Im Rekordjahr 2010 waren sieben deutsche Fahrer in der Formel 1 im Einsatz. 2019 sind es mit Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg nur noch zwei. Für 2020 ist nur Ferrari-Pilot Vettel gesetzt. Hülkenberg hat die Renault-Kündigung und ist auf Cockpitsuche.
Die Formel 1 in der kommenden Saison nur mit einem deutschen Fahrer? Kaum zu glauben, würde die Auto-Nation Deutschland 2020 nur mit einem Piloten in der Königsklasse des Motorsports an den Start gehen. Sebastian Vettel hat bis Ende nächsten Jahres einen Vertrag mit Ferrari. Und den will er erfüllen. Vettel ist also gesetzt. Genauso wie sein junger, forscher, aufstrebender Ferrari-Kronprinz Charles Leclerc. Bei Mercedes greifen Lewis Hamilton, sehr wahrscheinlich als sechsmaliger Champion, und Valtteri Bottas ins Lenkrad. Der Finne stand vor der Sommerpause auf der Kippe. Vor dem Belgien-GP aber bekam der blonde Nordländer als nachträgliches Geburtstagsgeschenk eine Vertragsverlängerung. 2020 wird es seine vierte Saison als Stern-Fahrer sein. Top-Team Nummer drei, Red Bull, setzt weiter auf den „fliegenden" Holländer Max Verstappen und sehr wahrscheinlich auf den vom Schwester-Team Toro Rosso beförderten Alexander Albon. Der Thailänder ersetzt seit dem Belgien-GP den Franzosen Pierre Gasly, der auf Albons Platz bei Toro Rosso degradiert wurde.
„Nico war eine Stütze in der Teamkonstruktion"
Renault ist hinter McLaren-Renault Fünfter in der Konstrukteurswertung. Seit 2017 fährt Nico Hülkenberg für den Werksrennstall. Zum Saisonende 2019 hat der 32-Jährige die Kündigung erhalten. „Nico ist ein großartiger Fahrer, er war eine Stütze in der Teamkonstruktion", lobte ihn sein Noch-Renault-Teamchef Cyril Abiteboul mit warmen Worten weg. „Ich bin gelassen und werde nicht zwischen alle Stühle fallen", reagierte „Hulk" auf die ungewöhnliche Lobeshymne, mit der er gleichzeitig abserviert wird. „Im zehnten Jahr bin ich jetzt in der Formel 1 unterwegs (2010 Williams, 2012 Force India, 2013 Sauber, 2014 bis 2016 Force India, 2017 bis 2019 Renault; Anm. d. Red.). Die Karten sind gelegt, und wir müssen gucken, wie die Steine fallen", so der Noch-Renault-Pilot gegenüber RTL, der in der kommenden Saison bei den Franzosen durch ihren hochgelobten, talentierten, jungen Landsmann Esteban Ocon ersetzt wird. Der 23-Jährige hat bereits 50 Grand-Prix-Einsätze vorzuweisen, begann seine Karriere 2016 beim Team Manor-Mercedes und wechselte 2017 zu Force India-Mercedes. Ende 2018 wurde seine Zeit als Fahrer unterbrochen, Ocon musste 2019 auf die Ersatzbank, wurde bei Mercedes als Testfahrer geparkt. „Es ist eine große Chance, mit so einem Hersteller wie Renault zu arbeiten. Sie haben ein ambitioniertes Projekt, das mich reizt. Bei Mercedes habe ich viel gelernt, die Erfahrungen werde ich bei Renault einbringen. Sie setzen große Erwartungen in mich", so Ocon zu seiner Verpflichtung für zwei Jahre bis Ende 2021. Als Renault-Stammpilot ist er Teamkollege von Daniel Ricciardo.
Nico Hülkenberg findet es „schade, dass die gemeinsame Reise mit Renault nach der Saison enden wird, gerade weil man die gesteckten Ziele bis dato noch nicht erreichen konnte", schrieb der Emmericher auf Twitter und Instagram. Er wollte ursprünglich mit Renault die Top-3-Teams angreifen. Das ist der Frohnatur vom Niederrhein jedoch nicht gelungen. Die Saison 2019 verlief für „Hulk" bisher enttäuschend, negatives Highlight war sein Ausfall bei seinem Heimrennen in Hockenheim. Obwohl der Name Hülkenberg seit einem Jahrzehnt einen guten Klang in der Königsklasse hat und er meist verlässlich solide Ergebnisse liefert, hat ihn sein Teamkollege Ricciardo klar im Griff: 12:4 steht es bei den Trainingsduellen für den Australier.
In der Sommerzeit, der sogenannten Silly Season, in der die Gerüchteküche brodelt, verdichteten sich Anzeichen, wonach Hülkenberg das Renault-Team in Richtung Haas verlassen könnte. Bei dem US-Team, in dem der Däne Kevin Magnussen für 2020 gesetzt ist, konnte der Franzose Romain Grosjean die Erwartungen bislang nicht erfüllen. Er leistete sich etliche Patzer und ist mit gerade mal mickrigen acht Punkten WM-17. (Teamkollege Magnussen ist WM-15. mit 20 Punkten). In 16 Rennen schaffte es Grosjean nur dreimal in die Top Ten. Bestes Ergebnis war Platz sieben beim Chaosrennen in Hockenheim.
„Nico ist ein sehr guter Fahrer"
Für Haas-Teamchef Günther Steiner kam als eventueller Grosjean-Nachfolger Hülkenberg infrage. „Nico ist ein sehr guter Fahrer und sehr guter Typ", machte der Südtiroler dem WM-11. (34 Punkte) vor dem Singapur-Rennen Hoffnung auf das Haas-Cockpit. Doch dann die überraschende Wende – mit der schlechten Nachricht für Hülkenberg: Der amerikanische Rennstall hat sich entschieden, mit Grosjean weiterzuarbeiten. Laut Teamchef Steiner war der „Bedarf nach Erfahrung" einer der ausschlagenden Gründe dafür, wie die Entscheidung gefallen ist. „Mit Magnussen und Grosjean haben wir eine solide Plattform, um unser Wachstum fortzusetzen", so Steiner. Für den 33-jährigen Franzosen wird 2020 seine fünfte Saison im Haas-Team, seine neunte komplette Saison insgesamt mit den bisherigen Stationen Renault (2009) und Lotus (2012 bis 2015). In 157 Grands Prix stand er bisher zehnmal auf dem Podium (zweimal Zweiter, achtmal Dritter). In der Haas-Debütsaison 2016 sammelte Grosjean alle 29 Punkte für den neuen Rennstall. Insgesamt gehen 102 der 195 Haas-Punkte in der Formel 1 auf sein Konto. „Ich habe immer betont, dass es mein Wunsch ist, beim Haas-Team zu bleiben und auf das bisher Erreichte aufzubauen", bedankte sich Grosjean für den neuen Einjahresvertrag.
Zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort
Für Hülkenberg wird die Luft in der Formel 1 nach der Haas-Absage immer dünner, die Zeichen stehen eindeutig auf Abschied. Der letzte Strohhalm, an den sich der Rheinländer klammern könnte, wäre eventuell Williams. Dort verlässt Robert Kubica nach nur einer Saison das Traditionsteam auf eigenen Wunsch. „Es ist meine Entscheidung und nicht die des Teams", betonte der Pole in Singapur. „Mit mir hat noch niemand gesprochen", verkündete Hülkenberg. Als heißer Kandidat für das freie Kubica-Cockpit wird aber Williams-Ersatzfahrer und Formel-2-Pilot Nicholas Latifi gehandelt. Sollte die Entscheidung zugunsten des Kanadiers fallen, würde Nico Hülkenberg der Formel 1 nach zehn Jahren und 177 Grands Prix mit einer Pole Position (Brasilien 2010) und dem ungeliebten Rekord als Fahrer mit den meisten Einsätzen ohne Podiumsplatzierung den Rücken kehren und sich aus der Königsklasse verabschieden. Der „Lange" war zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort. Von den sieben deutschen Fahrern im Jahr 2010 (Vettel/Red Bull, Schumacher/Mercedes, Rosberg/Mercedes, Sutil/Force India, Glock/Virgin, Heidfeld/BMW-Sauber, Hülkenberg/Williams) würde 2020 mit Vettel nur ein deutscher Fahrer in der Formel 1 am Start sein. Noch-Renault-Pilot Hülkenberg konnte bis Redaktionsschluss dieser FORUM-Ausgabe noch keinen neuen Arbeitgeber verkünden.