Radiomuseen sind oft nur für passionierte Sammler interessant. Das Rundfunkmuseum von Michael Heller macht es anders und ist auch für technische Laien einen Besuch wert.
Manch ehemaliger Radiohändler im Ruhestand kam schon auf die Idee, seine einstigen Verkaufsräume in ein Museum umzuwandeln und mit alten Geräten vollzustellen. Die historische Atmosphäre stimmt: Die alte Werkstatt schaut aus wie aus den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts – weil sie es ist. Und die ehemaligen Kunden kommen auch gerne vorbei. Leider dann aber oft eben nur diese. Andere Besucher fehlen, denn dem Nichtfachmann bleibt das Sammelsurium alter Technik unverständlich. Und die vom Boden bis unter die Decke vollgestopften Regale wecken eher das schlechte Gewissen: Der eigene Keller müsste mal dringend entrümpelt werden…
Dabei geht es besser. So konnte das Deutsche Museum und insbesondere die Abteilung „Telekommunikation“ einst begeistern: Technik zum Anfassen und zum „Knöpfchen drücken“ – beim Fernseher konnten beispielsweise Zeilenzahl und Bildwiederholfrequenz von den Werten der Gründerzeit bis zum PAL-Standard verstellt und die Auswirkungen auf das Bild direkt beobachtet werden. Leider sind die dazu gefertigten Unikate jedoch seit Jahren nicht mehr einsatzbereit. Wie in anderen Museen wartet dort nun nach diversen Umbauten eher stumme Technik hinter Absperrungen auf Besucher.
Das einzige wirklich etwas lebendigere Rundfunkmuseum war das in Fürth, wo Räume mit Geräten einer bestimmten Epoche oder zu einem bestimmten Thema bestückt wurden und einige davon live vorgeführt werden können. Allerdings kämpft das Fürther Rundfunkmuseum leider seit einigen Jahren mit administrativen Schwierigkeiten.
Vor einiger Zeit allerdings hat ein sehr attraktives Museum neu eröffnet. Es ist in Cham in Bayern und damit nicht in einer Großstadt angesiedelt, dennoch gut zu erreichen. Die Exponate sind liebevoll mit Erklärungen beschriftet und thematisch eingeordnet.
Alle Geräte funktionieren noch
Michael Heller, der Kopf dahinter, ist vom Fach – er hatte Zeit seines Lebens mit Rundfunktechnik zu tun: Sein Vater gründete 1951 ein Radiogeschäft, das er mit 25 Jahren übernahm und bis auf 50 Beschäftigte ausbaute. Michael Heller selbst hatte mit 14 Jahren begonnen, Empfänger und Sender mit Röhren aufzubauen und war mit 22 der beste bei der bayerischen Meisterprüfung als Radio- und Fernsehtechniker. Allerdings geriet im Laufe der Jahre die technische Arbeit gegenüber der administrativen in den Hintergrund, zumal Heller noch weitere Unternehmen wie ein Softwarehaus und ein Direktmailing-Unternehmen für Radio- und Elektrogeschäfte gründete, das 2010 in ein ehemaliges Fernmeldeamt der Post einzog.
2012 begann Michael Heller, eine Sammlung von gut 1.000 Geräten aufzubauen und nahm später andere Sammlungen hinzu. Diese fanden auf 800 Quadratmetern in noch nicht durch sein Unternehmen belegten Räumen Platz. Dazu waren etliche Umbauten notwendig. Beispielsweise um Fluchtwege für die Besucher sicherzustellen oder aus dem ehemaligen Waschraum mit Duschen ein gemütliches Café zu machen und mit „Unterhaltungselektronik“ wie einem Edison-Phonograph, Trichtergrammophonen oder mechanischen Spieluhren der noch nicht elektrifizierten, rein mechanischen Zeit um 1900 zu füllen. Nur der ehemalige Schutzraum blieb als solcher erhalten und zeigt heute dazu passende Geräte der Jahre des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit.
Weiter ergänzt wurde das Museum durch jede Menge Tonbandgeräte und zusätzlich Mikrofone, Röhrenprüfgeräte, Mischpulte, NF-Verstärker und Messgeräte. Es sind nun praktisch jedes Grundig-Tonbandgerät und viele andere Raritäten wie Tondrahtgeräte, das erste Tonbandgerät K2 oder Tonbandgeräte mit 14 Spuren als Musikbox zu sehen. Die Besonderheit dabei: Die Geräte sind tatsächlich funktionsfähig und werden in einer dreistündigen Führung gezeigt. Somit kommen die Besucher in den Genuss ausführlicher Erklärungen und Vorführungen – und die Geräte sind besser vor eigenen Bedienversuchen der Gäste geschützt: Ständiges „Knöpfchendrücken“ herumrennender Kinder wie im Deutschen Museum würden sie dann doch nicht schadlos überstehen.
Bis vor einigen Jahren war es kein großes Problem, alte Radiogeräte vorzuführen. Inzwischen ist jedoch in Deutschland nicht nur das analoge terrestrische Fernsehen Geschichte, sondern auch der Rundfunk in Amplitudenmodulation. Einzelne Geräte lassen sich mit einem Messsender natürlich heute noch vorführen, aber ein ganzes Museum?
Um dieses Problem zu lösen und die jeweils zum Gerät und zu seiner Zeit – ob Radio oder Fernseher – passenden Sendungsinhalte zu präsentieren, spielt eine Batterie von MP3- und Videoplayern diese ab. Deren Signale werden dann auf Lang- und Mittelwelle, UKW und TV-Frequenzen, umgesetzt über Kabel, zu allen Geräten geleitet. Mit einer Ausnahme: Der Museumssender auf der alten Mittelwellenfrequenz des Bayerischen Rundfunks (BR), 801 kHz, sendet tatsächlich lizensiert an einer Antenne und kann so von den Besuchern schon bei der Anreise ab etwa zehn Kilometer Entfernung gehört werden.
Infotafeln erzählen die Geschichten
Hierbei handelt es sich übrigens um genau den BR-Sender, der bis 2015 21 Jahre lang mit 100 kW auf dieser Frequenz aus München-Ismaning sendete. Er konnte vor der Verschrottung bewahrt und wieder in Betrieb gesetzt werden – jetzt mit geringerer Sendeleistung von einem Watt und nur zwei der ehemaligen Endstufen.
Ein weiterer funktionsfähiger ARD-Rundfunksender im Museum ist der erste UKW-Sender des Hessischen Rundfunks mit 250 Watt Ausgangsleistung. Der Lorenz-Sender ging im Juli 1949 in Betrieb.
Die Radiotechnik ist im Museum nach Jahrzehnten gegliedert, beginnend mit den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Hier beginnt es mit dem Funken, der das Funken startete, was auch praktisch vorgeführt werden kann, dann folgen Radios aus der Anfangszeit um 1920 sowie Zusatzlautsprecher: Diese waren zu jener Zeit nämlich noch nicht in den Empfänger eingebaut.
Die 30er-Jahre zeigen die ersten Hi-Fi-Geräte wie das Siemens Kammermusikgerät II von 1937. Hier wurde bereits Spitzentechnik verbaut, was angesichts von Volksempfänger, Arbeitsfront und Co oft vergessen wird, die aus gutem Grund in einem anderen, weit düstereren Raum zu sehen sind. Der Radiobausatz Heinzelmann, der Beginn des Unternehmens Grundig, folgt in einem weiteren Raum, die großen Geräte und Musiktruhen der 50er- und 60er-Jahre und natürlich die zahlreichen Kofferradios dann in einem deutlich größeren Zimmer.
In den Gängen warten zahlreiche Mikrofone und Studiogeräte auf die Besucher, zusätzlich laden wandhohe Informationstafeln zum Lesen ein und helfen dem Besucher ohne technische und historische Vorkenntnisse, die ausgestellten Geräte und ihre Zeit zu verstehen. Kuriositäten wie ein elektromechanischer Kinogong sind hier ebenfalls ausgestellt.
Lohnenswerte Führungen
Das Fernsehen ist in einem weiteren Raum, und obwohl die meisten Jahrzehnte das Radio dominierte, kommt das Fernsehen nicht zu kurz. Eine Demonstrationsanlage mit einer Nipkow-Scheibe zeigt, wie rein elektromechanische Fernsehgeräte ohne Bildröhren oder gar Flachbildschirme funktionierten. Darauf folgen Geräte aller Generationen, als Highlight eine Art Beamer von 1957, der damals etwa 2.900 DM teure Saba Telerama P716, mit 1,6 Meter Leinwand-Diagonale – selbstverständlich funktionsbereit. Kameras, Videoschnittplätze, Videorekorder und eine analoge Bluescreen-Anlage sind ebenfalls zu sehen, mit der die Besucher sich in beliebige Umgebungen einblenden lassen können.
Abgerundet wird das Rundfunkmuseum durch einen Raum mit physikalischen Experimenten und Lehrmitteln, einen Raum ausschließlich voller Messgeräte (das älteste stammt aus dem Jahr 1895!), das „Sendezentrum“ mit den hauseigenen Programmen. Hinzu kommt ein Amateurfunk-Zimmer mit der Clubstation DL0RMC, historischen und aktuellen Amateurfunkgeräten sowie Spezialempfängern wie Überwachungs-, Mess- und Ballempfängern und militärischen Geräten und welchen für See- und Flugfunk, Behörden, Polizei und Feuerwehr. In den Gängen finden sich immer wieder interessante Exponate wie eine Sammlung unterschiedlichster „magischer Augen“ vom Beginn dieser Technik bis zu den letzten Exemplaren als „magische Bänder“, die tatsächlich alle in Betrieb sind.
Damit das Museum nicht nur an Michael Heller hängt, gibt es einen Förderverein mit inzwischen bereits weit mehr als 200 Mitgliedern, in dem unter anderem der Weidinger Bürgermeister Daniel Paul aktiv ist, der das Museum auch mit aufgebaut hat. Wer es besuchen möchte, sollte sich vorher anmelden, um an einer der Führungen teilnehmen zu können – es lohnt sich.