Nachdem die Digitalsteuer in Deutschland und auf EU-Ebene gescheitert ist, streben die Finanzminister der OECD-Staaten bis Anfang 2020 nun eine globale Lösung an. Die wird noch schwieriger – aber der Druck steigt.
Gerecht soll sie sein, modern und die Löcher in der alten Steuergesetzgebung stopfen – die Digitalsteuer. Seit dem 1. Januar 2019 erhebt Frankreich diese in Höhe von drei Prozent auf Umsatz, Werbeeinnahmen und den Verkauf von Daten und erwartet dadurch Mehreinnahmen von 500 Millionen Euro im Steuersäckel. Tschechien plant eine Digitalsteuer in Höhe von sieben Prozent; Österreich, Spanien, Großbritannien wollen nachziehen, auch Italien, das sich bereits mit den vier Tech-Giganten Amazon, Apple, Facebook und Google auf Steuernachzahlungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro geeinigt hat.
Und Deutschland? Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ist von „angemessener Besteuerung“ der digitalen Konzerne die Rede. Einer nationalen Steuer hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz jedoch schon vorsorglich eine Absage erteilt. Auch auf EU-Ebene glänzte die deutsche Delegation nicht mit progressiven Vorschlägen – der zusammen mit Frankreich vorgelegte Kompromiss sollte lediglich die Werbeeinnahmen besteuern. Deutsche Konzerne würde dies kaum treffen. Zum einen, weil außer Siemens, SAP, Zalando oder Otto kaum ein deutscher Konzern sein Geld maßgeblich mit digitalen Gütern verdient; zum anderen besitzt Werbung bei diesen Konzernen nicht im Entferntesten den gleichen Stellenwert wie bei der Konkurrenz aus dem Silicon Valley. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), lehnte eine EU-weite Digitalsteuer noch ab, sie wirke wie eine „Strafabgabe auf die Digitalisierung der Wirtschaft und schwächt die Unternehmen mitten im Prozess der Digitalisierung. Eine wirksame Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle wird langfristig nur global gelingen. Hierzu ist eine international abgestimmte Lösung notwendig – und keine kurzfristige einseitige EU-Maßnahme“, so Lang.
Nun soll aber auf Ebene der OECD-Staaten eine Lösung gefunden werden, Deutschland will sich für eine Mindestbesteuerung einsetzen. Der nun von der OECD im Oktober vorgelegte Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Besteuerung sich nicht nur am jeweiligen Firmensitz orientiert – sprich, meist in Steuerparadiesen wie Luxemburg oder Irland. Stattdessen sollen internationale Unternehmen auch dort Abgaben zahlen, wo Kunden beziehungsweise Nutzer von Dienstleistungen sitzen und die Unternehmen Gewinne erzielen – sprich, der Marktanteil eines Konzerns in einem Land zählt. Darauf hatten sich die Finanzminister der Top-Wirtschaftsmächte (G7) bei einem Treffen in Frankreich im Sommer bereits grob verständigt. Bis Januar 2020 soll auf Ebene der OECD ein globales Regelwerk vereinbart werden – auch um die Gefahr einer Doppelbesteuerung, einmal in der EU und einmal in einem Drittstaat, zu vermeiden.
„Sollte bis 2020 keine Einigung erzielt werden, würde dies das Risiko, dass die Länder einseitig handeln, erheblich erhöhen, mit negativen Folgen für eine ohnehin schon fragile Weltwirtschaft“, erklärte OECD-Generalsekretär Angel Gurría laut Mitteilung. „Wir dürfen nicht zulassen, dass dies geschieht.“
Mindeststeuer auch für Industriekonzerne
Ein Abkommen auf globaler Ebene könnte schwierig werden. Denn hier müssen die Staaten mit den USA verhandeln. Alle vier Internetgiganten, die besonders von dieser Steuer betroffen wären, haben ihren Hauptsitz in den Vereinigten Staaten – und zahlen selbst dort kaum Steuern. Präsident Donald Trump hat bereits einen Vorgeschmack geliefert, wie er zu einer solchen Steuer steht: Bislang reagierte das Land auf eine solche Steuer wie auf Importzölle – doch nach dem G-7-Treffen in Chantilly haben sich die USA damit durchgesetzt, dass eine Mindeststeuer nicht nur Digitalkonzerne, sondern auch andere globale Großunternehmen treffen könnte. Ein weiteres Zeichen der Entspannung: Frankreich und die USA vereinbarten, im Falle einer globalen Lösung eventuell zu viel in Frankreich gezahlte Steuern zu verrechnen.
Der Druck ist hoch, bevor weitere Länder nationale Alleingänge wagen – alleine schon wegen der erwarteten Mehreinnahmen. Laut einer Berechnung des wirtschaftsnahen Münchner Ifo-Institutes erwarteten die Steuerexperten im Falle eines europäischen Alleinganges drei bis vier Milliarden Euro für die Staatskassen der EU-Staaten. Schon allein die Tatsache, dass sich Steuerexperten auf Einladung der OECD getroffen haben, ist derzeit ein Lichtblick. Ökonomen fordern schon lange, das herkömmliche Steuersystem, das auf nationale und internationale Industrien ausgerichtet ist, zu generalüberholen. Vieles hängt von der künftigen Steuerverteilung ab. Die, so befürchtet jedenfalls der Bundesverband der deutschen Industrie, könnte nach den jüngsten, durch Einwirken der USA veränderten OECD-Plänen sogar zulasten von Deutschland ausfallen. Das berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf ein Positionspapier des BDI, in dem von Mindereinnahmen von „zwischen einem mittleren zweistelligen bis hin zu einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“ die Rede ist.
Auf EU-Spitzenebene zumindest hat man jedoch, trotz gescheiterter Einigung, die Zeichen erkannt. Margrethe Vestager, Ex- und zukünftige EU-Wettbewerbskommissarin, hat sich mit Geldbußen in Milliardenhöhe gegen Tech-Giganten und Steuerrückforderungen bereits einen Namen gemacht, jetzt bekommt sie in der künftigen Kommission von der Leyen noch das Digitalressort hinzu – eine deutliche Stärkung, vor allem, da Ursula von der Leyen den digitalen Fortschritt in der EU in den Vordergrund ihrer Kommissionspräsidentschaft stellen will. Die kartellrechtliche Regulierung von „Big Tech“ könnte eines ihrer zentralen Themen werden: Zumindest lässt ihre Rede beim jüngsten deutschen Digitalgipfel in Dortmund darauf schließen. „Wir müssen die Wettbewerbsregeln durchsetzen, um zu verhindern, dass digitale Plattformen ihren Konkurrenten die Chance auf Wettbewerb verwehren.“ Ein EU-weiter Digital Service Act soll dafür sorgen, dass digitale Plattformen „den Menschen dienen – und nicht andersherum“. Mehr Verantwortung für Konzerne, mehr Sicherheit für die Bürger der Europäischen Union. Und wenn sich die OECD-Staaten darauf einigen sollten, eine Mindeststeuer für Plattformen wie Amazon einzuführen, auch mehr Steuern für die Staaten, in denen sie Geschäfte machen, weltweit.