Der saarländische Tennis-Bundestrainer Dirk Dier hatte im Spätsommer 2019 seinen bisher interessantesten Job. Der Ex-Profi betreute die aktuell beste deutsche Tennisspielerin Angelique Kerber auf ihrer Asien-Tour. Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit ist nicht ausgeschlossen.
Eigentlich ist er Bundestrainer des Deutschen Tennisbunds (DTB). Im Spätsommer dieses Jahres wurde der Saarländer Dirk Dier allerdings freigestellt. Warum? Die frühere Nummer 118 der Welt wurde von der früheren Nummer eins und aktuellen Nummer 17 der Frauen, Angelique Kerber, angerufen. Nach Kerbers Zweitrunden-Aus in Wimbledon im Juli 2019 hatte sie sich von ihrem Trainer Rainer Schüttler getrennt. An den US Open nahm sie deshalb ohne Trainer teil. Nachdem sie auch dort vorzeitig ausgeschieden war, machte sie sich auf die Suche nach einem neuen Coach. Diese Chance ließ sich Dirk Dier nicht entgehen: „Ich habe natürlich direkt zugesagt", berichtet Dier, der schon vorher oft mit Kerber zusammengearbeitet hatte – insbesondere im deutschen Fed-Cup-Team. „Von daher war es nichts ganz Neues, wir kennen uns ja schon sehr lange. Aber es war eine sehr tolle Geschichte", sagt er.
Neben der Tatsache, dass er mit der früheren Weltranglisten-Ersten und Wimbledon-Siegerin von 2018 die beste deutsche Spielerin seit Steffi Graf betreute, war vor allem die Eins-zu-Eins-Betreuung etwas Besonderes für den erfahrenen Trainer. „Mein täglich Brot ist es eher, im Jugendbereich mit mehreren Spielerinnen oder Spielern zu einem Turnier zu fahren. In Asien waren wir zusammen mit ihrem Physiotherapeuten ein kleines Team, das sehr gut funktioniert hat und in dem eine super Stimmung herrschte", berichtet Dier. Der Schwerpunkt seiner Aufgaben lag dabei auf dem Coaching, also der Einstellung auf die bevorstehenden Spiele und auch die Steuerung während und zwischen den Spielen unter Berücksichtigung auf die jeweiligen Gegnerinnen und Begebenheiten. „Das klassische Training passiert in der Regel in Blöcken vor und nach solchen Reisen", erklärt er.
„Man tauscht sich aus, und letztlich ist es ein großes Miteinander"
Der Umgang mit dem Tennisstar fand auf Augenhöhe statt und lief letztlich „ganz einfach. Angie hat einen tollen Charakter und ist einfach ein toller Mensch. Sie ist eine der besten Spielerinnen aller Zeiten. Sie hat mit ihren 30 Jahren schon einen unglaublichen Erfahrungsschatz und hat ein ganz großes Kämpferherz", schwärmt Dier von seinem bekanntesten Schützling und beschreibt die Zusammenarbeit wie folgt: „Wir haben viel gesprochen – es ist nicht so, dass der Trainer etwas vorgibt, das gemacht werden muss. Man tauscht sich aus, und letztlich ist es ein großes Miteinander." An was Angelique Kerber seiner Meinung nach noch arbeiten sollte, will Dier nicht verraten. „Das wird dann zu gegebener Zeit besprochen", sagt er mit einem Augenzwinkern und ergänzt: „Es ist ja so, dass gerade diese großen Spielerinnen genau wissen: Stillstand ist Rückschritt." Etwas zu verbessern gebe es auch bei den Besten immer. „Die absoluten Spitzenathleten zeichnet aber gerade aus, dass sie das wissen. Die wollen sich sowieso immer weiter verbessern und jedes Mal vom Platz kommen und sagen können: Heute habe ich etwas draufgepackt, heute bin ich besser geworden", weiß Dier. „Demnach setzt man sich auch seine Ziele und geht sie an." Die Dauer der Zusammenarbeit war zunächst auf die Asien-Reise festgelegt, sie könnte aber auch weitergehen. „Im Moment ist alles offen – und damit auch so, wie es ursprünglich angedacht war. Wir werden demnächst miteinander telefonieren und sehen, wie die weitere Planung aussehen könnte", sagt Dier hierzu.
Seiner Heimat ist Dirk Dier noch sehr verbunden, sein Haupt-Wohnsitz ist immer noch im Saarland. Allerdings ist er zusätzlich zu Turnier-Reisen mit seinen Schützlingen auch oft in Nordrhein-Westfalen unterwegs, wo er am Landesleistungs-Zentrum des westfälischen Tennisverbands in Kamen arbeitet. Dort leitet der 47-Jährige Lehrgänge und betreut die größten Talente des Verbandes. „Sobald es die Zeit erlaubt, fahre ich nach Hause. Auch, wenn das zuletzt etwas seltener geworden ist", gibt Dier zu und ergänzt lachend und in perfektem Saarländisch: „Ab unn zu muss ma mo gucke, was dehemm los is." Dort lernte der in St. Ingbert geborene Dier ab 1980 beim TC Blieskastel sowie dem TuS Neunkirchen das Tennisspielen, war später mehrfach Deutscher Meister. Als erster Deutscher überhaupt gewann er einen Grand-Slam-Titel bei den Junioren (Australian Open 1990). Seine höchste Weltranglistenplatzierung in seiner von 1990 bis 2002 währenden Profi-Karriere erreichte Dier im Frühjahr 1996 mit Platz 118.
„Gute Ausgangsposition für die nächste Saison"
Als DTB-Trainer hat Dier auch die besten Saar-Talente im Blick. So gehört das derzeit hoffnungsvollste Talent Sarah Müller (15 Jahre alt) zur Top-Förderung des Verbands. „Sie hat Fuß gefasst und mittlerweile ihren Trainingsrhythmus gefunden. Zuletzt einige Erfolge bei ITF-Turnieren eingefahren – die Weichen sind also gestellt", attestiert Dier. Spätestens beim wichtigen Herbst-Lehrgang am Haupt-Bundesstützpunkt in Stuttgart werden sich die beiden wiedersehen. „Wie es aussieht, werden wir dann wohl gemeinsam nach Spanien fliegen, um dort an einem Turnier teilzunehmen." Müller ist derzeit nicht das einzige Saar-Talent, das nationale und internationale Ambitionen hat. Auch Milan Welte (18) und Katharina Hobgarski (22) sind zu nennen. „Das Saarland hatte immer schon gute Tennisspielerinnen und Tennisspieler hervorgebracht. Das setzt sich auch weiter fort", findet Dier, der sich vor allem über die jüngsten Ergebnisse von Welte freut, dem als 87. der Junioren-Weltrangliste aktuell besten Nachwuchs-Tennisspieler Deutschlands. „Es ist toll, dass er in seinem letzten Jugend-Jahr diese Erfolge feiern konnte. Mit dem starken Abschluss bei den US Open der Junioren (Viertelfinale, Anm. d. Red.) hat er sich eine gute Ausgangsposition für die nächste Saison erspielt, mit der Aussicht auf die eine oder andere Wildcard für ATP-Turniere", weiß Dier, der auch Hobgarski – aktuell 220. der WTA-Weltrangliste – noch eine Steigerung zutraut: „Wenn sie fleißig weiterarbeitet, wird auch von ihr noch einiges kommen. Ich bin jedenfalls sehr zuversichtlich, was den Tennissport im Saarland angeht. Hier passt schon alles." Ein Grund mehr, mal wieder öfter „dehemm vorbeisegucke". Wer weiß, vielleicht stammt einer der nächsten Tennis-Stars, die Dier auf internationalen Turnier-Reisen begleiten darf, aus seinem Heimatland.