Kein deutscher Sportler hat in Nordamerika so viel erreicht wie Dirk Nowitzki. Doch seit vergangenem Sommer befindet sich der einstige Basketballer im Ruhestand. Stattdessen haben sich mit Leon Draisaitl und Max Kepler zwei weitere Deutsche ins amerikanische Rampenlicht gespielt.
Der Edmonton sagt, meint Eishockey. Der rasante Sport prägt die fünftgrößte Stadt Kanadas und hat sie weltweit bekannt gemacht. Nicht zuletzt wegen Wayne Gretzky, den sie nicht nur in Edmonton voller Ehrfurcht „The Great One" nennen. Vier Titel gewann „The Great One" mit den Oilers in den Achtziger Jahren, er hat dabei das Eishockey geprägt wie niemand vor oder nach ihm und Rekorde für die Ewigkeit aufgestellt. Doch all das ist lange her, seit 1990 warten die Oilers auf den nächsten Titel.
Die Hoffnungen, dass dieses lange Warten bald ein Ende hat, ruhen auf dem nächsten Gretzky, genauer gesagt dem „German Gretzky". So nennt man nämlich Leon Draisaitl, seit er als Teenager zu den Prince Albert Raiders in die höchste kanadische Jugendliga wechselte. Dort ist der Konkurrenzkampf hart. Jeder will schließlich zeigen, dass er das Zeug zum Profi hat. Für Draisaitl war es ein Leichtes, diesen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb zu überstehen. Er brillierte mit zahlreichen Toren und Vorlagen und empfahl sich nachhaltig für ein Engagement in der NHL. 2014 griffen die Oilers zu und wählten Draisaitl an dritter Stelle des damaligen Drafts aus. Nie zuvor wurde ein deutscher Spieler so hoch eingeschätzt. Das Vertrauen zahlte der gebürtige Kölner schnell zurück. Nach einem Lehrjahr in der Reservemannschaft avancierte er zum Leistungsträger der Oilers und hat spätestens in der vergangenen Saison auch die letzten Zweifler überzeugt, als lediglich der russische Superstar Alexander Owetschkin einen Treffer mehr erzielte als Draisaitl mit seinen 50 Toren. Der Lohn: die Nominierung zum All-Star-Game, an das sich Draisaitl im Interview mit dem Onlineportal „Spox" gerne erinnert: „Das ganze Event war eine unglaubliche Erfahrung für mich. Alleine jetzt sagen zu können, dass ich dabei gewesen bin, bedeutet mir viel. Es war ein richtig cooles Wochenende."
Mit seinem Nebenmann Connor McDavid bildet der 24-Jährige eines der besten Gespanne der Liga, für die „New York Post" sind sie „ein derart elektrisierendes Duo, wie es das in den letzten Jahren in der NHL nicht mehr gegeben hat". Das Problem daran: Ihren Mitspielern fehlt es an Klasse, seit Jahren verpassen die Oilers deswegen in enormer Zuverlässigkeit die Playoffs. Umso wichtiger, dass Draisaitl und McDavid ihr Niveau im aktuellen Spieljahr noch einmal steigern konnten und Oilers-Partien zu Offensivspektakeln machen. Nach 30 Saisonspielen hatten beide bereits 50 Scorerpunkte auf dem Konto, das gelang zwei Spieler desselben Teams zuletzt 1996. Nach der Hälfte der Saison sind die Oilers damit klar auf Playoffkurs. Es scheint, als wären die insgesamt 68 Millionen US-Dollar, die Draisaitl bis 2025 verdienen wird, gut angelegtes Geld für die Oilers. Dabei wurde diese Summe anfangs noch überaus kritisch beäugt. So viel Geld? Für einen Deutschen? Doch die Tageszeitung „Edmonton Journal" hält den „German Gretzky" mittlerweile sogar für ein Schnäppchen: „Wenn sein Vertrag jetzt auslaufen würde, könnte er rund zwölf Millionen im Jahr verlangen"
Draisaitl wird bereits mit Gretzky verglichen
In seinem nunmehr fünften NHL-Jahr ist Draisaitl in die Liga der absoluten Superstars aufgestiegen. Das ist nicht nur gut für ihn und die Oilers, sondern auch für das deutsche Eishockey. Zwar haben Uwe Krupp oder Christian Ehrhoff schon in der Vergangenheit bewiesen, dass Eishockey made in Germany durchaus Potenzial hat. Doch durch Draisaitl hat sich der Blick der NHL auf Deutschland noch einmal geschärft. So steht mit Moritz Seider bereits das nächste herausragende Talent in den Startlöchern. Der 18-Jährige wurde im Sommer von den traditionsreichen Detroit Red Wings im Draft an sechster Stelle ausgewählt. Derzeit bestreitet er ein Lehrjahr in der Nachwuchsliga, um sich an den Stil und die kleinere Eisfläche in Nordamerika zu gewöhnen. Sein Durchbruch gilt nur noch als eine Frage der Zeit.
Max Kepler hat seinen Durchbruch schon hinter sich. Dass das in Deutschland nur wenige Menschen mitbekommen haben, liegt an der Sportart, der sich der gebürtige Berliner verschrieben hat. Denn so beliebt Baseball in den Vereinigten Staaten auch ist, so unverstanden ist dieser Sport in Deutschland. Das hat aber auch Vorteile. Denn so kann der 26-Jährige auf seinen Heimatbesuchen das seltene Gefühl genießen, nicht erkannt zu werden und ganz unbehelligt einem ganz besonderen Bedürfnis nachgehen: „Ich hole mir immer direkt einen Döner, wenn ich aus dem Flieger steige", gestand er im Interview mit dem Rundfunk Berlin Brandenburg im Rahmen seines jüngsten Besuchs in der Hauptstadt. In seiner Wahlheimat Minnesota ist der Rummel um Kepler natürlich um einiges größer.
Und das, obwohl dort kaum jemand seinen vollen Namen kennt. Der lautet nämlich Kepler-Rozycki. Sein Vater Marek ist ein polnischer Balletttänzer, der einst nach Westberlin floh und dort an der Deutschen Oper die gebürtige Texanerin Kathy Kepler kennenlernte. Doch ist Kepler-Rozycki einfach zu lang, um auf das Trikot geflockt zu werden und zudem „für die Amerikaner so kompliziert auszusprechen. Aber ich habe mir überlegt, dass ich in ein paar Jahren den Namen auf dem Jersey einfach mal wechsle. Um meinen Dad ein bisschen zu ehren", erzählte Kepler kürzlich dem „Spiegel".
Kepler verblüfft die Experten
Vier Jahre spielt Kepler nun schon in der Major League Baseball (MLB) bei den Minnesota Twins und hat in den vergangenen Monaten den Sprung zum Star geschafft. Seine 36 Homeruns aus der jüngst abgelaufenen Saison sind die meisten, die je ein Europäer in der MLB geschlagen hat. Laut „Spiegel" eine Leistung, „als würde ein Amerikaner in der Bundesliga 15 Saisontore erzielen." Das brachte die Major League natürlich auf Ideen. Schließlich ist in Deutschland viel Geld zu holen, wenn man den Menschen zwischen Ostsee und Schwarzwald Baseball ein bisschen schmackhaft machen kann. Und was hilft da besser, als ein deutscher Held? Das weiß auch Jim Small. Der MLB-Vizepräsident für Internationale Entwicklung meint: „Einen Held wie Max Kepler zu haben, ist riesig für uns. Er ist das Düngemittel, das uns helfen wird, damit der Sport wächst." Dabei hätte es auch anders kommen können. Denn bevor sich Kepler für Baseball entschied, probierte er sich auch mit Erfolg in Sachen Tennis und Fußball aus und stand sogar für den Nachwuchs von Hertha BSC im Tor. Doch die Komplexität des Baseballs begeisterte ihn am meisten. Damit es mit dem hierzulande so exotisch anmutenden Sport etwas werden konnte, musste Kepler schon früh eine wichtige Entscheidung treffen: „Mit 14 wurde mir die Idee vorgeschlagen, nach Regensburg aufs Internat zu ziehen. Da wurde nur Baseball gespielt. Da wurde es schon ernster, und ich habe miterlebt, wie Scouts bei den Trainings waren, die gemeint haben, ich hätte Potenzial, in Amerika zu spielen. Dafür musste ich Familie und Freunde aufgeben. Aber zum Glück hatte ich die Chance dazu. Das war ein sehr wichtiger Schritt."
Mit jenem Baseballinternat hat sich Regensburg eine Sonderstellung in der Förderung des Baseballs in Deutschland geschaffen. Die MLB fördert die Offensive der Oberpfälzer und unterstützt deren Arbeit mit Stipendien, während der ehemalige Internatsleiter Martin Brunner inzwischen sogar zum Europa-Koordinator der MLB aufgestiegen ist. Brunner hat seine eigene Erklärung für Keplers Erfolg: „Er spielt in komplizierten Situationen so aufwandslos, weil er neue Bewegungsabläufe wahnsinnig schnell lernt. Wo andere schwitzen, da gleitet er." Bereits als 16-Jähriger unterzeichnete der Hochtalentierte einen Vorvertrag bei den Twins und kassierte dafür ein Handgeld von 800.000 Dollar. Nicht schlecht für einen Teenager, aber auch keine Garantie, dass sich der Traum von der Profikarriere wirklich erfüllt. Davor liegen die Mühlen der Nachwuchsteams, die die angehenden Profis vor allem mental vor harte Prüfungen stellen. Denn nur wer das schlecht bezahlte Leben in klapprigen Bussen und miesen Hotelzimmern meistert, gilt als zäh genug für einen Vertrag in der MLB.
Kepler hat es geschafft, obwohl er schon mal daran gedacht habe, aufzuhören. Den Lohn für diese Mühen hat Kepler im Frühjahr unterschrieben. Einen Fünf-Jahres-Vertrag, der ihm 35 Millionen Euro bescheren wird.