Ironman Hawaii. Bis vor drei Jahren war Langes Name nur Insidern bekannt. Doch seitdem hat er die Triathlon-Szene im Sturm erobert. Ein Spätstarter ist er zwar immer noch. Aber dass man auch mit dieser Taktik Erfolg haben kann, hat er in der Vergangenheit ja schon häufiger unter Beweis gestellt. •