„Jeder zweite Deutsche war schon einmal auf einem Datingportal im Internet unterwegs", sagt Ines Imdahl. Die Kölner Diplom-Psychologin erforschte das Thema Partnersuche im Netz tiefenpsychologisch. Die Ergebnisse sind überwiegend ernüchternd.
Früher war alles anders, zumindest, wenn es ums Thema Kennenlernen zwischen Frau und Mann geht. „Ja, da haben wir uns tatsächlich noch auf Partys oder am Arbeitsplatz kennengelernt. Und haben uns tief in die Augen geschaut. Manchmal haben wir uns dabei verliebt", erzählt Ines Imdahl. Das sei heute gänzlich anders: Längst sei das Chatten im Netz die häufigste Kennenlernform. Da sind sich Imdahl und Forscher der Standford University (USA) einig. „Wir arbeiten ja immer mehr und sind immer weniger mit Freunden unterwegs. Damit sinkt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, jemanden kennenzulernen." Ines Imdahl, Gründerin und Mitinhaberin des Marktforschungsinstituts „rheingold salon" in Köln, bringt es auf den Punkt: „Früher gab es ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Liebe in unserem Leben. Das ist heute anders." Insofern seien Datingportale ein „Glücksfall". Sie böten den Menschen eine Möglichkeit miteinander in Kontakt zu treten.
„Großes Interesse an schnellen und oberflächlichen Kontakten"
Deshalb explodieren auch die Nutzerzahlen bei Portalen wie Parship, ElitePartner oder Flirt Fever. Immer stärken boomen dabei Apps, die man auf dem Handy nutzen kann. „Das liegt vor allem daran, dass es ein großes Interesse an schnellen und oberflächlichen Kontakten gibt", meint Imdahl. Analysten schätzen, dass der weltweite Markt für Dating-Apps 2025 bei mehr als neun Milliarden Euro liegen wird. Getrieben werden die Plattformen von einem mächtigen Anbieter: der Dating-App Tinder. Sie gehört zur amerikanischen Match Group und hat weltweit rund 4,1 Millionen zahlende Nutzer. Noch nie etwas von Tinder gehört? Bestimmt! Das 2012 gegründete Unternehmen hat das Wischen (neudeutsch: Swipen) nach rechts (für: „gefällt mir") und nach links (für: „gefällt mir nicht") erfunden. Swipen oder normal „online daten" – eines ist bei allen Portalen im Netz gleich, auch wenn es kurios klingt. Imdahl: „Den Deutschen ist es nach wie vor peinlich, online nach einem Partner zu suchen. Da redet kaum jemand offen drüber." Doch das ist nur eines der Probleme beim „Daten" im Netz. Imdahl kennt einige mehr. Viele davon offenbarten sich bei stundenlangen, tiefenpsychologischen Interviews mit Online-Datern. Imdahl: „Das erste große Problem bei der Partnersuche im Netz ist, dass es da ganz viele Fake-Profile gibt." Ein Fake-Profil ist eine Seite, hinter der sich kein realer Mensch verbirgt. Profilbilder und Personenbeschreibungen dieser Profile sind meist irgendwo im Netz geklaut. Die meisten Nutzer seien dann auch nicht wirklich an einem Kontakt interessiert.
Doch wer beim Online-Dating einen Partner sucht, hat mit einer ganzen Reihe weiterer Probleme zu kämpfen. Welches Portal nutze ich? Welches Portal hat die meisten Nutzer? Diese Fragen lassen sich nicht so einfach beantworten. Sämtliche Portale ließen Anfragen von FORUM zu Nutzerzahlen, Vermittlungsquoten und Suchalgorithmen unbeantwortet. Auf der Internetseite von Parship steht: „Die Partnerbörse wurde 2000 gegründet. In Zusammenarbeit mit dem Diplom-Psychologen Hugo Schmale der Universität Hamburg wurde ein Fragenkatalog und Algorithmus entwickelt, der möglichst gleichgesinnte Singles zusammenbringen soll. Nach Angaben Schmales basiert der Algorithmus dabei sowohl auf verhaltenstheoretisch orientierten Ansätzen als auch auf psychoanalytischen Theorien über Persönlichkeitseigenschaften." Damit scheint man Geld verdienen zu können: Parship, das mittlerweile wie Konkurrent Elitepartner zum britischen Finanzinvest-Unternehmen Oakley Capital gehört, hat im Jahr 2014 rund 60 Millionen Euro umgesetzt.
Doch auch hoher Umsatz garantiert keinen Erfolg bei der Partnervermittlung. Ines Imdahl: „Das große Versprechen ist ja die Versachlichung der Liebe. Man ist der Meinung, dass Algorithmen besser vorhersagen können, wie es mit der Liebe funktioniert. Sozusagen: Liebe ohne Herzschmerz und ohne große Enttäuschung." Die Realität sieht oft anders aus. Da machten Nutzer bewusst falsche Angaben oder verwendeten geschönte Fotos. „Die harte Realität erwischt die Leute dann beim ersten Aufeinandertreffen." Da wird aus der virtuellen Bekanntschaft Realität. „Da lässt sich ja dann nichts mehr beschönen, da stehen sich die Menschen mit all ihren Fehlern gegenüber."
„Es gibt die perfekte Liebe, aber nicht den perfekten Partner"
Und schon komme das nächste Problem hinzu. Imdahl: „Die Nutzer versuchen ja, die Liebe durch das Online-Dating zu entdramatisieren. Sie wollen sich das Leben leichter machen. Wisch und weg – einer geht, fünf neue warten schon auf ein Date." Außerdem führe das Daten vor allem bei Frauen oft zu einer brisanten psychologischen Mischung. „Da kommen Narzissmus und Exhibitionismus zusammen. Das hat eine Tendenz zu einer schweren psychischen Störung", sagt Imdahl augenzwinkernd. Was sie meint? „Viele Frauen erhalten ja sehr schnell Likes und Zustimmung von Männern. Oft suchen die Frauen dann nicht mehr wirklich einen Partner, sondern drehen sich um sich selbst. Wer liked mich als Nächstes, wer bewundert mich noch mehr?" Überhaupt seien Männer in diesen Portalen deutlich überrepräsentiert. Dies sei ein Grund, warum Frauen oft kostenlos Zugang zu diesen Seiten erhielten. Männer müssten meist für ihre Accounts bezahlen.
Welche Gefahren das Online-Dating grundsätzlich mit sich bringt, veranschaulicht Imdahl an einem einfachen Beispiel aus der Vergangenheit: „Da suchte Bauer XY in seinem Dorf eine Frau und fand gleich in der Nachbarschaft Bäuerin XX. Man war mit dem zufrieden, was es gab, weil man es ja auch nicht besser wusste." Das sei heute gänzlich anders, es gebe immer mehr Gelegenheiten, die Liebe machen: „Das Internet ist ja praktisch grenzenlos. Doch durch die riesige Auswahl werden die Menschen zur Ware. Das und die Wisch- und Weg-Mentalität machen uns insgesamt beziehungsunfähiger. Es gibt vielleicht die perfekte Liebe, aber es gibt nicht den perfekten Partner."
Dennoch glaubt auch Ines Imdahl, dass der Online-Dating-Markt weiter wachsen wird. „Auch wenn wir Deutschen uns noch schwer damit tun – wir sind ja ganz schrecklich harmoniebedürftig: Künftig wird die Partnersuche im Netz selbstverständlich werden." Und deshalb sollte man auf jeden Fall folgenden Tipp beherzigen: „Der entscheidende Punkt ist, dass man, wenn man jemanden gefunden hat, nicht weitersucht, sondern sich auch mal darauf einlässt." Sowohl im Netz als auch bei einem persönlichen Treffen sollte man unbedingt darauf achten, respektvoll aufzutreten. „Außerdem sollte man auf keinen Fall gleich anzüglich werden – das ist ein No-Go. Und man sollte verbindliches Interesse zeigen. Das fängt ja schon damit an, dass man sich mit einer Antwort nicht tagelang Zeit lässt, sondern gleich schreibt", sagt die Kölner Psychologin. „Manchmal kommt es eben auf die Reaktionszeit an."