Bei den Männern ist Alba Berlin längst eine gestandene Größe im deutschen Basketball. Nun will der Club auch bei den Frauen durchstarten. Mit Hilfe der schon vorhandenen Strukturen soll das jetzige Zweitligateam binnen drei Jahren in die DBBL aufsteigen.
Die Spielerinnen von Alba Berlin wussten nicht so recht, ob sie sich ärgern oder freuen sollten. Die Basketballerinnen hatten soeben ihr Heimspiel gegen das BBZ Opladen knapp verloren, doch der Blick in die Gesichter verriet, dass das an diesem Novembertag nicht das Wichtigste war. Aufgrund der besonderen Umstände war es trotzdem ein Spiel, an das sich alle Beteiligten noch lange zurückerinnern werden.
Normalerweise bestreiten die Alba-Frauen ihre Heimspiele in einer der Nebenhallen der Max-Schmeling-Halle. Doch an diesem Nachmittag durften sie zum ersten Mal in der großen Mercedes-Benz Arena ran, in der sonst nur die Männer ihre Auftritte absolvieren. Erstmals hatte Alba einen Doppelspieltag organisiert: zunächst die Frauen gegen Opladen, danach die Männer gegen Oldenburg. Es war ein weiterer Beleg, dass man es in Berlin auch mit dem weiblichen Basketball ernst meint. 2.100 Zuschauer besuchten das erste Spiel – das war neuer Zweitliga-Rekord und auch sonst ein absoluter Spitzenwert im Frauenbasketball, wo selbst in der Ersten Liga nur selten vierstellige Besucherzahlen erreicht werden. „Das war ein einmaliges Erlebnis", sagte Ex-Nationalspielerin Ireti Amojo. Und auch Spielmacherin Lena Gohlisch meinte: „Es war eine super Erfahrung, vor dieser Kulisse zu spielen."
Ende September sorgten die Frauen bei Alba schon mal für Schlagzeilen, allerdings in anderer Form. Damals hatte der Verein entschieden, zur neuen Saison auf seine Cheerleader, die Alba Dancers, zu verzichten, was zu einer regen Debatte über Emanzipation und die Rolle von Frauen im Sport geführt hatte. Über die Jahre habe sich im Club die Wahrnehmung verfestigt, so Albas Geschäftsführer Marco Baldi, „dass Frauen bei Alba vor allem für die tanzende Pausenunterhaltung zuständig sind, während Männer Basketball spielen". Doch nun sei man „zu der Überzeugung gekommen, dass das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller bei Sportevents nicht mehr in unsere Zeit passt". Stattdessen wolle man in Zukunft noch stärker Basketball spielende Frauen fördern.
„Ein einmaliges Erlebnis"
Und Alba wäre nicht Alba, wenn man sich dabei nicht hohe Ziele setzen würde. „Unser Ziel ist es, mit den Frauen ebenfalls in die deutsche Spitze vorzustoßen", erklärte Manager Marco Baldi in der „Berliner Morgenpost". In einigen Jahren wolle man um die deutsche Meisterschaft mitspielen. Bislang decken sich Anspruch und Wirklichkeit noch nicht: In der Nordstaffel der Zweiten Liga belegen die Berlinerinnen momentan nur einen Platz im unteren Mittelfeld. Trotzdem halten die Albatrosse an ihren Bundesligaplänen fest. „Bis dahin ist es zwar noch ein weiter Weg. Aber das Potenzial und das Know-how sind in jedem Fall vorhanden, um über kurz oder lang dort hinzukommen. In drei Jahren wollen wir auf jeden Fall erstklassig spielen", sagte Baldi.
„Wenn sich ein Club wie Alba engagiert, gibt das dem Frauenbasketball in Deutschland insgesamt einen zusätzlichen Schub", meinte U18-Nationalspielerin Victoria Poros ebenfalls in der „Berliner Morgenpost". Im Falle eines Aufstiegs wäre Alba neben der BG Göttingen der einzige Verein, der bei beiden Geschlechtern in der Bundesliga spielt. Auch der FC Bayern München und Brose Bamberg hatten in der Vergangenheit zeitweise ein Frauenteam, doch mittlerweile haben sich beide Clubs wieder aus dem Frauenbasketball verabschiedet.
Dagegen soll es bei den Albatrossen jetzt erst richtig losgehen. Nachdem die Berlinerinnen in der vergangenen Zweitligasaison lediglich zwei Spiele gewinnen konnten und in den anderen zum Teil deutlich unterlegen waren, fallen die Ergebnisse in diesem Jahr schon sehr viel knapper aus. „Das ist schon einmal ein deutlicher Fortschritt", meint Ireti Amojo, wenngleich gerade in den engen Spielen bislang meist der Gegner das bessere Ende für sich hat. „Wir sind noch eine sehr junge Mannschaft, deshalb fehlt uns in solchen Situationen noch ein wenig die Erfahrung", erinnert Lena Gohlisch.
Ziel ist die deutsche Meisterschaft
Um die jungen Spielerinnen zu führen, hat Alba mit der Amerikanerin Erika Livermore in dieser Saison auch erstmals eine Profispielerin aus dem Ausland verpflichtet, die natürlich Top-Scorerin ist. Ansonsten aber setzt man auch weiterhin in erster Linie auf Spielerinnen, die im eigenen Verein ausgebildet wurden. „Wir haben bereits heute die mit Abstand größte Mädchen- und Frauenbasketball-Abteilung Deutschlands", sagt Marco Baldi. Diese soll die Basis für den künftigen Erfolg bilden.
Aus Berlin mischten in den 1990er-Jahren zuletzt City Basket und Wemex Berlin im Oberhaus mit. Wemex schaffte es sogar ins Finale um die deutsche Meisterschaft und in den Europapokal, ehe der Club nach dem Rückzug des Hauptsponsors bankrottging. Heute sind es vor allem kleinere Standorte, die in der DBBL vertreten sind: Keltern, Wasserburg, Nördlingen – die Hauptstadt wäre da eine andere Hausnummer.
Und während die finanziellen Mittel vielerorts begrenzt sind und selbst in der Bundesliga viele Vereinsleitungen noch auf Ehrenamt beruhen, profitieren die Alba-Frauen von den bereits vorhandenen Strukturen der Männerabteilung, etwa was die medizinische Betreuung angeht. Die Spielerinnen haben eine eigene Athletiktrainerin, einen Physiotherapeuten und eine Sportpsychologin, zudem sind sie seit dieser Saison Teil des clubeigenen Spielerentwicklungsprogramms. Auch deshalb wird das Projekt über die Stadtgrenzen hinaus mit großem Interesse verfolgt. DBBL-Geschäftsführer Achim Barbknecht sieht in Alba Berlin ein Vorbild für die Entwicklung des Frauenbasketballs. Bereits vor einem Jahr forderte er im Basketballmagazin „BIG": „Wir müssen im Frauenbasketball noch stärker in Richtung Hauptamt gehen und die Öffentlichkeitsarbeit verstärken. Bei beidem können die Männer mit ihren Strukturen helfen. Darüber würden wir Kanäle erreichen, an die wir sonst gar nicht herankommen." Auch der Ligavorsitzende Andreas Wagner meinte damals schon: „Da können wir uns einiges abgucken, was die Produktentwicklung betrifft."