Elektroautos brauchen leistungsfähige Akkus – und die brauchen eine ganze Kollektion von Metallen und sogenannten Seltenen Erden. Wenn es mit der E-Mobilität richtig losgehen soll, könnten sie knapp werden. Deutsche Firmen strecken ihre Fühler aus.
Das Elektroauto kommt, in der deutschen Autoindustrie scheint der Knoten geplatzt zu sein. Allein VW will 2020 über 100.000 VW id3 in Zwickau vom Band rollen lassen, zum Preis von unter 30.000 Euro. Bis 2030 sollen – so der Plan der Bundesregierung – zehn Millionen E-Autos auf den Straßen sein. Ihr Herzstück sind Batterien – und das sind fast immer Lithium-Ionen-Akkus. Die Nachfrage nach diesen Akkus wird sich vervielfachen – und damit auch die Nachfrage nach dem Rohstoff Lithium. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet mit dem 24-fachen bis 2026 verglichen mit dem Jahr 2016. Derzeit wird der Batteriezellen-Markt von asiatischen Herstellern beherrscht. Sollte es in Deutschland künftig eine eigene Zellfertigung geben, müsste auch die Versorgung mit solchen Rohstoffen gesichert sein. Firmen suchen daher Partner in den Abbau-Ländern.
Wie schwierig das ist, zeigt das gerade von dem bolivianischen Präsident Evo Morales per Dekret gestoppte Joint Venture, das die baden-württembergische Firma ACI Systems vor einem Jahr mit einem bolivianischen Staatskonzern abgeschlossen hat. In Bolivien werden im Salzsee von Uyuni die weltweit größten Lithium-Vorkommen vermutet. Geplant war eine Förderung von 30.000 bis 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid, genug für Hunderttausende von Elektroautos. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) hat den Handel ins Spiel gebracht. Dabei handelt es sich um eine Beratungsplattform zu mineralischen und Energierohstoffen für die deutsche Wirtschaft. Die DERA gehört zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die wiederum zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums zählt. Gegenwärtig versucht die Regierung, über Rohstoffpartnerschaften mit der Mongolei, Kasachstan und Peru, sowie mit Australien, Chile und Kanada Handelsrechte zu sichern. In der weltweiten Förderung von Lithium sind 30 Unternehmen tätig, wobei die größten Unternehmen in den USA sitzen.
Aber wäre das Recycling nicht der Ausweg aus dem Rohstoffdilemma? Herkömmliche Blei-Akkus sind den Lithium-Ionen in allem unterlegen, was Dauer, Haltbarkeit und Leistungsfähigkeit angeht. Nur in einem nicht. Die Bleibatterien lassen sich problemlos recyceln, Lithium-Ionen-Akkus dagegen nicht. Sie bestehen aus bis zu 100 Einzelteilen und ganz unterschiedlichen Metallen wie zum Beispiel Kobalt, Nickel, Aluminium. Und je nach Einsatz – ob im Smartphone oder in der Kamera – auch aus den sogenannten Seltenen Erden. Das sind 17 Elemente mit so ungewöhnlichen Namen wie Scandium, Yttrium, Neodym, Europium oder Thulium. Eigentlich müssten sie „Metalle der Seltenen Erden" heißen. Sie kommen in seltenen Mineralien und in Erzen vor und können in oxidierter Form gewonnen werden. Daher stammt der Begriff „Seltene Erden".
Bolivien stoppt Lithium-Abkommen
Diese verschiedenen Verbindungen, die in einer Lithium-Ionen Batterie stecken, zu isolieren, macht das Recycling aufwendig und teuer. Bisher geht es nur durch Erhitzung. Bis ein kostengünstigeres Verfahren entwickelt ist, muss sich die Industrie also um Rohstofflieferanten kümmern.
Denn es geht nicht allein um Lithium. Unverzichtbar für die modernen Batterien ist auch Kobalt. Es belegt in der „Roten Gruppe" des IW den ersten Platz. Darin listet das Institut solche Rohstoffe auf, deren Beschaffung aufgrund der starken Konzentration der Vorkommen in wenigen Ländern, der Gefahr des strategischen Einsatzes und der fehlenden Substituierbarkeit schwierig werden könnte. Die DERA rechnet damit, dass sich der Bedarf an Kobalt von 110.000 auf über 225.000 Tonnen im Jahren 2015 verdoppeln wird. Ohne das Edelmetall funktionieren die großen Lithium-Akkus nicht, aber es wird auch gebraucht für die Mini-Akkus in Smartphones, Kameras, Rasenmähern oder Laptops. Für einen Smartphone-Akku sind etwa acht Gramm Kobalt nötig, ein einziges Elektroauto dagegen braucht etwa die tausendfache Menge, je nach Akkutechnologie.
Auf den Plätzen zwei und drei der Roten Gruppe folgen Tantal und Gallium, Wolfram, Niob und Rhodium. Niob wird ähnlich wie Tantal und Wolfram in der Stahlindustrie zur Veredelung und Optimierung des Stahls eingesetzt. Rhodium findet in Katalysatoren und Brennstoffzellen Verwendung.
Alle diese seltenen Metalle haben den Nachteil, dass sie häufig in Ländern vorkommen, die politisch instabil sind, wie die Demokratische Republik Kongo. Dazu kommt, dass der Abbau der Metalle nicht nur für die Minenarbeiter, sondern auch für die Umwelt eine starke Belastung darstellt. Das liegt vor allem daran, dass zur Aufbereitung giftige Substanzen eingesetzt werden. Die Metalle, die zum Teil selbst hochgiftig sind, werden mit Säure aus den Bohrlöchern gewaschen. Dabei werden teilweise sogar radioaktive Isotope freigesetzt. Der verschmutzte Schlamm bleibt nach dem Abbau genauso zurück, wie die teilweise freigesetzten Schwermetalle, Arsen oder Fluorverbindungen. Das könnte dem Image der scheinbar so sauberen Alternative Elektroauto schaden. Bei der Gewinnung von Lithium zum Beispiel werden in der chilenischen Atamaca-Wüste große Mengen Salzwasser aus der Erde gepumpt – der Rest verdunstet im Freien und macht den Boden unfruchtbar. Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International üben zunehmend Kritik an den sozialen Missständen vor Ort und fordern mehr Sorgfaltspflicht von den Abnehmern der begehrten Rohstoffe. Fast zwei Drittel des globalen Bedarfs von Kobalt stammt schon heute aus Bergwerken der Demokratischen Republik Kongo. Die Zustände in diesen Bergwerken werden von Umweltorganisationen als menschenverachtend bezeichnet.
Platz eins in der „Roten Gruppe": Kobalt
Aus Sicht der Experten vom Öko-Institut Freiburg ist mit keiner Verknappung der Rohstoffe zu rechnen, da die globalen Reserven ausreichen: Der Bestand an Lithium wird auf 16 Millionen, Kobalt auf 7,1 Millionen und Nickel auf 74 Millionen Tonnen geschätzt. Das erscheint ausreichend, allerdings ist die Konzentration auf wenige Länder ein Risiko. Denn wenn die Versorgung nicht funktioniert, ist es auch aus mit dem ehrgeizigen Ziel, die Elektromobilität entscheidend nach vorne zu bringen.