Mit der Banane droht Deutschlands zweitliebstes Obst womöglich bald aus den Ladenlokalen zu verschwinden. Denn die in Monokultur gezüchtete einzige Weltmarkt-Sorte Cavendish steht kurz vor dem Aussterben.
Bei einer der nächsten Einkaufstouren in den Supermarkt ist zu empfehlen, mal einen genaueren Blick auf ein Produkt zu werfen, das längst zu den Klassikern zählt. Die Rede ist von der Banane, der Deutschen zweitliebstes Obst nach dem Apfel, von der jedermann pro Jahr im Schnitt rund zwölf Kilogramm verzehrt. Das Horror-Szenario, dass die beliebte Frucht vom Aussterben bedroht sein könnte, wurde seit den 90er-Jahren immer mal wieder schlagzeilenträchtig in den Medien an die Wand gemalt. Und zwar immer dann, wenn der dafür verantwortliche Pflanzenschädling von einem Kontinent oder Land auf benachbarte Regionen übergesprungen war. Der durch verwüstete Plantagen gekennzeichnete Weg der sogenannten Panama-Krankheit ließ sich ziemlich genau verfolgen. Er nahm seinen Anfang in Südostasien, um dann nach Australien, den Nahen und Mittleren Osten sowie nach Afrika (Mosambik) voranzukommen. Der Erreger lässt sich nicht stoppen, es gibt kein Gegenmittel. Hat er sich erst einmal im Boden ausgebreitet, kann dort über Jahre oder gar Jahrzehnte keine kultivierte Bananenpflanze mehr gedeihen.
Die größten Bananenkonzerne der Welt, Chiquita/Fyffes, Dole und Del Monte, waren zwar ob der wachsenden Gefahr zunehmend beunruhigt, aber sie hatten ja noch ihren größten Joker im Ärmel: die unversehrten Anbauflächen in Süd- und Mittelamerika. Denn aus Ländern wie Ecuador, Kolumbien, Costa Rica oder Panama stammt das Gros der auf dem Weltmarkt gehandelten Bananen. Der Exportanteil an der weltweiten Bananenernte von insgesamt rund 100 Millionen Tonnen ist mit 15 Prozent vergleichsweise gering, denn die meisten Früchte, 85 Prozent, werden vor Ort in den Anbauregionen konsumiert. Nicht zuletzt deshalb, weil die meisten der auf geschätzt rund 600 weltweit meist nur lokal gedeihenden Bananenarten nicht für einen langen Transport geeignet sind und Koch- oder Wildbananen traditionell in vielen äquatornahen Ländern Asiens, Afrikas und Amerikas als Grundnahrungsmittel ähnliche Funktionen übernehmen wie andernorts Kartoffeln oder Reis.
Mit den lokalen, meist wilden Bananensorten hat der Erreger allerdings nichts am Hut, zumal sie teilweise resistent gegen seine Angriffe sind. Er konzentriert sich stattdessen lieber auf die wehrlose Beute namens Cavendish, die als Monokultur seit gut 60 Jahren den weltweiten Bananenmarkt mit einem aktuellen Anteil von 95 Prozent dominiert. Während wilde Bananenpflanzen erbsengroße Samen enthalten können, ist die Cavendish samenlos, die Frucht entwickelt sich bei ihr ohne Bestäubung. Vermehrt wird Cavendish durch abgeschnittene, in den Boden eingesetzte Triebe, weshalb alle Cavendish-Bananen auf der Welt geklont und damit genetisch absolut gleich sind. Das erleichtert die Arbeit für den Erreger ungemein. Denn wenn es ihm gelungen ist, eine einzige Pflanze zu befallen, gelingt es ihm bei allen anderen ebenfalls. Prof. Gert Kema, einer der berühmtesten Bananenforscher der Welt, von der niederländischen Universität Wageningen: „Bananen sind die schlimmste, verrückteste Monokultur der Welt."100 Millionen Tonnen pro Jahr exportiert
100 Millionen Tonnen pro Jahr exportiert
Als der Erreger Anfang Juni 2019 erstmals auf einer Plantage in Kolumbien aufgetaucht war, genauer gesagt in der Region La Guajiran an der karibischen Küste, wurde in Lateinamerika, dem mit Abstand wichtigsten Bananenproduzenten der EU, sogleich die Warnstufe Rot ausgerufen. Die kolumbianische Landwirtschaftsbehörde erklärte sogleich den nationalen Notstand und ließ die betroffenen Farmen unter Quarantäne stellen. Was wenig nutzen dürfte, denn der Erreger wird über kontaminierte Wasser-, Boden- oder Pflanzenteile in Windeseile verbreitet, selbst ein paar Brocken Erde unter einem Farmerstiefel sind dafür schon ausreichend.
Wie schnell sich die Pflanzenseuche ausbreiten wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Das in Kolumbien sofort eingeleitete Roden befallener Flächen wird jedenfalls kaum ausreichen, weil es zur Eindämmung des im Boden befindlichen Erregers keinen biologischen oder chemischen Wirkstoff gibt. In absehbarer Zeit ist aber noch nicht mit Lieferengpässen zu rechnen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Bananenlager, zu denen die grün geernteten Stauden nach der Reise per Kühlschiff zum Reifen deponiert werden, noch bestens gefüllt sind. Aber auf Dauer könnte es durchaus zu einem „Bananageddon" kommen, wie es der britische „Independent" schon vor Jahren prophezeit hatte. Auch der Deutsche Fruchthandelsverband schließt das schlimmste Szenario nicht mehr aus: „Zu befürchten ist, dass in absehbarer Zeit keine Bananen der Sorte Cavendish für den deutschen Markt mehr zur Verfügung stehen werden."
Das könnte sich womöglich schon bald in Preiserhöhungen für die noch vorhandenen Früchte bemerkbar machen, die allesamt, auch wenn sie von verseuchten Pflanzen stammen sollten, für den menschlichen Verzehr unbedenklich sind, weil der Pilz, um den es sich bei dem Erreger handelt, nur die Pflanze befällt, nicht aber die Frucht. Auch der Discounter Aldi Süd befürchtet bei weiterem Vordringen des Erregers Bananenengpässe: „Die Verfügbarkeit würde erheblich eingeschränkt." Und der Chiquita-Deutschland-Chef Marc Seidel ließ sich von „Bild" mit der Warnmeldung zitieren: „Die Gefahr ist extrem hoch, dass es die Bananen, die wir kennen, in ein paar Jahren nicht mehr gibt."
Verantwortlich dafür ist der Pilz namens Tropical Race 4 (TR4). Seine kugelrunden Sporen dringen über die Wurzeln in die Bananenpflanze ein, klettern über die Leitbahnen der Staude hoch und verstopfen die Nährstoffbahnen, wodurch die Blätter verwelken, die Pflanze austrocknet und keine Früchte mehr tragen kann. „TR4 kann nicht ausgerottet werden", sagt Randy Ploetz, Professor für Pflanzen-Pathologie von der University of Florida in Homestead. „Der Erreger ist die wohl größte Bedrohung für die Bananenproduktion weltweit."
Tropical Race 4 tötet die Pflanzen
Wie die Bezeichnung TR4 schon vermuten lässt, gab es drei Erreger-Vorgänger. Der nahe Verwandte Tropical Race 1 (TR1) löschte in den 1960er-Jahren die damals global dominierende Bananensorte namens Gros Michel fast völlig aus. Im Unterschied zur aktuellen Situation, wo weit und breit kein Ersatz für Cavendish in Sicht ist, gab es damals eine gegen TR1 resistente Alternative, eben besagte Cavendish.
Nachdem aber immer mehr Plantagen durch TR1 zerstört worden waren, wagte der Vorläufer des heutigen Bananenriesen Dole namens Standard Fruit 1947 den Umstieg auf Cavendish, die Konkurrenten folgten dem Beispiel wenig später. Seit den 60er-Jahren wurde mit Cavendish viel Geld verdient. Allerdings muss den Fruchtkonzern-Giganten und den großen Produzentenländern im Rückblick der Vorwurf gemacht werden, dass sie es sträflich versäumt haben, ausreichende finanzielle Mittel in die Forschung nach Alternativen zu investieren. Es konnte eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis ein neuer Erreger auftauchen würde.
Nun wütet also TR4 gegen die wehrlose Cavendish, eine Alternative ist nicht in Sicht. Es wird natürlich fieberhaft geforscht, vor allem an der niederländischen Universität Wageningen. Dort testet Gert Kema ihm aus aller Welt zugeschickte Wildbananen auf Resistenzen gegen TR4. Kema setzt im Gegensatz zu vielen Kollegen, die sich bei ihren Forschungen vor allem Erfolge durch gentechnische Veränderungen der Bananenpflanzen erhoffen, auf eine Kreuzung von Kulturbananen mit TR4-resistenten Wildbananen. Das dürfte schwierig und zeitaufwendig sein, weil die sich vegetativ vermehrenden Kulturbananen komplexe Vererbungsmuster haben und sich daher nicht so leicht mit den resistenten Wildbananen kreuzen lassen. Aus Australien kamen nach ersten Freilandversuchen bereits etwas voreilige Erfolgsmeldungen über genmanipulierte, vermeintlich TR4-resistente Züchtungen. Ob die europäischen Verbraucher sich allerdings ausgerechnet im Fall Bananen mit genetisch veränderten Lebensmitteln werden anfreunden können, darf nach sämtlichen diesbezüglichen Umfragen der vergangenen Jahre gelinde gesagt bezweifelt werden. Gen-Bananen wird es beispielsweise auch nicht aus einem der Hauptanbau-Länder geben, da in Ecuador der Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen verboten ist.