In Deutschland lebende Perser kritisieren die Außenpolitik gegenüber dem Iran. Man müsse sich entscheiden: Demokratie im Iran oder gute Geschäfte mit dem Mullah-Regime.
Die Szenerie ist beeindruckend. Eine riesige Bühne steht auf der Westseite vor dem Brandenburger Tor. Zwei große Kamera-Kraken rechts und links schwenken darüber und produzieren Livebilder, die umgehend via Satellit und SNG in die Welt gesendet werden. Das zahlreich erschienene Publikum säumt den Platz und die Straße des 17. Juni. Es ist kein „Wetten-Dass-Revival", das da im Herzen der Hauptstadt stattfindet – der Nationale Widerstandsrat des Iran (NWRI) macht seine traditionelle Kundgebung für einen freien Iran. Fast 20.000 Menschen hat der NWRI aus ganz Deutschland mit 300 Bussen nach Berlin karren lassen. Neben dem Widerstandsrat wird die Veranstaltung auch vom Deutschen Solidaritätskomitee für einen freien Iran (DSFI) mitorganisiert. Die Vorsitzende dürfte politisch Interessierten noch gut in Erinnerung sein: Rita Süssmuth (CDU). Die ehemalige Bundestagspräsidentin und ehemalige Familienministerin ist bekennende Christin, die sich weltweit für Menschenrechte einsetzt. Weitere Prominente im Sinne des Widerstandsrates des Iran ist die ehemalige kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, die jahrelang Gefangene der linksgerichteten FARC-Rebellen war. Auch Betancourt macht politisch Front gegen das „Mullah-Regime in Teheran". Doch damit noch nicht genug der weltweiten Polit-Prominenz im „Kampf für Demokratie im Iran". Besonders stolz ist man beim Widerstandsrat auf die Unterstützung des demokratischen ehemaligen US-Kongressabgeordneten Patrick Joseph Kennedy. Der Neffe des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy setzt sich seit Jahren „für Demokratie und gegen die Diktatur der Mullahs ein". Allerdings ist sein Weg hin zum Widerstandsrat beinahe schon bezeichnend für den politischen Hintergrund der Organisation. Er soll durch seine Tätigkeit im Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses mit der NWRI-Präsidentin, Maryam Rajavi, in Kontakt gekommen sein. Dies berichten zumindest übereinstimmend Kritiker des Widerstandsrates – und davon gibt es unter den Deutsch-Iranern nicht wenige.
Manche Interessenlagen schwer durchschaubar
Erinnert wird da immer wieder an eine Kampagne von 2006, die ebenfalls in Berlin startete. Damals wollte der NWRI beweisen, dass auch der Iran über Giftgas und nukleartaugliche Mittelstreckenraketen verfügt. Als Beleg wurden Schwarz-Weiß-Satellitenfotos aus den USA vorgelegt, die offenbar von der CIA oder der NSA nach Berlin geschickt worden waren. Drei entsprechende Herren aus Washington wohnten der Präsentation gleich mit bei. Doch auf den Fotos war nicht viel mehr zu erkennen als auf denen einige Jahre zuvor, die den Giftgas-Beweis im Irak vor den Vereinten Nationen in New York untermauern sollten. Dementsprechend versandete die Kampagne von US-Geheimdienst und Nationalem Widerstandsrat des Irans damals in Berlin. Auch der Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Martin Lessenthin, erinnert sich noch gut daran. Für ihn steht fest: „Der Widerstandsrat wird finanziell und logistisch von der US-Administration unterstützt. Ich kann nicht belegen, ob das Geheimdienstkreise sind. Aber die Vermutung liegt nahe, dass die da auch aushelfen", sagt der 62-jährige Menschenrechtsaktivist. Für andere Kritiker ist dies Fakt. „Der Widerstandrat will mit amerikanischer Hilfe wieder ein Regime etablieren wie unter Schah Mohammad Reza Pahlavi. Da soll die Mullah-Diktatur durch die Diktatur des Dollars mit einem Schah an der Spitze abgelöst werden, wie es bis 1979 war", sagt ein deutscher Iran-Aktivist, der seinen Namen nicht genannt haben möchte.
Kritik an den weiter laufenden Kontakten
IGFM-Sprecher Lessenthin hält sich da sehr zurück, denn die IGFM ist ein sehr christlich-konservativer Kreis aus Frankfurt am Main, der eigentlich den US-Amerikanern nahesteht. Doch unterstützt die IGFM die Deutsch-Iranische Organisation OIPM, die für die Rückkehr einer Parlamentarischen Monarchie im Iran kämpft. Dabei sind sich alle iranischen Oppositionsgruppen, die von Deutschland aus arbeiten, in ihrer Kritik an den deutschen Regierungen und ihrer Politik gegenüber der islamischen Republik Iran einig; egal ob unter Rot-Grün, Schwarz-Gelb oder in der großen Koalition. „Immer wieder ist man dem Mullah-Regime entgegengekommen, um so die Wirtschaftskontakte nicht abreißen zu lassen", sagt Menschenrechtler Lessenthin. Noch im vergangenen Jahr lag der deutsche Export in den Iran bei weit über 1,4 Milliarden Euro. Durch die erneuten US-Sanktionen hat sich der Export im ersten halben Jahr 2019 fast halbiert, auf 678 Millionen Euro, meldet die Agentur Reuters.
Doch das unterstreicht genau die Kritik der iranischen Oppositionellen hier in Deutschland: Es sind amerikanische Sanktionen und keine, die die Bundesregierung verhängt hat. Im Gegenteil: Die Bundesregierung gebe sich aus Sicht der Iraner in Deutschland alle Mühe, die Kontakte mit Teheran am Laufen zu halten. So konnte Ende September in Berlin ein europäisch-iranisches Handelsforum stattfinden, das nicht nur für erhebliche Verstimmung bei der iranischen Opposition sorgte. Auch US-Botschafter Richard Grenell ließ bei der Bundesregierung nachfragen, auf welcher politischen Grundlage dieses Forum stattfinden würde. Auf die Antwort wartet Grenell noch heute.