Faltbare Smartphones sind der neueste Trend der Branche. Während Samsung, Huawei und Royole auf kleine Aufklapp-Tablets setzen, geht Lenovos Motorola Razr einen anderen Weg. Ein Erfahrungsbericht.
Das Klapphandy Motorola Razr V3 gilt als Meilenstein der Technik-Geschichte: Das Mobiltelefon mit zwei Bildschirmen begeisterte 2004 mit seinem dünnen Profil und dem aufsehenerregenden Klappmechanismus. Nun wagt der US-Hersteller Motorola, der inzwischen zum chinesischen Technologiekonzern Lenovo gehört, eine Neuauflage. Das aktuelle Modell kommt als modernes Android-Smartphone zum Zusammenklappen.
Vor Motorola haben bereits drei faltbare Smartphones aus Asien Schlagzeilen gemacht: das Samsung Fold, das Huawei X und das Royole Flexpai. Das sind Tablets, die sich zu einem pummeligen Smartphone zusammenklappen lassen. Das neue Razr dagegen ist mit 6,9 Millimeter ein überraschend flaches, ultrakompaktes Gerät, das sich zu einem schlanken Smartphone mit einem 6,2-Zoll-Display ausfalten lässt. Im Gegensatz zur Konkurrenz liegen bei Motorola Razr die Bildschirmflächen im zusammengeklappten Zustand ohne Spalt flach aufeinander. Motorola biegt das Display nicht um ein Gelenk, sondern legt den Falt-Bildschirm zwischen zwei außenliegende Scharniere. Beim Zusammenklappen dehnt sich das Display in einem tropfenförmigen Bogen an der Knickstelle im Gehäuse aus.
Während einer Vorführung in London, auf dem Journalisten aus Europa einige Stunden lang das Razr ausprobieren konnten, hinterließ die Klappmechanik einen ausgereiften Eindruck. Offenbar konnte Motorola von den Erfahrungen im Mutterkonzern Lenovo profitieren, die seit vier Jahren faltbare Tablets und Notebooks mit teils extrem ausgefeilten Scharnieren im Programm haben. Jenseits des klugen Klappmechanismus kommt das Motorola recht unspektakulär daher. Im Innern werkelt mit dem Snapdragon 710 ein Mittelklasse-Chip. Es stehen sechs Gigabyte Hauptspeicher (RAM) und 128 GB Datenspeicher zu Verfügung, die leider nicht erweitert werden können.
Klappmechanik mit ausgefeilten Scharnieren
Das biegsame Hauptdisplay kommt auf eine Auflösung 2.142 mal 876 Pixel, das ist nicht einmal Full-HD. Stören tut das aber nicht. Das Bildseitenverhältnis von 21:9 ist ideal für das Abspielen von Filmen im Cinemavision-Format ohne dunkle Streifen am Bildschirmrand. Das kleinere zweite Display an der Außenseite kommt auf 600 mal 800 Pixel.
In dem schmalen Gehäuse des Razr bleibt wenig Platz für die Stromversorgung. Im Gehäuse stecken zwei Akkus, die zusammen auf eher magere 2.500 Milliamperestunden (mAh) Kapazität kommen. Wie lange das im Alltag reicht, ließ sich in London nicht testen. Es bleibt auch kein Platz für eine herkömmliche SIM-Karte. Das Razr muss mit einer sogenannten eSIM betrieben werden. Das ist ein im Gerät fest eingebauter Chip, der die klassische SIM-Karte aus Kunststoff ersetzt. Das schränkt allerdings die Provider-Auswahl ein, denn viele Discounter beispielsweise bieten noch keine eSIM-Profile an.
Für Fotos gibt es eine 16-Megapixel-Kamera von Sony. Diese Hauptkamera kann auch für Selfies verwendet werden, wenn man das Smartphone zusammengeklappt lässt. Die Fünf-Megapixel-Kamera an der Innenseite braucht man eigentlich nur für Videochats. Mit aktuellen Spitzen-Foto-Smartphones kann das Razr dem ersten Eindruck nach nicht mithalten. Dafür kann man beim Razr die Kamera mit einem Twist aktivieren: Wenn man das Smartphone zweimal rasch mit dem Handgelenk hin und her dreht, startet die Kamera-App. Das ist wirklich ganz praktisch.
Preis ist mit 1.600 Euro eine echte Hausnummer
Wichtig für den Markterfolg des Razr wird die Frage sein, wie empfindlich es im Alltag ist. Wie die Faltsmartphones von Huawei und Samsung ist auch das Razr nicht staub- und wasserdicht. Es fühlt sich allerdings deutlich robuster an als die Konkurrenz. Natürlich wird bei der Kaufentscheidung der Preis eine Rolle spielen. Es soll 1.600 Euro kosten. Das liegt nur knapp unter dem Preis, den Apple für das große iPhone 11 Pro Max mit 512 GB verlangt. Samsung verlangt allerdings für das Galaxy Fold mit 2.100 Euro noch viel mehr.
Letztlich ist das Razr ein interessantes Kompaktgerät und ein ziemlicher Hingucker – und es passt auch in die kleinste Hosen- oder Handtasche. Leider muss man Abstriche bei der Kamera und vermutlich auch beim Akku machen.
Wer sich jetzt in Deutschland auf die Wiederauferstehung des klassischen Klapphandys freut, muss allerdings noch einige Monate warten. Motorola will das Razr zunächst auf den Heimatmarkt USA bringen, in Europa sind zuerst die Kunden in Großbritannien und Italien dran. In Deutschland soll die Klappe irgendwann im dritten Quartal 2020 fallen.