Ab diesem Jahr sollen sich die WTA-Tennisspielerinnen bei den „Grass Court Championships Berlin" und in Bad Homburg auf den Grand Slam von Wimbledon einstimmen. Tennis-Deutschland dreht im neuen Jahr im Premium-Modus auf.
Während andernorts Schneeweiß das Grün bedeckte, bereiteten Barbara Rittner und Julia Görges mit Spaten das Erdreich des Steffi-Graf-Stadions im Grunewald auf Rasen vor. Die Zukunft zieht ein ins altehrwürdige Tennisstadion, das 2008 nach der deutschen Golden-Slam-Siegerin (alle vier Grand-Slam-Turniere und Olympia-Gold in einem Jahr) benannt worden war. Ein Ausrufezeichen für großen Sport war das. Denn Steffi darf nicht nur auf 22 Grand-Slam-Titel stolz sein. So lange wie Graf – 377 Wochen – hielt sich keine andere Spielerin auf Platz eins der Weltrangliste des Frauen-Tennisverbandes WTA. Gerade noch rechtzeitig kam die Namensgebung, bevor der Anlage des LTTC Rot-Weiß Berlin, auf der sie neunmal gewann, die Puste ausging. Nach dem Aus der German Open – ebenfalls 2008 – fehlten Geldmittel von Großveranstaltungen. Auch wenn der Davis Cup 2016 mal vorbeischaute.
Mit einem Rasenevent nach englischem Vorbild, den „Grass Ccourt Championships Berlin", die erstmals vom 13. bis 21. Juni ausgetragen werden, endet die Ödnis. Bundeskanzlerin Angela Merkel sputete sich, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Barbara Rittner, „Head" bei den Frauen wie Boris Becker bei den Männern im Deutschen Tennisbund (DTB), ist Turnierdirektorin. Sie bemüht sich um große Talente und bekannte Stars der Tennisszene für den Wettbewerb der hohen Kategorie „Premier", der mit 850.000 Dollar Preisgeld ausgestattet werden soll. Angemessen wäre, wenn etwa Simona Halep, die in Wimbledon vergangenes Jahr den Titel holte, Garbiñe Muguruza Blanco, die 2017 siegte, oder Serena Williams, der Mitglieder der englischen Königsfamilie viermal die Trophäe der Rasenkönigin überreichten, im Steffi-Graf-Stadion an den Start gingen. „Zurück in Berlin zu sein und zu wissen, dass wir ab 2020 hier wieder ein WTA-Turnier spielen werden, ist fantastisch", sagte Rittner, die unter anderem die „Golden Girls" Angelique Kerber, Julia Görges, Sabine Lisicki und Andrea Petkovic mit auf die Erfolgsspur brachte.
Der All England Club versucht schon länger, mehr Einfluss auf die Turniere auf der „Road to Wimbledon" zu gewinnen. Der österreichische Veranstalter Edwin Weindorfer, der gerade die Lizenz des ATP-Turniers in Antalya nach Mallorca geholt hat, zeigt sich für diese Intention offen. Ab 2020 organisiert er binnen drei Wochen mit seiner Agentur drei Rasenturniere: den Mercedes Cup in Stuttgart, das neue Turnier der Männer auf Mallorca und mittendrin das begrünte WTA-Turnier in Berlin.
„Ich freue mich riesig darauf, dabei zu sein"
Auf der „Straße nach Wimbledon" fand sogar Ian Hewitt, Vize-Chef des Wimbledon-Clubs, den Weg in den Grunewald und erklärte mit englischer Noblesse: „Wir vom All England Club fühlen uns verpflichtet, unseren Teil zu einer starken und erfolgreichen Rasensaison beizutragen und sicherzustellen, dass die Spielerinnen und Spieler im Vorfeld der Championships in Wimbledon die besten Möglichkeiten vorfinden, um auf Rasen zu spielen und zu trainieren."
Drei von 19 Sandplätzen, auf denen von 1979 bis 2008 mit den German Open ein hochklassiges, internationales Turnier in der Tennisszene fest verhakt war, verwandelt der traditionsreiche Berliner Club am Hundekehlesee deshalb mit britischer Akkuratesse in Rasen-Courts, die dem Londoner Vorort ebenbürtig sein sollen.
Görges ist eine der erfolgreichsten deutschen Spielerinnen dieses Jahrzehnts und hat als Wimbledon-Halbfinalistin von 2018 ein Händchen fürs grüne Tennis. Deshalb griff sie sich im November ebenfalls einen Spaten. Es gibt viel zu tun, nicht nur vor der 7.000 Zuschauer fassenden Tribüne mit dem Schriftzug „Steffi-Graf-Stadion": Ein weiterer Grandstand-Court plus ein dritter Match-Platz sollen mit englischem Rasen besät werden. „Wie in der Vergangenheit, wird Berlin auch in der Zukunft zu den großen Höhepunkten auf der Damentour zählen. Deshalb freue ich mich schon riesig darauf, hier mit dabei zu sein", sagte die Norddeutsche. Drei zusätzliche Rasenplätze sollen im sieben Kilometer entfernten Olympiapark entstehen. Letztere – gedacht zum Trainieren – baut der Berliner Senat mit extra viel Tempo.
Angie Kerber winkte 2018 als erste Deutsche seit Graf in Wimbledon vom Balkon der Sieger. Die Kielerin hat wie Görges für Berlin zugesagt. Damit nicht genug: In der darauffolgenden Woche soll in Bad Homburg ein zweites WTA-Turnier auf Rasen neu starten, um auf Wimbledon vorzubereiten. Mit Originalsamen. „Ein Traum von mir wird wahr: ein Rasenturnier in Deutschland mit Wimbledon-Flair für alle Tennisfans", teilte Angie dazu mit. Vom 20. bis 27. Juni soll die dreimalige Grand-Slam-Siegerin nicht nur als Spielerin antreten, sondern gleich ihre künftige Wirkungsstätte begutachten: Kerber wird nach ihrer aktiven Karriere Turnierdirektorin in Bad Homburg. Beim Spatenstich vertrat sie ihr Manager Aljoscha Thron, auch wenn die 31-Jährige selbst schon mal ein wenig mitorganisierte.
„Ich mag ihn, er ist ein großes Talent"
Kerber hatte dennoch genug Zeit, um einen neuen Trainer zu finden. Auf Twitter schrieb Deutschlands derzeit beste Spielerin im November: „Ich bin sehr glücklich, mitteilen zu können, dass Didi Kindlmann als neuer Coach in mein Team kommt." Der Allgäuer brachte Madison Keys ins Finale der US Open und ist seit insgesamt sieben Jahren mit wechselnden Damen ziemlich erfolgreich auf der WTA-Tour unterwegs. Einmal mehr setzt Angie auch auf ihre Fitnessqualitäten. Deshalb bat sie den Italiener Marco Panicci, der Novak Djokovic mächtig in Schwung gebracht hat, ihr künftig bei ihrer Athletik zu helfen.
Görges ist ebenfalls mit neuem Coach unterwegs: Jens Gerlach, bisheriger Fed-Cup-Chef, hat seine Bewährungsprobe in Linz und Luxemburg als Julias exklusiver Trainer bestanden. Der 46-Jährige weiß, wie die WTA-Tour läuft, und wie man seinen Schützling zum Grand-Slam-Titel führt. Mit der Russin Anastasia Myskina gelang das Gerlach vor 15 Jahren bei den French Open.
Öfter mal was Neues gibt es bei Alexander („Sascha") Zverev, zumindest in Sachen Management, Trainer und Privatleben. Trotzdem beendete er drei Jahre in Folge die Saison in den Top Ten. Bei den ATP Finals in London, wo der Hamburger bis ins Halbfinale kam, erzählte Sascha ins Mikrofon, dass er momentan „sehr glücklich" sei. Das verriet auch seine offensive, teils sehr gute Spielweise und die deutliche Reduzierung seiner Doppelfehler-Quote. Nach seiner Augen-Operation verfiel der 22-Jährige beim ebenfalls neuen ATP Cup Anfang Januar in Australien dann allerdings wieder in alte Muster: viele Doppelfehler und sein Verhalten und Auftreten – beschämend.
Legende Boris Becker ist dort Kapitän des deutschen Teams und Ansprechpartner für Zverev. Der liebäugelt auch im Verhältnis zu seinem Mentor mit einer intensiveren Beziehung. Der TV-Sender Sky, der viele Partien der ATP-Tour der Männer überträgt, fragte bei Becker nach. „Ich mag ihn, er ist ein großes Talent. Ich liebe Tennis, jetzt muss man mal die nächsten Wochen abwarten, was passiert", sagte der 52-Jährige zu den Gerüchten um eine trainerähnliche Vertiefung seiner Ratgeber-Funktion.
„Schulische Ausbildung als Priorität"
Zeit, Zverev ständig um die Welt zu begleiten, dürfte das Oberhaupt des deutschen Herrentennis nicht haben. Schließlich kümmert er sich nicht nur um die Talente-Sichtung, sondern kommentiert auch bei Eurosport und BBC. Zum Jahresende gab der dreifache Wimbledon-Sieger in Wiesbaden zudem launig bekannt, dass „endlich" mal einer erkannt habe, dass es noch keine Boris-Becker-International-Academy gebe. In Hochheim am Main will der Ex-Profi, der mit 17 Jahren Wimbledon gewann, mit Initiator und Investor Khaled Ezzedine ein Nachwuchsprojekt richtig groß aufziehen. „Wir reden von der größten Halle der Welt. Ich kenne keine Halle, die 21 Plätze hat", sagte Becker. Mit dem Außenbereich spreche man von insgesamt 39 Plätzen. Rund 270 Kinder und Jugendliche ab der sechsten Klasse sollen dort ausgebildet werden, wohlwollend unterstützt von der Tennis-Ikone.
„Ich sehe mich als Schirmherr: Wo Boris Becker drauf steht, muss auch Boris Becker drin sein", sagte der 52-Jährige zum Sportlichen. Doch die Nachwuchsspieler aus aller Welt sollen vor allem ihr Abitur machen. Er sehe die „schulische Ausbildung als Priorität", auch bei seinen Kindern, sagte der Mann, der nach seinem Wimbledon-Sieg zu schnell erwachsen werden und sich auf Berater verlassen musste. „Alle reden nur von Djokovic, Federer und Nadal. Von den Tausenden, bei denen es nicht geklappt hat, redet keiner", warnte der Familienvater.
Talent hin oder her, Schirmherr Becker ist streng: „Die Kinder gehen vormittags in die Schule und haben am Nachmittag Training. Dann gehen die Eltern auch kein Risiko ein."