Usbekistan ist ein Land wie aus Tausendundeiner Nacht. Mystische Städte mit prachtvollen Moscheen und Palästen und Einwohner, die Besuchern mit viel Freundlichkeit begegnen.
Türkis war Timurs Lieblingsfarbe", sagt der Reiseleiter. Auch die Majolika-Kacheln und Mosaike, die Usbekistans jahrhundertealte Moscheen, Minarette, Mausoleen und Medresen (Koranschulen) schmücken, leuchten in Türkis und den Bestandteilen Blau und Grün.
Weiß dient zur Strukturierung der Muster, die in ihrer Feinheit wie gestickt wirken. Auch nach dem Tod Timurs, einer der erfolgreichsten Militärführer der muslimischen Welt, im Jahr 1405 zierten solche Kacheln die Meisterwerke islamischer Baukunst. Die Altstädte von Chiwa, Buchara und Samarkand, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehören, sind wahre Farbwunder und die „Perlen" an der ehemaligen Seidenstraße, die sich von Xian in China bis nach Rom erstreckte. Auf ihr wurden neben der kostbaren Seide weitere Waren und auch Religionen und Wissen transportiert.
Noch streifen keine Touristenschwärme durchs Land, und so begegnen die Usbeken den Besuchern mit viel Freundlichkeit. „Toleranz und Gastfreundschaft sind unsere Haupttugenden", betont der Reiseleiter. In Usbekistan haben viele Völker ihre Spuren hinterlassen, etwa 123 Ethnien leben zurzeit in der zentralasiatischen Republik.
Deutschland, das Usbekistan mit Sozialprogrammen unterstützt, wird sehr geschätzt, und „Germania" (usbekisch für Deutschland) erweist sich als Zauberwort. Gerne lassen sich die Usbeken fotografieren, auch die Mütter und Väter mit ihren hübschen Kindern. Alte Menschen zeigen stolz ihre nicht immer echten Goldzähne. Davor oder danach zücken die Usbeken von acht bis 80 ihre Smartphones. Jetzt muss die Besucherin aus Germania mit aufs Bild.
Sommer in Usbekistan – das ist die Zeit zum Heiraten. Viele Brautpaare sind zu sehen, die perfekt geschminkten Frauen in weißen Hochzeitskleidern, die Herren in dunklen Anzügen, umschwirrt von Kameraleuten.
Oasenflair in Chiwas Altstadt
Dass dieses Flanieren und Posieren mehrere Stunden dauert, weiß der Reiseleiter aus eigener Erfahrung. Noch weit mehr Ausdauer ist fürs Ausleihen des Brautkleides nötig. Er selbst war heilfroh, damals eine Wandergruppe in die Berge und nicht seine Verlobte tagelang durch die Geschäfte begleiten zu müssen.
Insgesamt 300 Kleider hat sie anprobiert, umgerechnet 600 Euro kostete schließlich das gewählte – viel Geld für einen jungen Reiseleiter in Usbekistan. „Aber sie sollte ja glücklich werden", sagt er lächelnd.
Nur in der Hochzeitsnacht ist beiden das Lachen vergangen. Unauffällig hatten sie sich davongeschlichen, doch als sie das Elternhaus betraten, saßen dort schon die wachsamen Tanten. Der Tradition gemäß mussten sie diese Nacht noch getrennt verbringen. Und dass nach der üppigen, mit zahllosen Gästen gefeierten Hochzeit. Der Ehemann, der die Kosten tragen muss und oft hoch verschuldet ist, gehört auch dazu. Andere Länder, andere Sitten.
Dennoch ist die Hochzeit das größte Fest des Lebens, und so werden die schönsten Orte ausgewählt, und die Paare wollen wohl auch von möglichst vielen bewundert werden. Die kaum bewohnte Altstadt von Chiwa kann das trotz ihres Oasenflairs nicht bieten. Als erste wurde sie 1990 Unesco-Weltkulturerbe. Umso mehr gefällt sie den ausländischen Gästen.
Bilderbuchmäßig schlängelt sich die im 17. Jahrhundert erneuerte Mauer um das Wüsten-Städtchen. Drinnen fällt sogleich das türkisfarbene, nur 26 Meter hohe Minarett Kalta Minor ins Auge. Ursprünglich sollte es das höchste im ganzen Land werden, doch der Emir fürchtete, dass jemand von oben in seinen Harem schauen könnte und ließ den Bau stoppen. Ein Märchen wie aus Tausendundeiner Nacht.
Rundherum sandfarbene Lehmbauten sowie Moscheen und Medresen. Eine wurde zum Hotel „Madrassah" umgewandelt. Kachelschmuck in Königsblau mit Türkis-Medaillons fällt auf. „Keine Kachel ist wie die andere. Jede trägt eine winzige Nummer, um sie an der richtigen Stelle zu platzieren", erklärt der Guide.
An schattigen Plätzen besticken Frauen Kissenbezüge, hinter alten Mauern fertigen Handwerksbetriebe scharfe Messer und hölzerne Koranständer. „Cordoba haben wir auch", sagt der Guide. Hier tragen 213 Holzpfeiler das Dach der Juma-Moschee. Zwei stammen noch aus der Zeit vor Dschingis-Khan, der 1220 mit seiner Horde durchs Land stürmte und viele Städte zerstörte, auch Buchara und Samarkand.
In Buchara hat nur das tausendjährige Mausoleum der Samaniden, das älteste Bauwerk in ganz Zentralasien, den Mongolenansturm und auch alle Erdbeben überstanden. Statt Kachelschmuck zeigt es außen und innen Steinmetz-Kunst vom Feinsten.
Moschee ist auch Koranschule
Das Lieblingsziel der Bewohner ist jedoch der Teich Labi-Hauz. Dort genießen viele bei Speis und Trank die warmen Sommerabende. Einige Frauen tanzen zur Livemusik munter zwischen den Tischen.
Auch die Gäste aus der Ferne erholen sich hier bei Wasser, Wein und Bier vom Parcours durch die wunderbare Weltkulturerbe-Altstadt, die 140 Baudenkmäler besitzt. Nur die Glanzobjekte sind in wenigen Reisetagen zu schaffen, die viertürmige Chor-Minor-Moschee, die noch bedeutendere Kalon-Moschee und die berühmte Mir Arab Medrese. Die ist Koranschule und Universität, an der Jura und Wirtschaftswissenschaften gelehrt werden.
„Es gibt jetzt auch Medresen für Mädchen", weiß der Guide. Seit Usbekistan im Jahr 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärte, ist die Republik ein säkularer Staat. Politik und Religion sind streng getrennt. 18 Religionen sind staatlich anerkannt, Feiertag ist der Sonntag, und selbst während des Ramadans sind Restaurants und Geschäfte tagsüber offen.
Auch die von den Sowjets geschlossenen Moscheen wurden wieder geöffnet, doch nur einige sind aktiv. Mehrheitlich, und nicht nur in Buchara, werden drinnen Souvenirs und Textilien verkauft, vor allem Seidenschals.
Besichtigen lässt sich die von einer starken Mauer geschützte Zitadelle, wo die Herrscher (Emire) residierten. Wehe, wer sich ihnen nicht ehrerbietig näherte. Der letzte, Alim Khan, musste 1920 nach dem Einmarsch der Bolschewiken das Land verlassen und lebte mit Familie bis zu seinem Tod im Jahr 1944 in Kabul. Immerhin wurde sein Thron komplett restauriert. Ein alter Spruch lautet: „Überall in der Welt strahlt das Licht vom Himmel zur Erde. Nur in Buchara strahlt es von der Erde zum Himmel."
Dennoch ist für die meisten Usbeken und ihre Gäste Samarkand mit dem Registan das Nonplusultra. Als schönster Platz der Welt wurde er schon vor Jahrhunderten gepriesen. Drei Medresen verleihen ihm vollendete Harmonie. Die linke, die der berühmte Astronom Ulug-Bek errichten ließ, wurde 1405 fertig. 70 Wissenschaftler holte er als Forscher und Lehrer an diese Schule.
Ihr gegenüber steht die rund 200 Jahre jüngere Sherdor-Medrese, die mit Menschengesichtern und Ligern – einer Kreuzung aus Löwen und Tigern – überrascht. Die Platzmitte füllt die fast gleichaltrige Tillakori-Medrese, die auch die goldene Moschee beherbergt, deren Glanz fast die Augen blendet.
Mitunter taucht eine spätabendliche Light-Show dieses einmalige Ensemble in kunterbunte Farben. Tagsüber oder in der sonst üblichen nächtlichen Beleuchtung ist der Registan wesentlich schöner.
Ähnlich schön soll auch die von einem Erdbeben stark zerstörte Bibi-Khanum-Moschee, Timurs Hauptprojekt, wieder werden, zu deren Rekonstruktion schon russische Rubel nach Samarkand flossen. Mit diesem Riesenbau wollte Timur seine Macht beweisen. Erst 1405, kurz vor seinem Tod – und nach Abriss der ersten Version – wurde sie im Eiltempo vollendet und ist eine der prachtvollsten Moscheen der islamischen Welt.
Gemäß der Legende soll seine Lieblingsfrau den in sie verliebten Baumeister mit einem von ihm geforderten Kuss zu äußerstem Tempo veranlasst haben. Er büßte diesen Frevel mit dem Tod, ihr retteten beim Sturz vom Turm die sich im Wind wie ein Fallschirm blähenden Seidenkleider das Leben.
Timur, schon krank, starb auf einem gegen China gerichteten Winterfeldzug. Nicht am Alkoholexzess, wie es früher hieß, sondern nach neuen Forschungen an einer Lungenentzündung. Angeblich rannten seine Soldaten mit dem durch eine Honigschicht konservierten Leichnam auf einer Bahre zurück nach Samarkand.
Prachtvolles Mausoleum
Dort ruht er im Gur-Emir-Mausoleum, gemeinsam mit seinem vor ihm verstorbenen Lieblingsenkel, für den diese Grabstätte eigentlich gedacht war. Der schwarze Sarg ist der von Timur, seine Gebeine ruhen jedoch in der Krypta. Dass es wirklich die von Timur sind, hat der russische Forscher Michail Gerassimow bei einer Untersuchung in Moskau herausgefunden. Timur lahmte, wurde deshalb auch Tamerlan genannt. Daran konnte der Forscher ihn identifizieren und hat sogar sein Gesicht rekonstruiert.
Neuerdings besuchen die Usbeken verstärkt sein prachtvolles Gur-Emir-Mausoleum und ebenfalls die großartigen Bauten für seine verstorbenen Schwestern in der sehenswerten Nekropole. Denn Timur, der zwar alles Land mit großer Brutalität eroberte, dann aber in Usbekistan für wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung sorgte, ist wieder ihr Held.
In der Hauptstadt Taschkent, die nach dem Erdbeben von 1966 von den Sowjets als moderne Stadt wieder aufgebaut wurde, hat er Lenin, Marx und Stalin vom Sockel gestoßen.
Doch die von den Russen gebaute Metro mit ihren prächtigen Bahnhöfen nach Moskauer Vorbild ist weiterhin ein viel benutztes Verkehrsmittel. Im Bahnhof der Kosmonauten blickt Gagarin von der nachthimmelblauen Wand. Die drei Metrolinien fahren im Minutentakt, blitzsauber sind Bahnhöfe und Wagen.
Derweil stürmt ein bronzener Timur auf dem Amir-Timur-Platz mit wehendem Mantel und hoch zu Ross in die Zukunft. Und die hat in Usbekistan schon begonnen. Vielerorts wird gebaut, und der Hochgeschwindigkeitszug „Afrosiyob", mit dem wir von Samarkand nach Taschkent mit bis zu 250 Stundenkilometern gefahren sind, war superpünktlich und angenehm klimatisiert. Schon ab einer Verspätung von 15 Minuten gibt’s 15 Prozent Entschädigung und stufenweise mehr bei längeren Wartezeiten. Du schönes Usbekistan – diesbezüglich hast du es wirklich besser!