Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen über den Einfluss der USA und fehlende Konzepte der deutschen Politik.
Frau Dagdelen, ist eine deutsche Eigenständigkeit in der Außenpolitik innerhalb der EU überhaupt noch möglich?
Das Problem ist wohl eher, dass wir mit einer Außenpolitik konfrontiert sind, die nur noch im Schlepptau der USA stattfindet. Allein der Umstand, dass sich Deutschland an der Seite der USA in einem Wirtschaftskrieg mit Russland befindet, der vor allem Arbeitsplätze hierzulande kostet, beweist das ja. Dabei wird völlig ignoriert, dass Russland Teil Europas ist. Russland muss wieder Teil der europäischen Politik sein. Eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung spricht sich für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland aus und sieht eher in US-Präsident Donald Trump eine Gefahr für den internationalen Frieden als im russischen Staatschef Wladimir Putin. Eine Fortführung der Konfrontationspolitik gegenüber Russland kann nicht im Interesse der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland sein.
Welche eigenständigen Ziele wären das?
Die Menschen in Deutschland lehnen mehrheitlich eine deutsche Beteiligung an Kriegseinsätzen ab. Das Gros der Bevölkerung will eine Entspannungspolitik gegenüber den Nachbarn. Es muss darum gehen, ein europäisches Haus zu bauen, statt Milliarden für das Militär und die weitere Aufrüstung zu verpulvern. Das wäre ein vernünftiges Ziel für die deutsche Außenpolitik. Leider hat diese Bundesregierung keinerlei Interesse daran. Sie hält stur fest an den Donald Trump versprochenen Aufrüstungsvorhaben von bis zu 85 Milliarden Euro jährlich. Das ist Irrsinn.
Welchen Einfluss haben Sie im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages auf die Belange Deutschlands?
Die Linke legt den Finger in die Wunde. Wir prangern die unfriedliche Politik der Bundesregierung mit Wirtschaftskriegen, Rekorden bei Rüstungsexporten und Auslandseinsätzen der Bundeswehr an. Wie jetzt in der Frage eines umfassenden Rüstungsexportverbots, gelingt es uns durch unsere Arbeit, Druck zu machen, sodass die Bundesregierung mit ihren Nebelkerzen nicht durchkommt. Ohne die Linke würde es wohl keinen Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien oder auch keinen teilweisen Genehmigungsstopp für die Türkei geben. Vom Auswärtigen Amt sollte man eigentlich, wenn man wie wir auf friedliche und dipÂlomatische Konfliktlösungen setzt, Unterstützung erwarten. Allerdings muss man feststellen, dass im Außenministerium noch nie so wenig sozialdemokratische Politik gemacht wurde wie in den vergangenen zwei Jahren, was auch mit der Personalentscheidung an der Spitze des Außenministeriums zu tun hat. Heiko Maas ist eine Fehlbesetzung für eine friedliche Außenpolitik. Bedauerlich, dass ein Willy Brandt mit seiner Politik der Diplomatie und des ÂDialogs kein Vorbild für Heiko Maas ist.
Wie sehen Sie die Initiative der Verteidigungsministerin für eine UN-Friedensmission im Norden Syriens?
Wir haben im Verteidigungsausschuss mit Annegret Kramp-Karrenbauer mehrere Stunden zusammengesessen. Dabei ist mehr als deutlich geworden, dass hinter der ganzen Idee der „Sicherheitszone" kein wirklicher Plan steckt. Das ist eine reine Luftnummer, die auch innerhalb der Bundesregierung mit niemandem weiter abgesprochen worden ist. Allerdings bedeuten die Pläne eine zusätzliche Eskalation im Syrien-Konflikt, da man an der Seite Erdogans dort angeblich für Sicherheit sorgen will. Das ist wirklich gespenstisch. Wir brauchen eine völkerrechtskonforme Lösung für den Konflikt in Syrien. Dazu gehören, die Regime-Change-Politik gegenüber Syrien aufzugeben und der komplette Abzug sowohl der türkischen Armee mit ihren islamistischen Söldnern als auch der anderen ausländischen Truppen. Wer den Menschen in Syrien wirklich helfen will, der muss sich für die Aufhebung der schlimmen Wirtschaftssanktionen einsetzen, die massiv den Wiederaufbau blockieren.