Colin Bilsdorfer wurde mit Down-Syndrom geboren. Der junge Mann arbeitet sehr engagiert als Küchenhilfe im Victor’s Residenz-Hotel in Saarbrücken – und feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum.
Eür den besten Arbeitgeber der Welt!“ Ein kleines Plakat mit dieser Aufschrift hat Colin Bilsdorfer gebastelt, das er dem Küchenchef des Victor’s Residenz-Hotels am Deutsch-Französischen Garten, Dominique Stenger und dem Sous-Chef Markus Burger, mit strahlenden Augen überreicht. Seit zehn Jahren arbeitet der 30-Jährige als angelernte Küchenhilfe und wurde deshalb von seinem Arbeitgeber mit einer Urkunde und einem Gutschein geehrt. Colin hat die Auszeichnung seinerseits zum Anlass genommen, seinem Arbeitgeber ein tolles Zeugnis auszustellen.
„So ist er, der Colin“, schmunzelt Küchenchef Stenger. „Herzlich und immer für eine Überraschung gut.“ Unter „Arbeitgeber“ versteht Colin übrigens das gesamte Team des Victor’s Residenz-Hotels. Besonders der Chefetage und der gesamten Belegschaft dankt Colin von Herzen, dass sie alle ihm eine Chance gegeben haben. Trotz seiner Behinderung, trotz seiner Beeinträchtigungen. Dass sie ihn so akzeptieren, wie er ist. Denn Colin Bilsdorfer kam mit dem Down-Syndrom zur Welt. Hierbei treffen geistige Beeinträchtigungen in manchen Bereichen und öfter sekundäre Erkrankungen zusammen. Die Ursache hierfür liegt in einem Genfehler des betroffenen Menschen, das Chromosom 21 ist dreifach statt doppelt vorhanden, weshalb die Erkrankung auch Trisomie 21 genannt wird. Allein in Deutschland leben etwa 30.000 bis 50.000 Menschen mit dieser Erbkrankheit. Dass Colin trotzdem arbeitet, und das auch noch bei einem Arbeitgeber aus der freien Wirtschaft, ist keine Selbstverständlichkeit. Zu verdanken hat der sympathische junge Mann dies gleich mehreren glücklichen Umständen.
Zum einen seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern, die ihn mit viel Liebe und Akzeptanz großgezogen und begleitet haben und ihm viel Unterstützung bei der Entwicklung seiner Persönlichkeit und größtmöglichen Selbstständigkeit haben zukommen lassen. „In unserer Familie gab es wegen Colins Behinderungen keinerlei Probleme. Wir haben ihn angenommen und vom ersten Moment an seine Talente gefördert. So spielt Colin zum Beispiel wunderbar Schlagzeug und kümmert sich verantwortungsvoll um seine Beagle-Hündin Luna“, erzählt seine Mutter Margret Berwian.
Zum anderen traf Colin mit seiner Bewerbung als Küchenhilfe im Victor’s Residenz-Hotel auf einen Arbeitgeber, der dem Inklusionsgedanken offen gegenübersteht und ihm die Chance gab, sich zuerst in einem einjährigen Praktikum zu beweisen, an das sich eine zehnjährige Betriebsangehörigkeit angeschlossen hat. „Colin ging vom ersten Tag an mit großer Freude zur Arbeit. Sie ist für ihn Inspiration und ein wichtiger Pfeiler in seinem Leben. Anfangs wurde er von einer Integrationskraft begleitet“, erinnert sich seine Mutter. „Doch schon nach zwei Wochen rief sein Chef an und sagte, Colin könne gern alleine kommen, er brauche keine Unterstützungshilfe mehr. Das hat ihn sehr ermutigt.“
Bei seinen ersten beruflichen Schritten in der Hotelküche wurde er von Eva Minor, Dominique Stenger und Markus Burger mit großer Geduld unterstützt. Sie gaben ihm Aufgaben, an denen er wachsen konnte, ohne sich zu überfordern. „Colin ist der weltbeste Tomatenschneider“, sagt Küchenchef Stenger. „Keiner kann so exakt Tomaten in Scheiben schneiden wie er.“ Dabei klopft er seinem Schützling aufmunternd auf die Schulter, was Colin strahlen lässt. „Ich kann sogar besser Tomaten schneiden als mein Papa“, sagt dieser lachend. „Und würfeln kann ich Tomaten auch super. Am meisten Spaß macht es mir, Speck fürs Frühstücksei im Ofen zu grillen. Ich bin nämlich ein echter Speck-Experte, müssen Sie wissen.“
„Für uns ist es eine Freude zu sehen, wie hingebungsvoll Colin seine Aufgaben erledigt, und mit welcher Begeisterung er zur Arbeit kommt“, erklärt Regionaldirektor Irakli Gogadze. „Die Zusammenarbeit mit seinen Kollegen funktioniert gut, und mit seiner Fröhlichkeit und Herzlichkeit steckt er uns an.“
Als er mal nicht zur Arbeit konnte, war er kreuzunglücklich
„Wenn Colin mal in Urlaub ist, merken wir alle, dass er fehlt“, sagt Sous-Chef Markus Burger. „Umso schöner ist es dann, wenn er uns eine Karte von seinem Urlaubsort schickt und nach seiner Rückkehr erzählt, was in anderen Hotels nicht so gut klappt wie bei uns. Colin hat nämlich ein scharfes Auge für alles rund ums Frühstücksbüfett.“ Neben beziehungsweise wegen des Down-Syndroms hat Colin Bilsdorfer auch mit Schwerhörigkeit und Herzproblemen zu kämpfen. Als er vor zwei Jahren einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen musste und nicht zur Arbeit gehen konnte, war er kreuzunglücklich. „Immer wieder hat er gefragt: ‚Wann bin ich denn wieder fit und kann zu meinen Kollegen?‘ In dieser Zeit war es sehr wohltuend, dass sein Chef und seine Kollegen regelmäßig bei uns nachgefragt haben, wie es Colin geht. Dieses ehrliche Interesse an Colin hat uns sehr gefreut“, sagt seine Mutter.
Dass nicht immer alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist, will Margret Berwian nicht verschweigen. „Für Colin war es eine Zeit lang schwer zu akzeptieren, dass er keine Ausbildung zum Koch machen kann. Damit hätte er sich und seine Fähigkeiten überschätzt. Die Grenzen, an die er gestoßen ist, musste er lernen zu akzeptieren. Aufgefangen wurde die Enttäuschung dadurch, dass Küchenchef Stenger und seine Mitarbeiter Colin mit Zusatzaufgaben betraut haben, die er bewältigen konnte. So durfte er auch mal Frühstücksplatten mitgestalten, was ihn sehr stolz gemacht hat.
Es gibt auch Momente, in denen wir als Eltern mit dem unausgesprochenen Vorwurf konfrontiert werden: ‚Hat das sein müssen, ein Kind mit Down-Syndrom?‘ Das schmerzt. Vor allem angesichts der aktuellen Diskussion um einen neuen Bluttest, der gerade Trisomie 21 frühzeitig erkennen lässt und in der Gesellschaft Fragen nach frühgeburtlicher Selektion aufwirft.“ In diesen Momenten ist die Ehrung für zehnjährige Betriebszugehörigkeit, die Colin Bilsdorfer nun durch seinen Arbeitgeber erlebt, ein wichtiger Lichtblick. Sie zeigt, dass Integration von behinderten Menschen glücken kann, wenn beide Seiten ehrlich daran interessiert sind, wenn nicht nur auf die Defizite geschaut wird, sondern auch auf den zwischenmenschlichen Gewinn, den Menschen mit und ohne Handycap miteinander erleben können.