In Zeiten ständig wechselnder Trends zählt der schwarze Rollkragenpullover zu den unvergänglichen Klassikern im Kleiderschrank. Und doch bereitet es einige Mühe, ihn in den Designer-Kollektionen auf den Laufstegen des Winters ausfindig zu machen.
Wenn frau sich aktuell auf der Suche nach neuen Designer-Rollkragenpullovern durchs Internet googelt, wird sie schnell erstaunt und vielleicht auch ein bisschen frustriert feststellen, dass die Einträge zu diesem doch eigentlich wenig ungewöhnlichen Sujet ziemlich überschaubar sind. Auch die alternative Suchanfrage „Turtleneck" bringt auf englischen Seiten kaum mehr Ergebnisse. Ein seltsamer Befund, zählen doch Rollkragenpullover längst zu den Klassikern oder Basics der Damengarderobe und sind daher fester Bestandteil des Sortiments so ziemlich jeden Ladens oder jeder Boutique sowie Bestandteil des heimischen Kleiderschranks.
Das Magazin „Elle" hat in einem ausführlichen Überblick über die Pullover-Trends der Saison einen camelfarbenen Rolli von Max Mara als erwähnenswert befunden, weil Camel-Pullover neben bunt gestreiften und Animal-Print-Pullis diesen Winter besonders angesagt sind. Das Fashion-Portal glowsly.com hat sogar ein regelrechtes Comeback des Turtlenecks im Zuge der Rückbesinnung vieler Designer auf die 70er-Jahre verkündet und dafür einige Beispiele von den Laufstegen angeführt. Bei Tom Ford wurden die Rollis unter Blazern getragen. Bei Versace haben die bunten Turtlenecks den Looks eine gewisse Ruhe verliehen. Und auch bei Labels wie Victoria Beckham, Tibi, Céline oder Jacquemus waren die Models in neuen Rollis über die Catwalks stolziert. Neben glowsly.com haben auch die Online-Mode-Insider von refinery29.com den Rollis derzeit wieder Trendpotenzial bescheinigt und sie als „quite sexy" deklariert. Das Hauptaugenmerk hatten sie allerdings auf mehr oder weniger kurze Mini-Turtleneck-Dresses gelegt.
Zu Unrecht ein spiessiges Image
Die „Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) hat drei Exemplare in den aktuellen Kollektionen von Balenciaga, Valentino und dem Schweizer Jung-Label Ottolinger ausfindig machen können. Und dabei sogar von Neuinterpretationen des Klassikers gesprochen. Da wir uns mit dem winzigen Angebot der „NZZ" nicht zufrieden geben wollten, haben wir das Mode-Suchportal lyst.de zu Hilfe genommen. Und siehe da: Immerhin 2.480 Treffer nach der Eingabe von „schwarzer Rollkragenpullover" in die Maske, von so ziemlich allen Nobel-Marken dieser Welt. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Klassiker als so selbstverständlich angesehen wird, dass er bei der Vorstellung aktueller Kollektionen gar nicht mehr eigens erwähnt wird. Dabei hatte die „Vogue" noch vor einigen Jahren den schwarzen Rolli als Allzweckwaffe für ein abendliches Rendezvous beschrieben: „A cropped black turtleneck is the perfect winter date-night piece." (Ein verkürzter, schwarzer Rollkragen ist das perfekte Teil für ein Date im Winter).
Und dennoch haben Rollis ein leicht spießiges Image, allerdings völlig zu Unrecht. Gerade Frauen mit üppigem Busen profitieren von schwarzen Rollkragenpullovern, da die Oberweite weniger groß wirkt. Auf jeden Fall sollten auch einige weitere Tragetipps beachtet werden. Frau kann mit einem körpernahen schwarzen Modell dem Beispiel von Audrey Hepburn oder Jackie O. folgend ihre elegante Linie betonen, wobei dann Kombi-Partner wie schmal geschnittene Stoffhosen oder auch Kick Flare Jeans geradezu ideal sind. Oder frau möchte dem legendären Pariser Chic auf die Spur kommen und interpretiert den Look lässig-maskulin durch das Reinschlüpfen in den schwarzen Rolli zu weiten Blazern, Mützen und flachen Schuhen. Streetstyle-Stars präferieren die rockige Variante und tragen den „Blacky" zu Leder, Nieten, Jeans und coolen Parkas.
Vergangenen Winter hatten verschiedene Medien wie das Münchner Boulevardblatt „Abendzeitung" den Rolli als absoluten Favoriten der It-Girls und Influencerinnen auf deren Instagram-Accounts herausgestellt und als Beleg dafür vor allem auf Caro Daur und Olivia Palermo verwiesen. Ein Pullover in der Nichtfarbe hat viele Vorteile: Er passt zu jedem Typ, Schwarz ist praktisch und saisonunabhängig, Schwarz macht schlank und steht für Reife, Seriosität und Machtanspruch und Schwarz ist der perfekte Layering-Partner. Kein Wunder daher, dass der schwarze Rolli meist in einer Reihe mit Basics wie dem Kleinen Schwarzen oder dem schwarzen Blazer genannt wird.
Die „NZZ" brachte noch einen weiteren Pluspunkt ins Spiel: „Der schwarze Rollkragenpullover ist so zeitlos, weil er wandelbar ist." Gerade in Zeiten, da die Fashionwelt laut „NZZ" ein wenig wegkommen möchte von schnelllebigen Hypes, seien Modelle, die nicht ständig neu gekauft werden müssen und daher auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte in der Mode eine immer größere Rolle spielen könnten, eine erstklassige Wahl. Damit könne zwar kein neuer Trend ausposaunt werden, dafür könne aber die Trägerin ihre eigene Persönlichkeit viel besser in den Vordergrund stellen.
Sein Durchbruch gelang etwa in den 50er-Jahren
Auch in der Menswear ist der schwarze Rolli längst dank Vorbildern wie Steve McQueen oder Steve Jobs, bei dem der Rolli gleichsam so etwas wie die tägliche Uniform war, zum Klassiker geworden, dem keine noch so gewaltige Trendwelle etwas anhaben kann. Nicht zuletzt, weil er sich perfekt als Ersatz für Hemd und Krawatte zum Anzug kombinieren lässt wie zu Stoffhose oder Jeans. Das Männermagazin „GQ" gab seinen Lesern jüngst allerdings den dringenden Rat, beim Kauf unbedingt auf Qualität zu achten, kratzige Exemplare erst gar nicht in die engere Wahl zu ziehen, einen hohen Synthetik-Anteil zu vermeiden und am besten nur Rollis aus Merinowolle oder Kaschmir zu erwerben.
Der Ursprung des Rollkragenpullovers entstammte der aufkommenden Sportswear vom Ende des 19. Jahrhunderts und tauchte erstmals vor allem auf dem Golf- und Hockey-Platz, wenig später aber auch schon in der Workwear der Seeleute auf. Ein erstes Modell für Damen wurde 1905 für 85 Cents in Filialen der US-Kaufhauskette Sears angeboten. Mitte der 20er-Jahre emanzipierte sich das gute Stück schnell auch außerhalb der Sportkleidung und wurde damals auch schon in der androgynen Ladys-Fashion sehr populär. Doch der eigentliche Durchbruch gelang dem Rolli in der Damenmode erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nicht zuletzt dank der Pariser Existenzialisten um Juliette Gréco, Jean-Paul Satrre oder Jean Cocteau. Sie machten den schwarzen Rolli in einer figurbetonten Variante zu ihrem Markenzeichen und gleichzeitig zur sichtbarsten Antipode gegenüber der konservativen bourgeoisen Kleidung. Ihrem Beispiel folgten schnell weitere Künstler und Intellektuelle, aber auch die Beatnicks nach dem Vorbild der Liverpooler Fab Four, schließlich waren diese für das Cover ihrer LP „With The Beatles" aus dem Jahr 1963 in schwarze Rollis geschlüpft. Zuvor schon hatte Marilyn Monroe anno 1953 für ein „Life"-Fotoshooting den schwarzen Rolli als Oberbekleidung erwählt. Und bald schon Nachahmerinnen in Lauren Bacall, Eartha Kitt oder Audrey Hepburn gefunden. Spätestens von da an entwickelte sich der Blacky zu einem Klassiker der Alltagsmode.