Auch nach den Parlamentswahlen ist keine Mehrheit in Sicht
Gewonnen – aber der Sieg ist nichts wert. Bei der Parlamentswahl in Spanien hat die sozialistische PSOE unter Ministerpräsident Pedro Sánchez mit 28 Prozent die meisten Stimmen bekommen. Doch das Land steckt erneut in einem lähmenden Patt. Ein linker und ein rechter Block stehen sich unversöhnlich gegenüber. Kein Lager hat die absolute Mehrheit.
Beunruhigend: Die rechtsextreme Vox hat rund 15 Prozent erzielt. Die Partei hatte Stimmung gegen Flüchtlinge und Europa gemacht und im Katalonien-Konflikt eine Politik der eisernen Faust verfolgt: keine Zugeständnisse an die Separatisten. Spaniens Einheit geht über alles.
Das politische Spektrum fasert immer weiter aus. 19 Parteien sitzen nun im Parlament – so viele wie noch nie. Damit steuert das Land auf ein quälendes Polit-Hickhack zu, das vermutlich zu Neuwahlen im nächsten Jahr führt. Es wäre der fünfte Urnengang in fünf Jahren. Spanien – so scheint es – ist unregierbar.
Nach der letzten Parlamentswahl im April haben es die sozialistische PSOE und die linkspopulistische Podemos nicht geschafft, sich auf eine Koalition zu einigen. Zusammen mit den liberalen Ciudadanos und den Regionalparteien wäre eine absolute Mehrheit an Sitzen möglich gewesen. Regierungschef Sánchez machte Podemos ein Angebot nach dem anderen.
Doch deren Vorsitzender Pablo Iglesias schraubte seine Bedingungen immer weiter nach oben. Forderungen wie bedingungsloses Grundeinkommen, Teil-Verstaatlichung von Unternehmen und die Übernahme von Schlüsselministerien wie Wirtschaft und Arbeit waren mit Sánchez nicht zu machen.
Weiterer Streitpunkt: die Katalonien-Frage. Für Sánchez war zwar die Unabhängigkeit der Region tabu. Aber er unterstützte Gespräche über eine Ausweitung der Selbstverwaltung. Iglesias zeigte viel mehr Verständnis für die Katalanen und bezeichnete deren inhaftierte Führer als „politische Gefangene".
Der Podemos-Chef gab sich nach dem deutlichen Stimmenverlust seiner Partei reumütig: „Es ist eine historische Notwendigkeit, eine progressive Regierung zu bilden, die die extreme Rechte stoppt", verkündete er. Ob er den notwendigen Pragmatismus für eine Minderheitsregierung mit der PSOE aufbringt, darf bezweifelt werden.
Doch selbst wenn PSOE und Podemos zueinanderfänden, wären sie auf die Tolerierung durch andere Parteien angewiesen. Der konservative Block – Volkspartei, Vox und Ciudadanos – würde mauern. Und die katalanischen Regionalparteien würden weitgehende Konzessionen auf dem Weg zur Unabhängigkeit verlangen. Sánchez würde sich darauf nicht einlassen.
Kaum ein Thema hat die Spanier zuletzt so aufgewühlt wie der Katalonien-Konflikt. Die harten Urteile gegen die katalanischen Separatistenpolitiker im Oktober und die Bilder von Straßenschlachten in Barcelona haben das Land polarisiert. Profitiert haben die Extremen. Vox und die Volkspartei legten kräftig zu. Sie hatten lautstark die Einheit der Nation betont und jedwede Kompromisse an die Separatisten abgelehnt.
Auf der anderen Seite bekamen die Nationalisten in Katalonien Auftrieb. Die Parteien, die 2017 für die Unabhängigkeit kämpften, schnitten so gut ab wie nie zuvor. Die radikale CUP zieht erstmals ins Parlament in Madrid ein.
Ministerpräsident Sánchez droht in der Katalonien-Frage zerrieben zu werden. Er will den Dialog mit den Katalanen. Das ist dem potenziellen Koalitionspartner Podemos zu wenig, dem konservativen Block hingegen zu viel.
Rein rechnerisch würde eine große Koalition aus der sozialistischen PSOE und der konservativen Volkspartei für eine absolute Mehrheit an Sitzen reichen. Doch der Chef der Volkspartei, Pablo Casado, hat dies bereits ausgeschlossen. Auch eine Tolerierung lehnt er ab.
Ein Elefanten-Bündnis hat in der spanischen Politik keine Tradition. Seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 gab es das noch nie. Jahrzehntelang hatte entweder die PSOE oder die Volkspartei eine absolute Mehrheit. Seit 2015 sind in Spanien jedoch Minderheitsregierungen am Ruder.
Nun steht das Land vor einem Politik-Schlamassel. Dringende Aufgaben wie die Verabschiedung eines Haushalts werden aufgeschoben – also gilt das alte Budget zunächst weiter.
Keine guten Aussichten für Europa. Nach dem Brexit-Gegurke bleibt eine schwache Südflanke: Instabilität in Spanien und eine wackelige Regierung in Italien.