Hypnose gilt als eine der ältesten Heilmethoden der Welt. Wie sie wirkt, wem sie helfen kann und was mit Körper und Geist während einer Trance passiert.
Immer wieder kann man im TV oder auf Veranstaltungen beobachten, wie Menschen unter Hypnose ihren Namen vergessen, Hände nicht mehr von Gegenständen lösen können oder Übungen durchführen, die sie im „normalen Zustand" niemals machen würden. Hypnose fasziniert die Menschen seit jeher. Zuschauer wollen sehen, ob sie wirken kann und wie sie unseren Körper und Geist beeinflusst. Was aber ist Hypnose überhaupt, wie wirkt sie und was geschieht während der Trance?
Durch die starke mediale Präsenz ist vielen Menschen vor allem die sogenannte Show-Hypnose bekannt. Freiwillige werden in eine Art Tiefschlaf versetzt und gehorchen scheinbar willenlos dem Hypnotiseur auf der Bühne. Dabei können allerlei Übungen durchgeführt werden, die mitunter bis zur Lächerlichkeit gehen oder vor allem das Publikum amüsieren und ins Staunen versetzen sollen. Ganz anders verhält es sich wiederum mit der therapeutischen Hypnose. Dabei werden die Patienten zum Mitmachen motiviert. Das Ziel ist immer, ihnen zu helfen und beispielsweise schlechte Gewohnheiten wie das Rauchen aufzugeben, Gewicht zu verlieren oder mit Höhenangst besser umgehen zu können. Ein Hypnosetherapeut geht in der Regel würdevoll mit seinem Patienten um und arbeitet nicht gegen dessen Willen. Stattdessen versucht er, einen sicheren Rahmen für den Patienten zu schaffen.
Die Hypnotisierbarkeit ist von Mensch zu Mensch verschieden
Weil die Show-Hypnose auch schädlich sein kann, ist sie in Ländern wie England, Schweden und Österreich verboten. Auch in Deutschland wird sie immer wieder von therapeutisch tätigen Hypnotiseuren kritisiert. „Hypnose braucht einen ethischen und professionellen Rahmen. Wer sich in Hypnose begibt, investiert viel Vertrauen. Das missbrauchen viele Show-Hypnotiseure, um ihr Publikum zu belustigen", beschreibt es Hansjörg Ebell, der als Mediziner und Psychotherapeut tätig ist und in Hypnose ausbildet. Dieses Bloßstellen auf der Bühne kann bei der Testperson im schlimmsten Fall psychische Schäden hinterlassen. Eine weitere Gefahr der Bühnen-Trance: In diesem Zustand können bestimmte Bilder und Geräusche dazu führen, dass die Erinnerung an ein traumatisches Erlebnis wiederaufkommt und die betroffene Person die Situation vor dem inneren Auge noch einmal durchlebt. Die Betroffenen benötigen dann einen Therapeuten, der sie Schritt für Schritt wieder aus dem Trauma herausführt – dafür haben Bühnen-Hypnotiseure aber keine Ausbildung.
Hypnose ist also – je nachdem wie man sie ausübt – nicht ganz ungefährlich. Aber was genau steckt hinter diesem Phänomen? „Hypnose ist die Kunst, jemanden mithilfe der Vorstellungskraft in eine ‚alternative‘ Wirklichkeit zu führen und dort jene Erfahrungen machen lassen, die zur Bewältigung aktueller Probleme oder Symptome hilfreich sind. Je intensiver diese alternative Wirklichkeit erlebt wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese imaginierten Erfahrungen auch in der konkreten Lebenswirklichkeit umgesetzt werden", erklärt der Psychotherapeut und Mitgründer der Milton-Erickson-Gesellschaft für klinische Hypnose, Burkhard Peter. Nicht alle Menschen können sich auf Hypnose gleich gut einlassen. Man spricht deshalb von hoher, mittlerer oder niedriger hypnotischer Hypnotisierbarkeit. Weil es noch kein unabhängiges Testverfahren gibt, um herauszufinden, wie gut jemand hypnostierbar ist, muss man es ausprobieren.
Wenn jemand gut hypnotisiert werden kann, laufen in seinem Gehirn bestimmte Prozesse ab. Gehirnareale, die für Aufmerksamkeit, bildliche Vorstellung, kritische Bewertung und Selbstwahrnehmung zuständig sind, sind in ihrer Aktivität durch Hypnose so verändert, dass sich der Zustand hypnotischer Trance sowohl vom Schlaf als auch vom Wachbewusstsein deutlich unterscheidet. Was genau dabei passiert, hat die Psychologin Dr. Barbara Schmidt von der Universität Jena zuletzt mit Kollegen untersucht. Um mehr über die Wahrnehmungsveränderungen bei hypnotisierten Menschen zu erfahren, erforschten sie, wie sich das menschliche Sehen mit Suggestionen beeinflussen lässt. Die Probanden sollten dafür blaue Quadrate zählen, die vor ihnen auf einem Bildschirm eingeblendet wurden. Ohne Hypnose zählten die Teilnehmer etwa 90 Prozent der Quadrate korrekt. In Trance sollten die Testpersonen sich vorstellen, dass sie ein Holzbrett vor Augen hätten. Die Folge: Im Schnitt konnten sie etwa 20 Prozent weniger Quadrate korrekt zählen. Die Teilnehmer, die sich vor dem Test als besonders gut hypnotisierbar erwiesen hatten, erkannten gar nur noch die Hälfte. Obwohl sie sich die Sichtbehinderung nur vorgestellt haben, war ihre Wahrnehmung beeinträchtigt. Während der Tests zeichneten die Wissenschaftler die Hirnströme der Probanden auf. „Im EEG konnte man klar sehen, dass der visuelle Reiz ganz normal ankam", berichtet Schmidt. Der Umgang des Gehirns mit dieser Information jedoch hatte sich geändert. „Wir gehen davon aus, dass durch die Trance der Kommunikationsprozess im Gehirn verändert wird", so die Psychologin. Es scheint, als nähmen Menschen die Wirklichkeit unter Hypnose anders wahr.
Auch in einer Studie zum Schmerzempfinden konnten die Jenaer Forscher ähnliche Befunde feststellen. Den Studienteilnehmern wurde in Trance suggeriert, ihre Hand stecke in einem Handschuh voll kühlem Gel. Danach wurden ihnen elektrische Reize zugefügt. Das Ergebnis: Die Probanden nahmen die Reize zwar deutlich wahr, fanden sie aber kaum schmerzhaft. Bei vollem Bewusstsein hingegen hatten sie die gleichen Reize als höchst unangenehm eingestuft. Diese Ergebnisse decken sich auch mit früheren Befunden, wonach sich unter Hypnose offenbar bestimmte Prozesse voneinander entkoppeln. Der Teil des Gehirns, der normalerweise unsere Handlungen bewertet, kontrolliert und steuert, wird in Trance gewissermaßen übergangen.
„Hypnose ist eine Methode, um die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Vorstellung oder einen Gedanken zu fokussieren; gleichzeitig werden äußere und innere Wahrnehmungen wie störende Umweltreize oder Schmerzen ausgeblendet. Eine hypnotisierte Person ist vollkommen absorbiert von inneren Bilder, seien es Erinnerungen, Vorstellungen von körperlichen Heilungsprozessen oder veränderten Verhaltensweisen", erläutert der Professor für klinische Psychologie an der Universität Tübingen und Hypnose-Ausbilder Dirk Revenstorf. In Trance erlebe man einen veränderten Bewusstseinszustand, in dem das Alltagsdenken und die Wahrnehmung der eigenen Person in den Hintergrund träten. Gängige Kriterien und Bewertungen wie „Kann ich das? Soll ich das? Hab ich das schon mal gemacht? Wie geht das aus? Was sagen die anderen?" würden dadurch wegfallen. Der Mensch sei in der Lage, Inhalte neu zu verknüpfen und anders zu bewerten.
Für das Gelingen des Verfahrens muss der Patient aktiv mitarbeiten
Durch das Umgehen bestimmter Mechanismen soll Hypnose bei allerlei Krankheiten und Problemen hilfreich sein. So konnte die Wirksamkeit der Hypnotherapie anhand von mehreren Hundert kontrollierten Untersuchungen mit über 10.000 Patienten bei Ängsten, Traumatisierungen, Verhaltensstörungen wie etwa Rauchen und Essstörungen, traumatischen Belastungsstörungen, in der Psychosomatik beispielsweise beim Reizdarm und in der Medizin zur Förderung von Heilungsprozessen nachgewiesen werden. Hypnose ist auch geeignet, um andere Therapieverfahren wie etwa die Verhaltenstherapie in ihrer Wirkung zu verstärken. Deshalb hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Psychotherapie die Hypnotherapie 2006 als Heilverfahren anerkannt.
Da sich die Menschen während der Trance in einem sehr sensiblen und suggestiblen Zustand befinden, kann es aber auch bei der therapeutischen Anwendung zu Nebenwirkungen kommen. Verwirrung, schwere Träume, Kopfschmerz oder Übelkeit sind einige davon. Sie treten Experten zufolge aber nicht häufiger auf als bei Entspannungsverfahren oder anderen Therapiemethoden. Bei der Show-Hypnose hingegen wurden sie doppelt so häufig beobachtet. In seltenen Fällen können Trance-Zustände verdeckte Depressionen, Manie oder eine Psychose auslösen. Selbst wenn das eigentliche Anliegen ein harmloses wie etwa Gewichtsreduktion oder Raucherentwöhnung ist, können Retraumatisierungen verursacht werden. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn frühere Missbrauchserfahrungen vorliegen, die teilweise bis dahin unbewusst waren. Interessenten wird daher geraten, sich für eine Hypnosebehandlung an einen Psychotherapeuten mit gründlicher klinischer Ausbildung zu wenden.
Für eine gelingende Hypnosetherapie ist die Beziehung zwischen Therapeut und Patient entscheidend. Wenn diese nicht stimme, seien Menschen auch schwer bis gar nicht zu hypnotisieren. Etwa zehn Prozent könne man nicht in Trance versetzen. Zehn bis 20 Prozent dagegen sind sehr leicht zu hypnotisieren. „Gegen den eigenen Willen funktioniert das jedoch bei niemandem", sagt Dr. Barbara Schmidt. Zudem sei die Hypnose keine rein passive Therapie. Der Patient muss für das Gelingen des Verfahrens aktiv mitarbeiten und seine Fantasie trainieren. Bilder oder Lösungsvorstellungen müssen so lange eingeübt und durchgespielt werden, bis der Patient sie im Alltag eigenständig anwenden kann. Wer nur eine schnelle Zauberpille erwartet, der wird möglicherweise enttäuscht.