Grüne und Gewerkschaften – ein schwieriges Verhältnis. Klimaschutz und Arbeitsplätze stehen oft im Widerspruch. Ganze Industrien stehen vor einer Rosskur. Und der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Grünen ist noch ausbaufähig.
Seit beinahe 30 Jahren gibt es Bündnis 90/Die Grünen, doch der dritte Gewerkschaftstag wurde erst Ende November dieses Jahres abgehalten. Da könnte man meinen, dass die Grünen sich eben nur alle zehn Jahre mit ihren Arbeitnehmervertretern zusammensetzen, um deren Belange zu besprechen. Weit gefehlt. Die Belange der Arbeitnehmer haben die Bündnis-Grünen offenbar gerade erst entdeckt, also genau genommen vor drei Jahren. Der Kreis eines bundesweiten Gewerkschaftstreffens der Grünen ist derzeit noch überschaubar und passt ohne Weiteres in den Saal 200 des Paul-Löbe-Hauses des Deutschen Bundestages. Dort finden unter anderem auch die Ausschusssitzungen des Parlaments statt. 180 Personen finden hier bequem Platz. Dieser Raum ist beim Grünen-Gewerkschaftskongress zwar zu drei Vierteln gefüllt, allerdings hat ein Großteil der anwesenden Betriebsräte und Gewerkschafter kein grünes Parteibuch. Es sind vor allem Sozialdemokraten, die sich hier ein Stelldichein geben, gepaart mit den Genossen der Linken. Die grüne Gewerkschaftsarbeit steht offensichtlich noch ganz am Anfang, denn auch auf dem Parteitag Mitte November in Bielefeld war davon nichts zuhören. Gibt es also überhaupt eine grüne Gewerkschaftsarbeit?
Stelldichein der Sozialdemokraten
Die diesbezügliche Analyse des Co-Fraktionschefs der Grünen, Anton Hofreiter, gegenüber FORUM ist da recht aufschlussreich: „Grüne Gewerkschaftsarbeit zeichnet sich zum einen durch einen sehr inklusiven Ansatz aus, auf der anderen Seite durch einen emanzipatorischen und des Weiteren durch einen Ansatz, der versucht, durch die sozialökologische Transformation möglichst alle Menschen mitzunehmen." Das mit der Inklusion von Menschen mit Benachteiligungen in der Arbeitswelt ist gerade noch verständlich, der Rest erschließt sich allerdings nicht so richtig. Doch gerade auch Gewerkschafter und Betriebsräte der Grünen brauchen bei ihrer Arbeit in den Betrieben eine klare Sprachregelung. Die Sprecherin für „ArbeitnehmerInnenrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik" der Grünen-Bundestagsfraktion, Beate Müller-Gemmeke, erläutert im FORUM-Gespräch, was ihr Fraktionschef in Zeiten der Energiewende und möglicherweise wegfallenden Arbeitsplätzen vorhat. „Dabei geht es um die Einführung eines Qualifizierungs-kurzarbeitergeldes. Damit Menschen in Betrieben der ökologischen Transformation gar nicht erst arbeitslos werden. Die werden dann über das Qualifizierungs-kurzarbeitergeld gehalten und bekommen eine Weiterbildung. Oder sogar eine zweite Berufsausbildung."
Die Linie der Grünen scheint damit umrissen: Energiewende, Klimaumbau und Arbeitsmarkt gehen prima zusammen, der Staat muss halt nur entsprechende Förderprogramme für die betroffenen Arbeitnehmer auflegen. Das kostet zwar viel Geld, „aber jetzt nichts zu tun, kostet nachher noch mehr Geld", ist das gängige Gegenargument, dass sich fest etabliert hat.
Arbeitsplatz wichtiger als Klima
Doch als Grünen-Gewerkschafter hat man es in seinem Betrieb mit dieser Argumentation dann doch nicht ganz so einfach, weiß Andree Hemmes zu berichten: Da sei der eigene Arbeitsplatz dann schon ein bisschen wichtiger als irgendwelche Klimaziele. Der Braunschweiger sieht als Ansatz das Betriebsverfassungsgesetz, das geändert werden müsse. Der Verdi-Mann meint: „Das ist der große Strickfehler, dass die Beschäftigten bei unternehmerischen Entscheidungen nicht mitreden dürfen. Wäre dies so, könnten Betriebe ohne Weiteres auf klimaneutrale Produktionen umsteigen, ohne dass im Gegenzug gleich Arbeitsplätze geopfert werden." Doch diese Art der Mitbestimmung ist nicht im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen, und ob ein Grünen-Bundesparteitag bei einem entsprechenden Antrag da mitspielen würde, ist mehr als fraglich. Bei den Linken wäre das wohl eher der Fall, aber nicht bei Bündnis90/Die Grünen. Denn in ihren Delegiertenreihen sitzt eine nicht unerhebliche Zahl von Unternehmern, die in ihren Betrieben auch weiterhin ganz gern allein entscheiden möchten, was sie zukünftig unternehmen. Aber auch der grüne Betriebsrat Andree Hemmes sieht bei der Aussöhnung von Klimaschutz und Arbeitsplatzsicherung den Staat in der Pflicht.
Ein schönes Beispiel für ihn ist die 40-Milliarden-Euro-Kohlehilfe für die Lausitzer und die Rheinischen Braunkohlegebiete, „das Geld scheint ja da zu sein, und dann sollten wir es auch für andere betroffene Bereiche einsetzen". Ob es damit wirklich gelingt, dauerhaft neue und gute Arbeitsplätze zu schaffen, das ist dann doch mehr als fraglich.