Social Media, Radiospots und Co. – die saarländische Polizei versucht den abnehmenden Bewerberzahlen entgegenzuwirken. Erste Erfolge sind sichtbar, aber die Gewerkschaft bleibt kritisch.
Es ist der klassische Traumberuf vieler Kinder und einer, der nach wie vor hohes Ansehen genießt. Nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) rangiert die Polizei auf Platz acht der Berufsgruppen, denen die Deutschen am meisten vertrauen. Dennoch haben sich die Bewerberzahlen bei der saarländischen Polizei in den letzten zehn Jahren halbiert – von rund 1.300 auf gerade einmal 609 eingegangenen Bewerbungen im vergangenen Jahr.
Das liegt nicht zuletzt dran, dass andere Landespolizeien oder die Bundespolizei mit attraktiven Angeboten locken. „Wir sind da nicht konkurrenzfähig", erklärt David Maaß, Chef der saarländischen Polizeigewerkschaft (GdP). Das Saarland belegt bei der Besoldung einen der hinteren Plätze. Auch eine Karriere bei der Bundespolizei scheint attraktiver wegen besserer Bezahlung, schnellerer Beförderung und besseren Arbeitsbedingungen. Viele junge Menschen bewerben sich nicht nur in einem Bundesland, das Saarland aber sendet seine Zu- oder Absagen als eines der letzten Länder raus. Auch die freie Wirtschaft ist ein Konkurrent. „Wir müssen moderner werden und dafür muss mehr Geld in die Hand genommen werden", fordert Maaß. Zwar habe Innenminister Klaus Bouillon (CDU) schon einiges in die Modernisierung investiert, doch müsse diese auch weiterhin ausgebaut werden.
307 Bewerber mehr als 2018
Mit einer breit angelegten Werbekampagne Mitte des Jahres über soziale Medien, im Radio und über Printanzeigen sollten junge Menschen für eine Karriere bei der Polizei begeistert werden. Mit Erfolg: 916 Bewerbungen gingen bis zum Bewerbungsschluss ein – das sind 307 Bewerber mehr als noch im Vorjahr. Doch der Polizeigewerkschafter warnt davor, dass die Zahlen in den nächsten Jahren auch wieder nach unten fallen können: „Eine gute Werbeoffensive kann nicht die schlechten Rahmenbedingungen bei der saarländischen Polizei übertünchen. Ein altes Haus ist vielleicht wieder schön, wenn man es neu streicht, aber es bleibt dennoch baufällig."
Baustellen sind nicht nur das Einkommensdefizit, der bürokratische Aufwand oder der Schichtdienst. Ein großes Problem ist auch die Personalsituation. Wo 1991 noch 3.400 volleinsatzfähige Polizeibeamten zu verzeichnen waren, werden es zum Ende der Schuldenbremse nach Angaben des Innenministeriums gerade noch rund 2.400 sein. „Das wirkt sich nicht nur massiv auf die Belastung der Kolleginnen und Kollegen aus, sondern auch auf deren Gesundheit", sagt Maaß und fügt hinzu: „Erst wenn Belastung von den Schultern genommen wird, wird der Beruf auch wieder attraktiver." In anderen Ländern würde das Personal bereits weiter aufgestockt, im Saarland aber noch immer abgebaut. Auch wenn sich Innenminister Bouillon im Sommerstreit durchgesetzt hat: 100 zusätzliche Stellen sollen in den nächsten drei Jahren geschaffen werden.
Eine mögliche Wiedereinführung des mittleren Dienstes als Maßnahme gegen den Personalmangel stößt bei der GdP auf Widerstand. „Die Aufgaben werden immer vielschichtiger und der Beruf wird immer gefährlicher – politisch wäre es das vollkommen falsche Signal, einen Beruf besoldungsmäßig weiter zu degradieren", begründet Maaß und bekräftigt: Genügend Bewerber seien auf dem freien Markt zu finden, man müsse ihnen aber auch Anreize bieten. „Die Polizei muss wieder Investitionsschwerpunkt der Politik werden – nicht nur im Wahlkampf", fordert er daher. Das Saarland hat in den vergangenen fünf Jahren rund 200 Millionen Euro zusätzlich investiert in Sicherheitsausstattung und Personal.
Aus den über 900 Bewerbern sollen nun 150 Nachwuchskräfte ermittelt werden, die im Sommer 2020 anfangen. Zuvor müssen sie neben einem schriftlichen Test auch den berüchtigten Sporttest überstehen. „Mit genug Vorbereitung absolut machbar", erzählt Sarah Klein. Sie ist seit 2007 Polizeibeamtin. Ein anderer Beruf kam für sie nicht infrage, ihr Vater war Polizist und weckte schon in Kindertagen ihr Interesse. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Dominik Paul wirkte sie aktiv bei verschiedenen Werbeaktionen des Innenministeriums mit – beispielsweise einem Liveinterview im Radio. „Dort haben wir verschiedene Klischees aus dem Weg räumen können, wie, ob das Duzen eine Beamtenbeleidigung sei oder wir über rote Ampeln fahren dürfen, wenn wir früher in den Feierabend wollen", erzählt Paul.
Besonderer Pluspunkt der Polizeiausbildung sei das duale System, das die Ausbildung sehr kurzweilig mache. „Was in der Fachhochschule vermittelt wird, kann im Praktikum auch direkt umgesetzt werden", erläutert Klein. So wird in Fächern wie „Eingriffsrecht" erklärt, welche Handlungsmöglichkeiten ein Polizeibeamter in gewissen Situationen hat, Stichwort Verhältnismäßigkeit. „Ich muss immer prüfen, ob meine Maßnahme noch im Verhältnis zu der eigentlichen Sache steht. Ich kann zum Beispiel nicht auf einen Ladendieb schießen, weil er ein paar Kaugummi geklaut hat", erklärt Paul, der seine Ausbildung 2010 als erster Jahrgang in den neuen Räumlichkeiten der Polizeischule in Göttelborn begonnen hatte. Binnen Sekunden muss ein Polizeibeamter über sein Handeln nachdenken – insbesondere in einer Extremsituation. „Wir müssen jedes Mal, wenn wir mit unserem Partner in das Auto steigen, damit rechnen, dass wir nicht mehr zu zweit zurückkommen werden", sagt Klein.
Der Beruf wird gefährlicher
Jenseits solcher Extremsituationen sind die Herausforderungen der täglichen Arbeit zunehmend schwieriger geworden. Einerseits sind die Erwartungshaltungen an die Polizei gestiegen, gleichzeitig wird Polizisten zunehmend respektlos und teilweise sogar gewaltbereit entgegengetreten. „Es ist vollkommen in Ordnung, die Institution Polizei kritisch zu betrachten", sagt Paul. „Aber teilweise sind – besonders auch Jugendliche – respektloser zu uns geworden als ich das aus meiner Jugend kenne. Man merkt eine Tendenz." Gerade für die jungen Beamten ist es schwer, denn sie sind teilweise im gleichen Alter. „Bei älteren Kollegen traut man sich weniger etwas zu sagen", vermutet Klein. Auch sie als Frau hat es nicht immer leicht: „Gerade abends in der Altstadt kommen dann auch gern einmal Anmachsprüche, aber nichts Gravierendes." Gravierend hingegen wird es, wenn Gewalt ins Spiel kommt. Besonders bei Großveranstaltungen oder Demonstrationen wird gehäuft von Gewalt gegen Polizeibeamte berichtet. Um diesem Trend einen Riegel vorzuschieben, sollen Angriffe auf Polizisten stärker bestraft werden, fordert etwa die Innenministerkonferenz.
Aber der Beruf gibt auch viel zurück: „Zwischen den Kollegen im Team herrscht ein sehr enges Vertrauensverhältnis, das man nicht mit einem Kollegenverhältnis in der freien Wirtschaft vergleichen kann. Wir sind die gegenseitige Lebensversicherung", erklärt die junge Beamtin. Bereits zu Beginn der Tätigkeit wachse die Bindung zu den erfahrenen Mitarbeitern sehr schnell. „Das ist ein ganz einfacher Einstieg", erinnert sich Paul. Dazu kommt die Aufgabe, jemandem helfen zu können, die Gesellschaft ein bisschen besser zu machen.
Die Werbekampagne findet Zustimmung bei den jungen Beamten: „Wir hoffen auch weiterhin auf nette und motivierte Kollegen, die wir bekommen." Auch die Polizeigewerkschaft sieht die Initiative prinzipiell positiv, bleibt aber bei ihren Bedenken und Forderungen. „Ich habe aber dennoch Erwartungen an die Politik. Die Rahmenbedingungen müssen an den Bundesstandard angepasst werden. Natürlich ist das viel Geld, das dort in die Hand genommen werden muss, aber wir dürfen als Saarland nicht weiter hinterherhinken, wir müssen Vorreiter werden – mindestens aber gesundes Mittelfeld", sagt GdP-Chef Maaß. „Eine Werbekampagne allein reicht da nicht!"