Viele Jugendliche besitzen nach ihrer Einschätzung „hochwertige" Smartphones. Doch muss hochwertig gleich teuer sein? Wir haben das GS190 von Gigaset getestet, das für etwas mehr als 150 Euro im Handel zu haben ist.
Die metallische Lackierung der Smartphone-Rückseite des GS190 aus dem Hause Gigaset (einstmals Siemens) glänzt verführerisch. Mit Hochglanz wird das Freizeit- und Business-Gerät direkt zum Hingucker und schmückenden Accessoire. Die so aufgehübschten Video-Konferenzen, Chats, Telefonate oder „Insta"-Fotoshootings mit dem mobilen Kleincomputer brauchen Energie. Egal: Der Akku ist über USB Typ C schnell geladen, ohne Fummelei und Angst vor Beschädigungen, weil der punktsymmetrische Stecker in beiden Drehrichtungen in den Port passt. Im komfortablen Dreifach-Karten-Slot finden zwei Nano SIM-Karten und eine MicroSD-Karte mit bis zu 256 GB Speicher Platz. Zusätzlicher Speicherraum ist wichtig, denn von den 16 Gigabyte des internen Speichers ist nahezu die Hälfte durch Programme und Apps bereits vorbelegt.
Neun von zehn Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 18 Jahren besitzen ein eigenes Smartphone. Das ergab eine Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter mehr als 600 Jugendlichen dieser Altersgruppe. Die Qualität ihres Entertainment-Telefons schätzten 43 Prozent der Befragten als hochwertig bis sehr hochwertig ein. Doch hat „hochwertig" immer noch „teuer" als Vorbedingung? Die Smartphone-Technologie ist Software- und Hardware-seitig weit gediehen, nicht nur bei Premium-Phones. Gibt es Features, die für hohen Wert stehen, mittlerweile für vergleichsweise kleines Geld?
Ein paar Tage muss sich das mit 169 Euro preiswerte Gigaset GS190 gedulden, bis es zum Test-Einsatz für diese Fragestellung kommt. Erfreulich bei der Kontaktaufnahme: Das auf den ersten Blick hochwertig wirkende Smartphone, das es in den Farben Night Shade Blue und Titanium Grey gibt, ist sofort startklar und jammert nicht rum, dass es noch mal mit Energie gefüllt werden sollte. Knapp zwei Tage reicht sein Strom beispielsweise fürs Musikhören, noch länger fürs Unterhalten auch bei hoher Bandbreite (Voice over LTE) mit guter Sprachqualität. Ein Teil der reichlichen Power des satten 4.000 mAh-Akkus kann deshalb sorgenfrei unterwegs bei Bedarf zum Laden anderer Geräte vom Smartphone via USB On-the-Go abgezogen werden.
Aber jetzt erst mal Passwort, Pin, ein zweites Mal Passwort eingeben – endlich geht es los mit dem nach Herstellerangaben besonders „robusten", weil anspruchslos, intensiv und ausdauernd unterstützenden Gefährten. Als Luxus-Kriterium fällt zunächst das quasi randlose Design des GS190 ins Auge. Das Gerät liegt massiv in der Hand, weil es mit 6,1-Zoll-Bildschirmdiagonale im Seitenverhältnis von 19,5:9 extra breit ist, außerdem mit HD+ IPS V-Notch-Display eine außerordentlich scharfe und zeitgemäß gute Draufsicht beim Streamen, Spielen und Chatten offeriert.
Guter Schutz der Privatsphäre
Die „Notch" ist eine kleine, V-förmige Kerbe am oberen Rand des Displays. Frontkamera sowie der Näherungs- und Helligkeitssensor sind dort platzsparend untergebracht. Das In-Plane Switching (IPS) soll bei Hochleistungs-Displays die Farbdarstellung und den Betrachtungswinkel fürs Filmeschauen und Video-Chatten erlebnisstark machen. Schnell ausprobiert: Die komfortable High-Definition-Plus-Auflösung bringt mit 1.560 x 720 Pixel beispielsweise die Tanzszenen der Zeitreise-Teenie-Serie „Find me in Paris" auf der ZDF-Tivi-App überraschend bewegend und detailreich rüber.
Ein starker Prozessor soll mit vier Kernen und 2,0 Gigahertz mehrere Anwendungen und Spiele bei garantiert schnellen Geschwindigkeiten und guter Darstellung gleichzeitig locker mitmachen. Die Tester mussten beim Versuch, mehrere Unterhaltungsoptionen parallel auszunutzen, eher klein beigeben als der Prozessor. All das macht Spaß, ohne viel Tamtam. Mit 169 Euro liegt das GS190 trotz komfortabler Leistung und ansprechender Optik schon fast im Low-Budget-Niveau. Es hängt geerdete Jugendliche, die keinen Sinn darin sehen, mit einem „Porsche" in der Hosentasche zur Schule zu kommen, im Wettbewerb der Mitschüler trotzdem nicht ab. Ebenso wenig Erwachsene im digitalem Alltag.
Eine Frage der Einstellung ist es, was sich mit so einem robusten Smartphone tatsächlich anstellen lässt. Alle App-Berechtigungen sind in den Geräteeinstellungen einzusehen und bei Bedarf zu verändern. Diese werden zum Schutz der Privatsphäre lokal im Betriebssystem verwaltet und gespeichert. Stichwort Künstliche Intelligenz: Das Betriebssystem Android 9.0 Pie soll Leistung, Stabilität und Energieeffizienz des Gigaset GS190 optimieren. Das „Pie" schränkt zudem Zugriffsrechte für Apps, die im Hintergrund ausgeführt werden, ein, um die Sicherheit hochzufahren. Nettes Feature: Es merkt sich, wie laut verbundene Bluetooth-Lautsprecher und -Kopfhörer sind.
Kurz überlegt, welche funktionellen Vorgaben für den Nutzer persönlich im Alltag interessant sind: zu lang gedacht. Schon ist das Display dunkel. Der Nutzer muss das Passwort wieder eingeben, um beispielsweise die Frist bis zum Anspringen des Ruhemodus schleunigst zu verlängern. Oder auch nicht: Via Fingerabdruck-Sensor, Gesichtserkennung oder eine sogenannte Smart Lock, die bei bekannten Umgebungsreizen das Telefon dauerhaft entsperrt lässt, geht das Reinkommen in den Organismus des Geräts schneller als mit Passwort. Beachtlich: Der sensorische Komfort umfasst viele Funktionen wie Lagesensor, Näherungssensor, Helligkeitssensor und Geometrischen Sensor (E-Kompass), die vor wenigen Jahren noch als Premium-Attribute galten und Smartphone-Kaufpreise von 500 Euro aufwärts bis an die Tausender-Grenze rechtfertigten. Besonders angenehme Eigenart des preislich deutlich bescheideneren Jetztzeit-Geräts GS190: Einmal lang auf den Fingerprint-Sensor gedrückt, und die Kamera geht auf. Noch einmal lang gedrückt, und der Schnappschuss ist im Smartphone-Speicher oder auf der eingeschobenen Micro-SD-Karte.
Das Fotografen-Herz freut, dass sich mit der 13 MB PDAF + VGA Dual-Hauptkamera neben aller Schärfe bewusste Tiefen-Unschärfe („Bokeh") inszenieren lässt, um das Hauptmotiv zu betonen. Die 8 MB Selfie-Cam auf der Vorderseite lichtet auf Wunsch im Beauty-Modus ab, der Pusteln und Fältchen kaschiert.
Statt Kopf und Ohren permanent vollzudröhnen, sorgen die trendigsten Smartphones im aktuellen Lifestyle dafür, dass sich ihre Nutzer beim Blick aufs Display aufs Wesentliche beschränken und ihre Wahrnehmung wieder mehr in die reale Welt verlagern können. So auch das dezent assistierende GS190. Das heißt, das Gerät meldet sich nur selten mit Tönen oder Vibrationen. Sehr praktisch für die digitale Selbstdisziplinierung sind auch seine Übersichten, wie viel Zeit Erwachsener oder Jugendliche mit dem Phone verbracht haben, und welche Kapazitäten oder Funktionen beansprucht worden sind.
Display anfällig für Schmutz und Fingerabdrücke
Ein Smartphone sollte der Nachwuchs, den Experten-Empfehlungen zufolge, frühestens ab elf Jahren in Maßen verwenden Die Nutzung durch Kinder lässt sich mit einem Family-Link auf dem GS190 leicht einschränken und verfolgen. Unter Einstellungen sehen die Kids in der Kategorie Digital Wellbeiing und Jugendschutz, wo ihnen Limits und Regeln durch die Eltern gesetzt sind oder wie viel Zeit sie im Netz verbracht haben. „Einen bewussten und eigenverantwortlichen Umgang mit Smartphones lernen Jugendliche nur, wenn sie die Geräte auch nutzen dürfen", sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.
Der Umfrage des Digitalverbands zufolge ist das Smartphone für viele Jugendliche ein ständiger Begleiter im Alltag. Sechs von zehn Handynutzern zwischen zehn und 18 Jahren (60 Prozent) haben, den aktuellen Ergebnissen vom November zufolge, das Gerät immer dabei, bei den Älteren von 16 bis 18 Jahren seien es sogar mehr als acht von zehn (81 Prozent).
Äußerlich wirkt das GS190, das nicht so leicht ist, dass es unbemerkt aus der Hosentasche fallen kann, tatsächlich dezent robust. Mit kratzfestem und angeblich schmutzabweisendem 2,5D-Glas, ohne urig wie ein Outdoor-Knochen aus dem Bergsteiger-Bedarf daherzukommen. Das Display ist dennoch leider nicht unattraktiv für Staub, Fussel und Fingerabdrücke, auch wenn dickere Schmutzablagerungen zwischen den abgerundeten Kanten des fast randlosen 6,1-Zoll-Displays keine Chance haben. Beim Test erlebt: Eine rutschige Schreibtischfläche, gar aus Glas, oder ein abgegriffenes Schülerpult sind gute Schlitterareale für ein rundum superglattes Smartphone wie das GS190. Eine schicke und stabile Smart-Case-Tasche im leicht schimmernden Blue- oder Titanium-Grey-Design (20 Euro) löst beide Probleme. Wem Staub und Fingerabdrücke auf dem Display egal sind, für den reicht auch ein durchsichtiger, unauffälliger Aufsteckprotektor für den Smartphone-Rücken. Schließlich wäre es schade um den schicken Begleiter, der sich im Test durchaus als willig und vorzeigbar erwies: Nicht nur für Jugendliche, die hochwertige und „Wellbeing"-Merkmale an ihrem Smartphone schätzen, ohne ein Vermögen dafür auszugeben.