Vor zehn Jahren wurden die Banken vom Staat vermutlich vor dem akuten Kollaps gerettet. Doch inzwischen zahlen sie den Preis dafür: Niedrigzinspolitik und Digitalisierung machen ihnen schwer zu schaffen.
Die Geschichte der Deutschen Bank lässt sich wie eine klassische Tragödie erzählen. Da gab es nach der Gründung vor fast 150 Jahren die Suche nach dem richtigen Weg, dann die große Krise, den wohlverdienten Höhenflug in einer Zeit des allgemeinen Aufstiegs, die Hybris, das Böse und dann der Absturz. In welcher Form die Deutsche Bank überleben wird, darüber streiten sich die Rezensenten des Dramas noch.
Die Zahlen sprechen allerdings eine ziemlich deutliche Sprache: Der Aktienkurs liegt bei etwas über sieben Euro, weniger als ein Zehntel dessen, was er vor über zehn Jahren vor der Finanzkrise erreicht hatte. Der Börsenwert liegt nur noch bei 12 Milliarden Euro, ein Bruchteil des einstigen Wertes. Der tiefe Fall der Deutschen Bank ist zum ganz großen Teil hausgemacht, eine Folge von Fehleinschätzungen, von Egoismus (nach mir die Sintflut!) und von zu großen Risiken, die das Management wegen überzogener Ziele eingegangen ist. Der Schwenk zum Investmentbanking in den 1990er und noch stärker in den Nullerjahren, und vor allem der Einstieg in den windigen Hypothekenhandel in den USA erweisen sich im Nachhinein als die großen Fehlentscheidungen. Sie haben der Bank Strafzahlungen in Milliardenhöhe wegen Geldwäsche, Zinsmanipulationen und Steuerbetrug eingebracht.
Der Dokumentarfilmer Dirk Laabs hat zwei Filme über die Deutsche Bank gedreht und für sein Buch „Bad Bank – Aufstieg und Fall der Deutschen Bank" mehrerer Jahre recherchiert. Anders als von der Bank und ihrem langjährigen und seinerzeit scheinbar erfolgreichen Chef Josef Ackermann behauptet, zählt die Deutsche Bank nicht zu den Gewinnern der Finanzkrise. Man erinnert sich noch an das „Ich würde mich schämen, Geld vom Staat anzunehmen", mit dem Ackermann das Selbstbewusstsein der Bank artikulierte. „Zu viele Menschen um die Banker herum – Aufseher, Politiker, Kunden, Journalisten – haben die angeblich beispiellose Erfolgsgeschichte zu leichtfertig geglaubt. Diese Fehleinschätzungen führten zu einer der schwersten Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte, deren Folgen noch lange nicht überwunden sind", schreibt dagegen Laabs.
Höhenflug, Hybris, Absturz
Nun hat der aktuelle Vorstandschef Christian Sewing bekanntgegeben, dass die Bank auch im vergangenen Jahr einen Verlust gemacht hat, den vierten in Folge, anders als zunächst behauptet worden war. Eine wirkliche Antwort auf die Krise der Bank scheint Sewing nicht zu haben. Trotz gewaltiger Umstrukturierungen, der in Deutschland 9.000 und weltweit 18.000 Jobs zum Opfer fallen sollen, ist seine Strategie im Grunde ein hilfloses Weiter-So: Universalbanking, also Privatkundengeschäft und Investmentbanking.
Der zweiten deutschen Großbank, der Commerzbank, geht es kaum besser. Auch hier drohen weiter Stellenabbau und Filialschließungen im großen Stil. Die „Rettung" durch den Staat in der Bankenkrise 2009 hat zwar vielleicht den großen Kollaps verhindert, das aber zum Preis eines langfristigen Schrumpfens.
Die Misere der beiden prominenten deutschen Banken ist allerdings doch nicht komplett hausgemacht. Einen beträchtlichen Anteil der Misere haben die Notenbanker der Europäischen Zentralbank EZB. Ihre Zinspolitik macht allen Banken seit Jahren schwer zu schaffen. Seit 2014 verlangt sie bei Einlagen der Banken in ihrem Haus negative Zinsen, seit September ist dieser „Strafzins" auf minus 0,5 Prozent gesunken. Über Jahre kaufte die EZB außerdem Anleihen, vor allem staatliche, und drückte damit die Renditen für langfristige Finanzanlagen.
Für Banken ist das ein denkbar ungünstiges Umfeld. Sie verdienen einen Großteil ihres Geldes dadurch, dass sie von den einen Geld geliehen bekommen und dafür eher niedrige Zinsen auszahlen, weil das Geld für den Kunden kurzfristig verfügbar ist. Dafür bekommen sie von anderen Kunden höhere Zinsen dafür, dass sie Geld an sie für längere Laufzeiten verleihen. Das hat jahrzehntelang sehr gut funktioniert. Die Niedrigzinsphase bringt dieses Modell nun an seine Grenzen. Ursache ist zum Teil die Politik der Zentralbank, zum Teil aber auch ein allgemeiner Überfluss an Erspartem auf der Welt, dass nicht genug investiert wird.
Auch dass die Banken Strafzinsen an die EZB zahlen müssen, schlägt ihnen heftig ins Kontor: Seit Einführung der Minuszinspolitik 2014 haben die Banken Europas 21 Milliarden Euro Strafzinsen gezahlt, im vergangenen Jahr allein 7,5 Milliarden. Im laufenden Jahr dürften es noch mehr werden. Wie lange die Banken das durchhalten können, wird sich zeigen. Laut Bundesbank hat sich die Ertragslage der deutschen Banken zuletzt weiter verschlechtert: Die Gewinne vor Steuern sind 2018 mit 18,9 Millarden Euro um ein Drittel niedriger ausgefallen als im Jahr davor. Am besten geht es noch den Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die zusammen den allergrößten Teil davon erwirtschaften. Sie haben eine stabile Kundschaft und die Kreditvergabe läuft noch immer gut, nicht zuletzt angesichts der guten Baukonjunktur.
Aber das Problem bleibt: Die Bundesbank sorgt sich, dass „die Institute Negativzinsen nur in geringem Umfang an Einleger weiterreichen und zugleich der starke Wettbewerb die Ertragsmöglichkeiten im Kreditgeschäft begrenzt".
Das Bankengeschäft ist schwieriger geworden und wird es auf absehbare Zeit bleiben. Die Bankenlandschaft schrumpft denn auch massiv: In Deutschland sind in den vergangenen zwei Jahren über hundert Institute verschwunden, meist auf dem Weg von Zusammenschlüssen bei einzelnen Genossenschaften oder Sparkassen. Die Zahl der Filialen schrumpft rapide – für jeden sichtbar: In zwei Jahren sank ihre Zahl um über 4.000 auf nunmehr gut 27.000. Die Zahl der Mitarbeiter sank in der gleichen Zeit um knapp 40.000 auf 570.000. Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht in Sicht.
Filialen werden geschlossen und Jobs abgebaut
Den Banken macht aber auch die allgemeine Digitalisierung zu schaffen. Finanz-Start-ups, genannt „FinTechs" wie die Berliner „Bank" Number26 – oder „N26" – drohen, ihr Geschäftsmodell in Frage zu stellen. Wie weit ihnen das angesichts eigener Schwierigkeiten gelingt, ist noch offen. Die Kontoverwaltung erfolgt bei N26 etwa komplett über eine App für das Smartphone, ist gebührenfrei und sehr schnell. Je mehr Menschen es gibt, die ohne persönliche Beratung auszukommen glauben, umso weniger lassen sich klassische Filialen rechtfertigen und werden geschlossen. Lendico, ein anderes FinTech, ist ein „Marktplatz" für Kredite. Dabei können Privatpersonen, aber auch Unternehmen, sich von privat Geld leihen. Das funktioniert wie in einer Partnerbörse-Anzeige.
In jedem Fall ist klar, dass Banken früher leichter Geld verdient haben als heute und morgen. Sie lebten damals mit wenig Konkurrenz, hatten wenig Sorge, dass ihnen Kunden davonliefen. Diese Zeiten sind ein Stück weit vorbei. Die Digitalisierung erlaubt es heute den Kunden, die Finanzen auf eigene Faust zu regeln, zu anderen Finanzdienstleistern zu gehen und bei zu hohen Gebühren zur Konkurrenz zu wechseln.
Dass die Geldhüter die Not der Banken verstärken, war zu Beginn der Finanzkrise nicht abzusehen gewesen. Ursprünglich hatte die Niedrigzinspolitik ja den Banken helfen sollen, durch die Stürme der Krise hindurchzukommen. Langfristig ist die Niedrigzinspolitik aber mehr eine Belastung als eine Hilfe. Es hat etwas Tragisches: Die Hilfe war gut gemeint, doch langfristig wirkt sie fatal. So zahlen die Banken ganz offensichtlich den Preis für ihre Rettung in der Finanzkrise 2008. Die großen Banken wurden damals mit Milliardensummen und Garantien des Staates vor dem Bank-Run bewahrt. Auch die Deutsche Bank hat damals indirekt von staatlichen Hilfen profitiert. Und der Staat holt sich über die Niedrigzinspolitik das Geld wieder zurück, das er damals verteilt hat, weil ihn die Kredite kaum noch etwas kosten, ja, weil er noch Geld dazu bekommt, wenn er sich leiht.