Die Social-Media-Plattform Instagram ist seit Frühjahr 2018 auf dem E-Commerce-Markt als neuer Player vertreten. Viele Experten trauen dem Onlinedienst zu, dem Internet-Riesen Amazon ernsthafte Konkurrenz bereiten zu können.
Kaum ein Beitrag in den meistgeschätzten Fashion-Medien kommt mehr ohne Hochglanz-Bildchen von Instagram aus. Weil die neusten Trends am besten über den Körper einer bekannten Influencerin an die Frau gebracht werden können. Instagram ist längst zum Wirtschaftsgiganten aufgestiegen, dessen Werbeerlöse im vergangenen Jahr auf 14 Milliarden Dollar geschätzt werden. Mit ihren rund eine Milliarde Nutzern macht die Social-Media-Plattform inzwischen sogar dem Mutterkonzern Facebook als Nummer eins gehörig Konkurrenz – und hat Facebook bei besagter Millennial-Klientel (bis 35 Jahren) längst abgehängt. Der Wert des von Facebook im Jahr 2012 übernommenen Foto- und Storys-Netzwerks wird inzwischen auf 100 Milliarden Dollar taxiert.
Mit dem im Frühjahr 2018 erfolgten Instagram-Einstieg in den E-Commerce durch Etablierung einer eigenen In-App-Shopping-Funktion dürfte der Boom des Bilder-Netzwerks künftig noch größer werden. Die neue Funktion ist nur eine logische Weiterentwicklung der 2016 zunächst nur in den USA getesteten, aber schon ein Jahr später weltweit nutzbaren Shoppable- oder Product-Tags-Funktion. Laut Instagram werden diese bislang monatlich von 130 Millionen Nutzern angeklickt.
Beim „Schnüffeln" animiert werden
Selbst eine ernsthafte Attacke auf den Online-Giganten Amazon mit seinen 300 Millionen User-Accounts halten E-Commerce-Kenner langfristig für möglich. Nicht zuletzt dank des psychologischen Vorteils, der darin besteht, dass Amazon-Kunden die Verkaufs-Plattform in der Regel nur auf der Suche nach einem ganz bestimmten Produkt besuchen, während Instagram-User gleichsam unbewusst und in ungezwungen heiter-elegantem Umfeld beim Betrachten von Fotos oder beim Schnüffeln in Feeds, Posts oder Storys auf interessante Objekte hingeleitet werden können. Auch andere Social Networks wie Pinterest oder Snapchat basteln derzeit fieberhaft an eigenen Shopping-Funktionen. Nur: Wenn sie sich nicht beeilen, dürften sie allesamt weit hinter Instagram das Nachsehen haben.
Vor allem Marketing-Spezialisten beobachten fasziniert und begeistert die neuen E-Commerce-Aktivitäten. „Instagram ist für Millennials heute das, was für frühere Generationen der Teleshopping-Sender QVC war", war diesbezüglich beispielsweise unlängst im US-Tech-Blog „The Verge" nachzulesen. Es gibt derzeit einfach keine andere digitale Plattform, über die die kaufkräftige junge Zielgruppe besser zu einem Kauf verführt werden kann. Laut einem aktuellen Report sind 71 Prozent der Instagram-Nutzer jünger als 35 Jahre. Mehr als die Hälfte der Millennials nutzen zwei aktuellen Studien zufolge Social-Media-Netzwerke wie Instagram regelmäßig, um sich vor dem Kauf genau über ein Produkt zu informieren.
Vor diesem Hintergrund erscheint es logisch, dass Instagram ab 2016 den ersten Schritt hin zu einer eigenen Shopping-Funktion gemacht hatte. Womöglich auch auf Drängen großer Marken oder Retailer hin, die in shoppable Posts eine lukrative Möglichkeit zum Promoten und Verkaufen ihrer Produkte erkannt hatten. Instagram eröffnete diesen Interessenten durch Platzierung von Stickern auf bestimmten Produkten in Feeds, Posts, Storys oder auf Fotos entsprechende Verkaufshilfen. Sobald ein User das Symbol angeklickt hatte, wurden ihm die Produkte mit Marke und Preis genauer vorgestellt und anschließend automatisch eine Verbindung zur Webseite der Marke oder des Händlers hergestellt. Diese Lösung war aber noch nicht das Gelbe vom Ei. Viele User fanden es nervig, weil sie bei echtem Kaufinteresse das Produkt nicht direkt bei Instagram erwerben konnten, sondern den langatmigen Umweg über die Anbieter-Webseite mit Registrierung, Einloggen und dem oftmals aufwendigen Suchen nach dem gewünschten Artikel auf sich nehmen mussten.
Dieses Manko hat Instagram im Frühjahr vergangenen Jahres durch die Etablierung einer eigenen Shopping-Plattform behoben. Das Feature trägt den offiziellen Namen „Checkout on Instagram". Instagram stieg damit offiziell in den E-Commerce ein und läutete damit eine neue Phase des Social Commerce ein. Der Online-Kauf von in Fotos abgebildeten Artikeln ist seither über einen Klick direkt in der App möglich. Der Umweg über den Marken-Online-Shop entfällt. Stattdessen kann nach Auswahl von Größe und Farbe des Produkts in den Checkout-Modus gewechselt und die Bestellung bei Instagram direkt nach einmaliger Kundenregistrierung mit Kreditkarte oder via Paypal abgeschlossen werden, Informationen über Bestellung und Versand werden als Insta-Nachrichten auf dem Smartphone angezeigt.
Instagram als Showroom
Der kleine Haken an der Sache: Es ist zunächst einmal nur ein auf die USA beschränkter Testlauf mit 22 Marken aus der Mode- und Beauty-Welt sowie einer Handvoll ausgewählter Influencer. Es wird aber wohl nicht allzu lange dauern, bis auch der Rest der Welt Zugriff auf dieses neue Feature haben wird. Schließlich hatte Instagram auch 2016 die erste Shopping-Testphase mit 20 Marken relativ schnell erfolgreich abgeschlossen. Die an der Testphase der Checkout-Funktion beteiligten Unternehmen zahlen einen ungenannten Mitmach- und Provisionsbeitrag. High-Street-Fashion-Labels wie Zara oder H&M sind ebenso vertreten wie Luxusmarken wie Prada und Burberry oder Beauty-Brands wie Mac Cosmetics oder Kylie Cosmetics.
Für all diese Marken ist Instagram zu einer Art exklusivem Showroom geworden. Es gibt auch zunehmend Firmen, die als eine Art „Native Instagram Brands" ihr Geschäftsmodell ausschließlich auf diesem sozialen Netzwerk aufbauen. Im Unterschied zu normalen Webshops kann Instagram User viel konkreter mit den entsprechenden Triggern ansprechen. Wie groß der Einfluss inzwischen als Inspirationsquelle geworden ist, lässt sich daran ablesen, dass bei Ladenneueröffnungen das Ambiente immer häufiger so gestaltet wird, dass es den perfekten Rahmen für die geradezu exzessiv-beliebten Selfies der Instagram-Follower darstellen kann.
Influencer können künftig noch stärker von ihrem Instagram-Auftritt profitieren, denn es wurde eine spezielle Funktion namens „Instagram Shopping for Creators" eingerichtet, um die von den Ladys getragenen Klamotten direkt für den Kauf taggen zu können. Der Einfluss der Influencer wird daher nicht zuletzt dank Instagram künftig noch weiter anwachsen. Laut aktueller Untersuchungen lässt sich jeder in Influencer investierte Dollar im Schnitt zu einem Mehrwert von etwa fünf Dollar verwandeln.
Die größte Gefahr für Instagram als neue E-Commerce-Größe dürfte darin bestehen, sich zu weit von den eigenen Wurzeln als Bilder-Plattform zu entfernen und sich nach und nach in einen reinen Werbekanal zu verwandeln. Nach Ansicht aller Experten würde das die Mehrheit der User nicht mittragen. Die bei Instagram involvierten Marken gehen das nicht ganz unerhebliche Risiko ein, ihre Kundenbindung und ihren direkten Klientel-Kontakt zu verlieren, weil sie von Instagram datenmäßig nur noch mit dem Nötigsten versorgt werden dürften.