Selbst ein Rad-Unfall konnte Hobby-Triathletin Heike Schmidt aus Jägersburg nicht bremsen. In sensationeller Manier qualifizierte sie sich für die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii.
Ihre Augen funkeln, wenn sie über ihre Sportart spricht. Dabei würden sich viele nicht einmal für viel Geld jene Strapazen antun, denen sich Heike Schmidt freiwillig aussetzt. Die gebürtige Saarländerin aus Jägersburg bei Homburg hat vor etwa neun Jahren Triathlon für sich entdeckt. Im September dieses Jahres schaffte sie dann das, was vielen Gleichgesinnten trotz jahrelangen Trainings verwehrt bleibt: Sie gewann den Ironman im italienischen Emilia Romagna in der Altersklasse Ü50 und qualifizierte sich so für die legendäre Weltmeisterschaft 2020 in Kailua-Kona in Hawaii. Nur Ironman-Siegerinnen dürfen am ultimativen Triathlon-Event teilnehmen. Dabei war der Wettkampf in Italien erst ihr vierter über die Langdistanz mit 3,86 Kilometern Schwimmen, 180,2 Kilometern Fahrradfahren und einem abschließenden Marathon (42,195 Kilometer Laufen). Ihre Gewinnerzeit: 10 Stunden, 32 Minuten und 18 Sekunden.
„Ich konnte mir früher nicht einmal vorstellen, das alles an drei Tagen zu machen", sagt die zweifache Mutter zu den unglaublichen Distanzen eines Ironmans und ergänzt: „Aber irgendwann habe ich mir gedacht: Ich habe schon Kinder gekriegt, ein Bäumchen gepflanzt, habe einen guten Job. So was Verrücktes wie Triathlon fehlt mir aber noch auf meiner Checkliste." Ausdauersport war schon immer ihr Ding, schon vor dem Beginn der Triathlon-Leidenschaft lief sie zahlreiche Marathons. Ihr Mann Steffen Bug und die Söhne Jordan (21) und Samuel (19) geben ihr dabei nicht nur Rückendeckung, sondern trainieren zusammen mit ihr. Nicht selten nimmt die Familie gemeinsam an Wettkämpfen teil – so auch in Italien.
Schwimmen war zu Beginn eine Qual
Zum Triathlon kam Heike Schmidt über den langjährigen Freund Hubert Schwarz. Er organisierte ihr 2012 beim Wettkampf in Roth auch den ersten Startplatz. „Ich konnte anfangs so gut wie gar nicht schwimmen. Nur Brustschwimmen. 25 Meter Kraul waren zu dem Zeitpunkt unvorstellbar", blickt Schmidt zurück und gesteht: „Das war ein echter Kampf." Sie engagierte einen Schwimmtrainer, der die ehrgeizige Trainingsweltmeisterin auf ihrem Weg begleitete. Auch die Tatsache, dass das Fahrrad erst sechs Wochen vor dem Wettkampf eintraf, hielt sie nicht von der Teilnahme in Roth ab. „Wie so oft war der erste dann auch gleich der schönste", sagt sie rückblickend, „Man wird getragen von seinen Gedanken, ist die vollen 226 Kilometer ganz bei sich. Ich bekam danach viel Zuspruch, und daraufhin habe ich beschlossen, dass Triathlon meine Sportart wird."
Seitdem trainiert die Mitarbeiterin einer Kinderwunsch-Praxis in Saarbrücken vor Wettkämpfen werktags bis zu zwei Stunden pro Tag – am Wochenende schon mal länger. Für die Umsetzung des Trainingsplans, den ihr Trainer Wolfgang Paulus zusammenstellt, ist Schmidt selbst verantwortlich. Wofür sie das alles macht? Eigentlich nur für einen Moment: den Zieleinlauf. „Wenn man die letzten dreihundert Meter vor dem Ziel über den roten Teppich läuft, ist man für 1:25 Minuten der Held des Tages – auch bei meinen Kindern und meinem Mann", erklärt sie, „Alle sagen: Boah, wie hast du das geschafft?! Wenn du über die Ziellinie läufst und die Arme hebst – da fällt alles von dir ab. Das gibt einem einfach richtig viel." Wenn es auch außerhalb des Sports mal nicht so rund gut läuft, denkt sie an die Strapazen des letzten Rennens, das große Durchhaltevermögen, das sie letztlich bis ins Ziel getragen hat.
Die Gedankenwelt von Heike Schmidt während der über zehnstündigen Tortur eines Ironman ist lebhaft. Sie dreht sich bisweilen um Menschen, „denen man immer schon mal in den Hintern treten wollte", wie Schmidt es formuliert: „Die rufe ich mir dann immer ins Gedächtnis, wenn es mir echt schlecht geht und denke mir: Jetzt gebe ich erst recht Vollgas." Das führt zu dem interessanten Effekt, dass sie, je schlechter es ihr geht, umso energiegeladener auftritt. „Mein Mann sagt immer: Je böser du guckst, desto schneller und verbissener wirst du", sagt sie. Aufgeben ist für sie jedenfalls keine Option. „Ein Rennen nicht zu beenden, würde mir ewig nachhängen. Schmerz vergeht. Das muss man mögen. Ich mag es", sagt sie und ergänzt: „Wenn ich etwas anfange, will ich es auch unbedingt zum Ende bringen. Egal wie." Erst recht beim Ironman auf Hawaii: „Ich werde fluchen, aber definitiv nicht aufgeben. Das ist ein Lebenstraum", stellt Heike Schmidt klar.
Von ihrem Ziel konnte sie selbst ein schreckliches Erlebnis nicht abbringen: Beim Fahrradtraining im Frühjahr dieses Jahr wurde sie von einer unter Drogen stehenden Autofahrerin angefahren und schwer verletzt. Dabei war sie auf dem Radweg unterwegs. Schmidt prallte gegen die Tür des Autos, kam von der Straße ab, raste nur haarscharf an den Bäumen und einem Stapel gefällter Eichen vorbei einen Abhang hinunter, bevor sie sich mit ihrem Rad mehrfach überschlug und letztlich mit dem Gesicht aufgekommen war. Der Notarzt bescheinigte ihr auf dem Weg ins Krankenhaus: Zehn Zentimeter weiter rechts, und es wäre vorbei gewesen. Dann wäre ihr Genick gebrochen. „Ich wurde noch in der Nacht in der Kieferchirurgie wieder zusammengeflickt", erinnert sich Schmidt, „die Ärzte rieten mir, eine Woche lang nicht in den Spiegel zu schauen."
Hawaii ist eine Herausforderung
Mittlerweile sind die Wunden verheilt, die Erinnerung aber bleibt. „Natürlich habe ich mit dem Ganzen gehadert", gibt sie zu, die in der Folgezeit gar nicht mehr aufs Rad steigen wollte und erstmals das Gefühl hatte, ihren Biss verloren zu haben. Es dauerte jedoch nicht lange, nämlich bis Ende Juni, ehe es Heike Schmidt wieder in den Füßen und Fingern juckte. Nach der erfolgreichen Teilnahme an einem Familienstaffel-Marathon in Roth und nach Rücksprache mit Trainer Wolfgang Paulus meldete sie sich für den Ironman in Italien an.
Der Gedanke „Jetzt erst recht" ist eben einer, den sie wohl nie los wird. „Ich bin, wie es Tim Bendzko in seinem Lied ‚Hoch‘ singt", findet sie und zitiert: „Und wenn ich glaube, meine Beine sind zu schwer, dann geh’ ich noch mal tausend Schritte mehr."
Auf diese Weise hat sie die Hawaii-Quali geschafft. Um das Erklimmen des Triathlon-Olymps auf ihrer Checkliste abzuhaken, muss sie dort „nur noch" ins Ziel kommen. „Über 226 Kilometer bei 98 Prozent Luftfeuchtigkeit und gefühlten 40 Grad im Schatten kann das schon eine Herausforderung werden", meint sie und lacht. Aber je größer die Herausforderung, desto stärker ist Heike Schmidt.