Der Saarbrücker Arzt für Innere Medizin und Palliativmedizin, Dr. Dietrich Wördehoff glaubt, dass viele Patienten sich gegen Sterbehilfe entscheiden würden, wenn sie mehr Beistand und Zuwendung hätten.
Ich unterscheide zwischen unterschiedlichen Formen der Sterbehilfe. Zunächst will ich die Tötung auf Verlangen nennen, die man früher aktive Sterbehilfe genannt hat. In Deutschland ist sie nicht erlaubt. Dann gibt es den ärztlich assistierten Suizid oder die Beihilfe bei der Selbsttötung – sie ist in Deutschland nicht strafbar, es spricht aber vieles dagegen. Ich denke, dass Beihilfe zum Suizid nur in seltenen Fällen ohne Alternative ist. Die dritte Form der Sterbehilfe ist, das Sterben zuzulassen. Früher hat man das passive Sterbehilfe genannt. Bei dieser Form der Sterbehilfe, dem Zulassen des Sterbens, lässt man dem Leben seinen natürlichen Lauf bei Menschen, die sehr alt geworden sind oder eine fortgeschrittene, lebensbegrenzende Erkrankung haben. Ich sehe ein Problem darin, dass heute in vieler Hinsicht medizinisch zu viel gemacht wird. Patienten werden allen möglichen Therapie- und Intensivmaßnahmen unterzogen, obwohl sie das oft gar nicht mehr wollen. Die Einstellung: Es ist genug mit dem Leben, ich kann, darf und will in guter Begleitung mein Leben zu Ende gehen lassen, ist wenig verbreitet. Dabei wäre das eine Möglichkeit, die viel stärker im Bewusstsein der Menschen verankert sein und von Ärzten genutzt werden könnte. Man muss nicht immer alle verfügbaren Behandlungsoptionen bis zuletzt versuchen, sondern sollte mehr die Wünsche des Patienten erfragen und auf seine Bedürfnisse eingehen. Ärzte und auch Angehörige müssen akzeptieren, dass Leben zu Ende geht und einer guten Begleitung bedarf.
Es gibt bei fortgeschrittener Erkrankung zweifellos viele Menschen, die einen Sterbewunsch äußern. Das ist aber häufig eher ein Ruf nach Hilfe. Das kann ich aus meiner Erfahrung in über 30 Jahren Begleitung von Menschen am Ende ihres Lebens sagen. Die Menschen wollen so nicht weiterleben. Dafür gibt es durchaus vielfältige Gründe. Es gibt nicht selten Patienten, die unter depressiven Veränderungen leiden und deshalb nicht mehr leben wollen. Dann gibt es immer noch viele, die Beschwerden, Schmerzen oder Atemnot haben und nicht ausreichend behandelt werden. Es existieren außerdem zunehmend Menschen, die allein leben oder glauben, sie seien nur eine Belastung für andere.
„Ich bin gegen die aktive Sterbehilfe"
Angst vor dem Sterben, Hoffnungslosigkeit, Fehlen von Sinn – das sind oft Gründe, wegen derer Menschen sich einen Suizid wünschen. Meine Erfahrung und die vieler anderer ist, dass sich der Wunsch, vorzeitig zu sterben, meistens verflüchtigt, wenn man auf diese Menschen zugeht, ihnen zuhört, ihre Sorgen und Nöte anhört. Oft sind Menschen in solchen Situationen auch ambivalent. Das heißt: An einem Tag wollen sie am liebsten sterben, am anderen ist ihr Lebenswille wieder da. Jeder Wunsch nach einem vorzeitigen Tod ist ernst zu nehmen. Meist ist es jedoch ein Aufruf, dass wir uns um diesen Menschen mehr kümmern, uns Zeit nehmen sollten, mit ihnen zu sprechen. Mit palliativer Versorgung haben wir heute viele Möglichkeiten, Schmerzen, Ängste oder andere Beschwerden zu lindern. Im Saarland gibt es flächendeckend ambulante und stationäre Hospizeinrichtungen. Dort begleiten Menschen andere, hören ihre Sorgen an und helfen ihnen, wo sie können. Wenn es ganz schwierig wird, gibt es die Möglichkeit, jemanden vorübergehend in den Schlaf zu legen – palliative Sedierung nennen wir das. Wenn der Patient sich etwas beruhigt hat, kann er wieder wach werden und sieht das Leben vielleicht ganz anders. Darüber hinaus gibt es derzeit viel Diskussion um das sogenannte Sterbefasten: Ich esse und trinke also nicht mehr und das Leben geht in gewisser Zeit zu Ende. Es gibt viele Möglichkeiten, das Lebensende zu gestalten, das heißt für mich in Würde zu sterben. Mit solch bewusster Gestaltung des Lebensendes kann man am besten die Selbstbestimmung wahren. Insgesamt bin ich deshalb der Meinung: Wenn fachliche Kompetenz da ist und man sich um die sozialen, psychischen und spirituellen Nöte der Menschen kümmert, muss der assistierte Suizid nur in Ausnahmefällen erwogen werden. Es ist zu wenig bekannt, dass wir heute palliativ die Menschen auch frühzeitig gut versorgen können. Ich bin gegen die aktive Sterbehilfe. Ich denke, eine sinnvolle Form der Sterbehilfe ist es, Sterben zuzulassen. Das ist eine Form der Sterbehilfe, die ich mehr ins allgemeine Bewusstsein rücken möchte. Die Ärzte sollten sich stärker Grenzen setzen in ihrem Handeln und den Willen sowie die Bedürfnisse der Patienten eruieren. Wer genug vom Leben hat, soll auch sterben dürfen. Dafür ist aber nicht eine aktive Tötung oder die Beihilfe nötig, sondern das Zulassen, dass ein Mensch im hohen Alter oder bei fortgeschrittener Erkrankung gehen darf. Jemanden um die Ecke zu bringen oder dabei zu helfen – das ist kein Sterben in Würde! In Würde sterben heißt: begleiten, Ängste nehmen, Leiden lindern. Das ist eine sinnvolle und gute Form der Sterbehilfe. Deshalb möchte ich zum Schluss einen schönen Satz zitieren: „Es geht nicht darum, den Leidenden zu beseitigen, sondern das Leiden zu lindern."