Trumps Nahost-Politik besteht aus einer Serie von Irrtümern
War es ein Plan? War es ein emotionaler Impuls, ein Ich-muss-jetzt-endlich-mal-mit-der-Faust-auf-Tisch-hauen-Reflex? Oder war es einfach nur ein Ablenkungsmanöver? US-Präsident Donald Trump zu deuten, ist immer auch ein Stück Polit-Astrologie. Man glaubt daran – oder eben nicht.
Auch über den tödlichen US-Angriff auf den iranischen Top-General Ghassem Soleimani in Bagdad kann man viel spekulieren. Eine Lesart besagt, dass Trump mit der spektakulären Aktion das Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen ihn in den Hintergrund drängen wollte.
Träfe dies zu, wäre es wohl eine Wiederauflage der Clinton-Methode. Der damalige US-Präsident stand wegen des Monica-Lewinsky-Skandals 1998 im innenpolitischen Kreuzfeuer. Das Repräsentantenhaus bereitete ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton vor. Kurz nach seinem Schuldeingeständnis im August 1998 ließ er 75 Marschflugkörper auf TerroristensWützpunkte im Sudan und Afghanistan feuern – angeblich als Vergeltung für Anschläge auf US-Botschaften in Afrika.
Auch Trump muss sich einem Impeachment-Prozess stellen. Mit der Tötung Soleimanis ändert er jedenfalls die politische Agenda in Amerika. Die Angriffsfläche für die oppositionellen Demokraten wird kleiner. Das wäre die Interpretation nach dem Clinton-Muster.
Doch wie auch immer man Trump einschätzt: Seine Iran-Politik ist von folgenschweren Irrtümern geprägt.
Irrtum Nummer 1: Das iranische Volk erhebt sich gegen das Mullah-Regime. Der US-Präsident kalkulierte, die Führung durch harsche Wirtschaftssanktionen in die Knie zu zwingen. Die drastische Reduzierung der Ölexporte würde die Staatskassen leerfegen und den öffentlichen Unmut gegen die Mullahs anstacheln, so die Hoffnung in Washington. Doch nun scharen sich die Iraner um ihre Regierung. Die vielen Millionen Menschen, die an den Trauerfeierlichkeiten für Soleimani teilnahmen, sind ein Indiz dafür. Der General war im eigenen Land äußerst populär – vor allem, weil er die Terrormiliz „Islamischer Staat" (IS) fern hielt.
Irrtum Nummer 2: Der Iran wird aus dem Irak zurückgedrängt. Eigentlich sind die Amerikaner mit dem Irak verbündet. Der gemeinsame Kampf gegen den IS schweißte beide Länder zusammen. Doch bei der US-Raketenattacke auf Soleimani kamen auch fünf Iraker ums Leben. Darunter befand sich der irakische Milizenführer Abu Mehdi al-Muhandis, Vizechef der Hasched-al-Schaabi-Milizen.
Iraks Ministerpräsident übte scharfe Kritik an der US-Aktion. Das Parlament in Bagdad beschloss, dass alle ausländischen Truppen – auch die rund 5000 amerikanischen Soldaten – abziehen sollen. Dass Trump daraufhin dem Irak Sanktionen androhte, zeigt: Er hat nicht den blassesten Schimmer, wie die Region tickt. Die irakische Bevölkerung besteht zu zwei Dritteln aus Schiiten. Das Land wird sich nun noch mehr an den Iran anlehnen, der sich als Schutzmacht der Schiiten versteht.
Sowohl im Iran wie im Irak lässt sich beobachten: Mit seinen öffentlichen Demütigungen weckt Trump den Nationalstolz in der Bevölkerung und stärkt damit die jeweiligen Regierungen.
Irrtum Nummer 3: Die Tötung Soleimanis wird den Iran abschrecken. Der Mullah-Staat wurde durch die Aktion ins Mark getroffen. Experten sprachen von einer „faktischen Kriegserklärung" Trumps an Teheran. Dass die iranische Regierung Vergeltung üben wird, gilt als ausgemacht. Die weltweite Gefahr von Terroranschlägen steigt.
Irrtum Nummer 4: Der Iran stoppt sein Atomprogramm. Das Ziel Trumps rückt in weitere Ferne denn je. Als Konsequenz aus der Tötung Soleimanis hält sich Teheran nicht mehr an die Bestimmungen des internationalen Atom-Abkommens. Es wird künftig Uran in unbegrenzter Höhe anreichern. Der Ausstieg der Amerikaner aus dem Nuklearvertrag, der zumindest für zehn Jahre der Entwicklung von iranischen Kernwaffen einen Riegel vorgeschoben hätte, hat die Lage massiv verschlimmert.
Wohlgemerkt: Die Rolle des iranischen Revolutionsgarden als Unruhestifter im Nahen Osten soll nicht verharmlos werden – ebenso wenig wie die israelfeindliche Politik des Mullah-Regimes. Hier ist eine intelligente Eindämmungspolitik gefragt. Die gezielte Tötung unliebsamer Akteure gehört aber nicht dazu. Krude Drohungen mit der Zerstörung kultureller Stätten ebenso wenig. Trumps Iran-Politik ist fatal und kontraproduktiv.