Medizin-Autor und Kardiologe Felix Schröder aus Hamburg wuchs in einer Ärztefamilie auf und spezialisierte sich schnell auf das Herz. Im Interview spricht er über die Ursachen von Herzrasen und Behandlungsmöglichkeiten.
Herr Schröder, wie kamen Sie dazu, sich intensiv mit dem Herzen zu beschäftigen?
Es ist einfach ein spannendes Organ! Von Anfang an fand ich im Medizinstudium die Kapitel über das Herz am interessantesten. Letztlich überzeugt haben mich jedoch die Möglichkeiten, gravierende Herzerkrankungen mittels sehr schonender Verfahren behandeln zu können. Heutzutage werden Herzklappen ersetzt oder repariert nur über einen Zugang zu den Blutgefäßen in der Leiste. In der Regel können Patienten bereits am Tag nach dem Eingriff aufstehen und merken bereits, dass es ihnen umgehend besser geht. So etwas zu beobachten und zu begleiten ist doch einfach großartig!
Welche Ursachen kann Herzrasen haben?
In aller Regel sind bestimmte Herzrhythmusstörungen dafür verantwortlich. Diese treten wie ja die allermeisten Krankheiten mit zunehmendem Alter – vereinfacht gesagt als Verschleißerscheinung – auf. Eine bestimmte Form des Herzrasens betrifft allerdings besonders oft junge Frauen, hier liegt eine in der Embryonalzeit stattfindende, ja sagen wir mal Fehlverschaltung der Herzstromleitungen zugrunde. Jedoch kann auch durch Aufregung und Stress das Herz im normalen Rhythmus, dem Sinusrhythmus, derart beschleunigt werden, dass dies als unangenehm empfunden wird.
Stecken denn in erster Linie Stress, Aufregung und Ängste dahinter oder kann es auch auf ernsthafte organische Herzerkrankungen hinweisen?
Hier ist beides möglich. Es gibt Patienten, die über eine übermäßige seelische Belastung – diese kann jeglicher Natur sein, beruflich oder privat – einen Bluthochdruck entwickeln, welcher dann die Gesundheit gefährdet und zu den genannten Verschleißerscheinungen führt. Ein ganz wesentlicher Faktor bei der Entstehung von Herzerkrankungen sind jedoch auch die Gene. Und seine Eltern und Vorfahren kann man sich bekanntlich nicht aussuchen, das geht dann leider auch ohne Stress und seelische Belastungen.
Auch bei Patienten mit psychiatrischem Erkrankungsbild, beispielsweise Panikattacken, kann der innere Stress zu Herzrasen führen. Hier ist es natürlich wichtig genau zu schauen, ob nicht doch eine Rhythmusstörung vorliegt. Es passiert leider auch nicht allzu selten, dass genannte junge Frauen, die unter der beschriebenen Fehlverschaltung der körpereigenen Herzverkabelung leiden, mit dem Verdacht auf eine Panikstörung in der Psychiatrie landen. Dabei lässt sich die Grunderkrankung – also die Ursache für das Herzrasen, welches selbstverständlich mit Panik einhergeht – heutzutage wunderbar behandeln: ebenfalls mit einer Technik, wo nur ein Zugang zum Herzen über die Leistengefäße gewählt werden muss, bereits am nächsten Tag geht es dann nach dieser sogenannten Ablationsbehandlung der Herzrhythmusstörung aus dem Krankenhaus wieder nach Hause.
Macht es bei Herzerkrankungen überhaupt einen Unterschied, ob sie durch körperliche oder psychische Probleme hervorgerufen werden – sind zum Beispiel stressbedingte Herzprobleme weniger gravierend und besser in den Griff zu bekommen?
Eigentlich nicht. Wenn eine Herzerkrankung diagnostiziert wurde, gehört diese nach den Regeln der kardiologischen Heilkunst behandelt. Selbstverständlich macht es jedoch Sinn, wenn Stress die wahrscheinlichste Ursache ist, die entsprechenden Belastungen zu reduzieren. Hier müssen die Kardiologen auch deutlich an ihrem Therapieplan arbeiten, der Bereich der Psychokardiologie kommt deutlich zu kurz. Die Ängste herzkranker Menschen werden in unserem zahlen- und faktenbasierten und vor allem unfassbar beschleunigten Arbeitsalltag nicht ausreichend thematisiert. Oft führt dann allein die Angst der Patienten und Patientinnen vor weiteren Herzproblemen zu erneuten, letztlich so nicht notwendigen Krankenhausaufnahmen.
Was genau passiert bei Herzrasen im Körper?
Das Herz verbringt – umso schneller es schlägt – immer mehr Zeit in der Anspannungs- oder Kontraktionsphase (Systole). Es bleibt also immer weniger Zeit für die Entspannungs- oder Füllungsphase (Diastole). Bleibt das Herz also nur unzureichend gefüllt, sinkt das Schlagvolumen, unterm Strich pumpt das Herz dann also deutlich weniger Blut, als es sollte. Die Folge ist, dass die Belastbarkeit abnimmt. Eine Wiederherstellung des normalen Pulsschlags sollte das Ziel sein.
Ein „Herzrasen" wie es beispielsweise beim Sport auftritt führt dagegen zu einer Steigerung des Schlagvolumens, allerdings werden hier auch glücklicherweise nicht so hohe Pulse erzielt, wie das bei Herzrhythmusstörungen der Fall sein kann. Diese können sogar so schnelle Pulse verursachen, dass der oder die Betroffene direkt ohnmächtig wird, da nur noch so wenig Blut gepumpt werden kann, dass auch das Gehirn nicht mehr durchblutet wird.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Zunächst gibt es viele verschiedene Medikamente, die sogenannten Antiarrhythmika. Auch sind vereinfacht gesagt Stromschläge, wie man sie aus dem Fernsehen vielleicht kennt, eine mögliche Behandlungsweise, um den normalen Herzrhythmus wieder herzustellen (sogenannte elektrische Kardioversion). Diese werden unter Narkose von außen durch die aufgelegten Elektroden eines Defibrillators durch das Herz geleitet und führen zur Wiederherstellung des Sinusrhythmus.
Eben habe ich bereits beschrieben, dass eine Ablation von Herzrhythmusstörungen über eine kathetergestützte Technik möglich ist. Inzwischen weiß man, dass bestimmte Herzrhythmusstörungen von bestimmten Zellen am Herzen, die elektrisch aus der Reihe tanzen, verursacht werden. Diese Zellen werden über den eingeführten Schlauch (Katheter) aufgesucht und durch Verödung mittels Strom oder auch Kälte unschädlich gemacht. Letztlich werden sie durch die entstehende Narbe durch die Verödung elektrisch isoliert und sind somit unschädlich gemacht worden; der elektrische Unsinn kann durch die Isolation nicht mehr auf unseren Herzmuskel übergreifen.
Was kann man selbst dagegen tun? Und wie kann man seinen Herzschlag beruhigen?
Das ist schwer zu sagen, oft kann man leider nicht viel dazu beitragen, ob eine Rhythmusstörung auftritt oder nicht. Es hängt viel vom Zufall ab. Wir erleben auch Patienten, die sich durchgehend gesund verhalten und trotzdem Rhythmusstörungen bekommen. Sind diese also die Ursache des Herzrasens wird man wohl um den Arztbesuch nicht herumkommen. Ist es eine stressbedingte Steigerung des Herzschlags? Nun ja, dann gilt es wieder den Stress zu reduzieren, dadurch sollte sich dann auch das Herz beruhigen.
Geht häufiges Herzrasen denn auch mit einem erhöhten Blutdruck einher?
Das Herzrasen ist ja ein erhöhter Pulsschlag. Beim Blutdruck hängt es wieder sehr von der Entstehung des schnellen Pulses ab. Beim trainierenden Sportler führt die natürliche Erhöhung des Pulses zu einem vermehrten Blutfluss mit Anstieg des Blutdrucks. Schlägt das Herz beispielsweise durch ein Vorhofflimmern zu schnell, führt das zu einem – teils auch sehr bedrohlichen – Blutdruckabfall.
Wer ist besonders betroffen?
Der größte Feind der Gesundheit ist das Alter!
Ab wann wird es gefährlich?
Es gibt sehr viele Möglichkeiten wie Herzrasen, also eine Beschleunigung des Pulses (Tachykardie), bedrohlich werden kann. Zum einen über die Abnahme des Blutdrucks und somit drohende Ohnmacht. Wenn das Herz sich nicht mehr ausreichend mit Blut füllen kann, weil, wie beschrieben, diese Füllungsphase zu kurz wird bei einer bedrohlichen Pulsbeschleunigung, wird das Blut aus der Lunge nicht weiterbefördert. Es droht ein Rückstau des Blutes, welcher schwere Luftnot verursachen kann. Bei einer wirklich rein panik- oder stressbedingten Pulsbeschleunigung (im Sinusrhythmus) habe ich derartige Komplikationen zum Glück noch nicht miterleben müssen. Ich glaube da gibt es dann doch keine ausreichende Beschleunigung als dass es so weit kommen würde.
Es gibt auch das Broken Heart Syndrom. Was verbirgt sich dahinter und wie kann man es behandeln?
Es ist eine stressbedingte Schwächung des Herzmuskels. Oft gehen hier einschneidende Erlebnisse und Schicksalsschläge voraus, wie zum Beispiel der Tod des Lebenspartners. Das führt zu einem deutlichen Anstieg der Stresshormonpegel im Blut, welcher dann letztlich über noch nicht ganz verstandene Mechanismen zu der Schwächung des Herzmuskels führt. Auffällig ist auch, dass hauptsächlich Frauen betroffen sind, auch hierfür fehlt letztlich noch eine Erklärung. Oft geht die Erkrankung mit den Beschwerden einher, die einem Herzinfarkt zugeordnet werden, also starke Schmerzen und Druckgefühl im Brustkorb. Somit landen Betroffene in der Notaufnahme, wo sie mit dieser Erkrankung auch hingehören. Das Broken Heart Syndrom sollte wirklich im Krankenhaus abgeklärt und beobachtet werden. Erfreulicherweise kommt es in nahezu allen Fällen zu einer Rückbildung der Herzschwäche. Hier kann dann natürlich auch zur Vermeidung eines erneuten Auftretens eine psychologische Begleitung der Betroffenen sinnvoll sein.
Welche Rolle spielt denn die Psyche generell bei Herzerkrankungen?
Ich glaube eine sehr große. Letztlich ist es schwer, den Einfluss der Psyche wirklich zu messen, was wiederum wissenschaftlich fundierte Aussagen erschwert. Um Wissenschaft betreiben zu können brauchen wir Zahlen. Da der Einfluss der Psyche auch höchst subjektiv wahrgenommen wird, kann man ihn nur aus Befragungen der betroffenen Herzpatienten erheben. Vermutlich würden viele sagen, dass psychische Faktoren eine Rolle spielen, aber wie soll man das dann genau quantifizieren? Es ist nicht einfach. Aber wenn Sie nach meinem Bauchgefühl fragen, kann ich ganz sicher sagen, dass der Einfluss groß ist. Andererseits gibt es immer noch die Gene oder einen schlechten Lebenswandel – vereinfacht gesagt: rauchen, saufen, fressen –, die viele Erkrankungen bedingen.
Worauf sollte man verzichten, wenn man unter Herzrasen leidet? Sollte man zum Beispiel auch Koffein meiden?
Verzicht ist oft nicht der richtige Ansatz. Wenn die Grundursache gefunden und behandelt wird, darf man sicher auch wieder Kaffee trinken. Dieser ist übrigens bezüglich der Herzgesundheit rehabilitiert. Entgegen früherer Vermutungen wirkt sich ein Kaffeekonsum von drei bis fünf Tassen am Tag positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus. Im Rahmen eines gerade bestehenden Herzrasens scheint der Verzicht sicher sinnvoll zu sein, Koffein führt zu einer Steigerung des Pulses. Allerdings sollte das Ziel immer sein, die Ursache des hohen Pulses zu finden. Wenn sich bei den Herzuntersuchungen eine Rhythmusstörung findet, sollte diese ärztlich behandelt und eingestellt werden. Finden sich keine Rhythmusstörungen, sondern psychologische Ursachen wie Panikattacken kann auch hier ein entsprechendes Hilfsangebot, beispielsweise eine Verhaltens- oder auch Konfrontationstherapie, unterbreitet werden. Grundsätzlich gilt, dass man die Beschwerden ernst nimmt, sie untersuchen lässt und dann je nach Ergebnis zu den jeweiligen Fachleuten gelangt. Das kann dann der Kardiologe, der Psychologe oder vielleicht bei Ausbleiben einer medizinischen Diagnose auch einfach der Wellness-Bereich sein.