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WAS MACHT EIGENTLICH...

Paul Biedermann (rechts)wurde 2009 in Rom Weltmeister über
Foto: imago images / sportfotodienst

… Paul Biedermann?

Über 200 Meter und 400 Meter Freistil war er 2009 Weltmeister und als erster Schwimmer auf dieser Distanz unter 1.40 Minuten geblieben. 2016 beendete der 33-Jährige seine Karriere und studiert Sportwissenschaft in Erlangen.

Der bis heute schnellste Schwimmer über 200 und 400 Meter Freistil ist als Kind bei der Seepferdchen-Prüfung durchgefallen. „Mit fünf Jahren habe ich es nicht geschafft, die erforderlichen 25 Meter zu schwimmen. Im zweiten Versuch hat es dann geklappt", erzählte Paul Biedermann kürzlich dem „Stern". Während er bei Welt- und Europameisterschaften etliche Titel sammeln konnte, reichte es bei drei Olympia-Teilnahmen 2008, 2012 und 2016 nie aufs begehrte Treppchen. „Natürlich hätte ich mir olympisches Edelmetall gewünscht. Darüber ärgere ich mich schon lange nicht mehr. Meine Karriere ist deshalb nicht unvollendet" Der 33-Jährige ist froh, nach 16 Jahren im Anti-Doping-System nun nicht mehr ständig unter Kontrolle zu stehen. Er kann sich heute im Lokal problemlos ein Steak bestellen, ohne befürchten zu müssen, dass es mit der verbotenen Substanz Clenbuterol belastet ist. Der Ausstieg aus dem Leistungssport geht nicht von heute auf morgen. Noch bis vor wenigen Wochen hat Biedermann seinen Körper von den enormen Belastungen entwöhnen müssen. Hätte er beim Abtrainieren zwei Jahre lang die empfohlenen 50 bis 60 Prozent seiner Trainingsleistung gebracht, hätte das für ihn ein tägliches Schwimmpensum von sechs, sieben Kilometer bedeutet. Er hält dies für wenig realistisch, dennoch habe er bis zu diesem Oktober ein genau dosiertes Regenerationsprogramm absolviert, zu dem auch zweimal wöchentliches Schwimmen gehörte. Das früher harte Training vermisst er jetzt nicht. Die Verbindungen zu ehemaligen Sportkameraden will er aber auch als „Schwimm-Rentner" nicht abreißen lassen. Mit Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen, mit der er von 2010 bis 2015 liiert war, gibt es aber nur noch selten Kontakt. Eine große Umstellung war für Biedermann die Ernährung. Von den zu aktiven Zeiten üblichen bis zu 5.000 Kalorien versucht er nun nach und nach loszukommen. Da er fürs Joggen als 1,93 Meter großer 98-Kilo-Mann zu schwer sei, bleiben ihm neben dem Schwimmen vor allem Krafttraining und Mountainbiken. Den früher extrem belasteten Top-Athleten reizt derzeit das ganz Normale, das für einen Leistungssportler eher unnormal war: Ausschlafen, Familienleben, Metal-Konzerte oder Eishockeyspiele, die er früher aus Angst vor Erkältungen meiden musste. Gern sitzt der bekennende Hallenser und Computer-Freak auch einfach nur am Ufer der Saale und genießt die schönen Seiten seiner Heimatstadt.

Paul Biedermann, ehemaliger Weltklasseschwimmer, aufgenommen in der Robert-Koch Schwimmhalle
Paul Biedermann, Ex-Weltklasseschwimmer, aufgenommen in der Robert-Koch Schwimmhalle - Foto: picture alliance / Sebastian Willnow / dpa-Zentralbild / dpa Anita Bugge

Berufliche Zukunft geplant

Biedermann hat schon gegen Ende seiner Karriere konsequent seine berufliche Zukunft geplant. Als einer der wenigen Schwimmer habe er Rücklagen bilden können, mit denen er gut auskommt. „Über Sponsoren habe ich gutes Geld verdient, mit dem ich mir mein Studium finanzieren kann", sagte er in einem ARD-Interview. Zwar hatte er in seinem Heimatverein kurz mal eine Jugendgruppe geleitet, aber eine Karriere als Schwimmtrainer kann er sich derzeit nicht vorstellen. „Mir sind die Arbeitsbedingungen und die Anstellungsverträge von ein bis zwei Jahren zu unsicher." Seit 2017 absolviert er ein Fernstudium in Sportwissenschaft an der Uni Erlangen. Sein Schwerpunkt ist Gesundheitsmanagement. „In diesem Bereich möchte ich auch später arbeiten, eventuell in ein Gesundheitszentrum einsteigen." Derzeit hat Biedermann auch noch einen Lehrauftrag im Fach Schwimmen an der Martin-Luther-Universität in Halle, was ihm sehr viel Spaß macht. Eine Zeit lang leitete er sogar eine Aquafitness-Rehagruppe für Über-60-Jährige: „Dabei habe ich gemerkt, dass ich gern mit Menschen arbeite. Deshalb sehe ich da auch meine berufliche Zukunft." Derzeit betreut er in der Firma seines Vaters gelegentlich Sportprojekte „als studentische Hilfskraft". In einem neuen Nachwuchsförderteam seines Sponsors engagiert Biedermann sich auch für den Schwimmnachwuchs. Mit diesem „DVAG-Juniorteam" sei man auf dem besten Weg und habe eine Vorreiterrolle. „Wir müssen den Nachwuchs intensiver fördern. Wir brauchen die Helden von morgen, sonst gibt es diesen Sport bald nicht mehr", fordert der Weltrekordler.

Biedermann hat vor Kurzem auch wieder öffentlich seine Badehose angezogen. Im August schwamm er in Aseleben bei Halle 1.000 Meter durch den Süßen See, um eine Aktion des Krebshilfevereins Herzensangelegenheit zu unterstützen. Dabei hat er auch eine private Feier angekündigt, falls seine beiden Weltrekorde von 2009 auch das zehnte Bestehensjahr 2019 überdauern. Er ist sich allerdings klar darüber, dass er seine Bestzeiten auch seinem Hightech-Schwimmanzug verdankt, der 2010 verboten wurde. „Deshalb hoffe ich, dass bald ein Schwimmer meine Zeiten unterbietet."

Biedermann genießt es, wenn ihn wildfremde Menschen auf der Straße auf seine Erfolge ansprechen. Er selbst hat kaum noch detaillierte Erinnerungen: „Es war so überwältigend, und nach den Erfolgen strömte so viel auf mich ein, dass ich das anscheinend nur wie im Rausch wahrgenommen habe", betonte er im Juli bei „ntvSport.de".

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