Der Filmemacher Rosa von Praunheim erhält den Ehrenpreis des 41. Filmfestivals Max Ophüls Preis, das vom 20. bis zum 26. Januar stattfindet. Zudem eröffnet das Festival mit seinem jüngsten Film „Darkroom" und zeigt einige seiner früheren Werke.
Herr von Praunheim, mit ihrem Spielfilm „Darkroom – Tödliche Tropfen" wird das Max Ophüls Festival eröffnet. Der Film basiert auf einem wahren Ereignis und entstand in Koproduktion mit dem Saarländischen Rundfunk, Arte und dem RBB. Was hat Sie an der Geschichte eines Schwulen, der einige seiner Bekanntschaften mit K.-o.-Tropfen umbringt, interessiert?
Das Ganze ist inspiriert von einer Gerichtsreporterin, die den Prozess beobachtet und dokumentiert hat. Sie stellte mir das Material zur Verfügung, das hat mein Interesse erweckt, weil man heute, dadurch, dass die Emanzipation der Schwulen fortgeschritten ist, man auch mal Schwule zeigen kann, die problematisch sind.
Setzen Sie damit nicht einem Mörder ein Denkmal?
Ja, das wird ja ständig gemacht. Jeder Krimi, jede Dokumentation über einen Mörder ist sozusagen auch ein Denkmal – das gehört ja zu unserer Gesellschaft dazu. Wenn wir nur das Böse ausklammern würden, wäre das ja sehr unwahrhaftig. Das hat man in der DDR gemacht, da durfte man nicht über Verbrechen reden, weil das im Sozialismus nicht vorgesehen war.
Wäre es nicht angebracht der Opfer zu gedenken?
Die Opfer kommen ja auch vor in dem Film.
Sie haben auch in Saarbrücken gedreht …
Ich habe nur kurz in Saarbrücken gedreht. Das waren Außenaufnahmen, Stadtbilder und Atmosphären.
Wie haben Sie in der Zeit ihres Aufenthalts Land und Leute erlebt?
Ich habe nur einen Tag in Saarbrücken gedreht, insofern kann ich wenig zu Land und Leuten sagen.
Das Filmfestival Max Ophüls Preis zeichnet Sie mit dem Ehrenpreis für Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film aus. Zwischen 2001 und 2006 lehrten Sie an der Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Was wollten Sie ihren Filmstudierenden mitgeben?
Das ist jetzt eine zu allgemeine Frage. Ich habe ja viele Jahre gelehrt und habe eine spezielle Methode entwickelt. Film ist nicht, wie andere Medien vielleicht, Gedanken in Bilder, sondern Gefühle in Bilder umzusetzen. Das war mir wichtig, dass Studenten begreifen, wenn sie einen Film machen, dass wir über Gefühle reagieren und nicht so sehr über intellektuelle Analysen.
Ihr Dokumentarfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" wurde damals, 1971, vom Bayerischen Fernsehen nicht gezeigt. Heute leben Homosexuelle – zumindest in Deutschland – nicht mehr in einer „perversen Situation". Diesbezüglich hat sich gesellschaftlich doch viel geändert, oder?
Genau, es hat sich vieles geändert. Aber es kommen auch immer wieder Mitbürger aus anderen Ländern, aus anderen Religionen, die einfach diese Homophobie mitbringen. Zum Beispiel ist es für syrische Flüchtlinge, die schwul sind unheimlich schwer, weil das in ihrem Land sehr verachtet wird – genauso auch aus osteuropäischen Ländern.
Sie werden einige ihrer Filme persönlich vorstellen, darunter „Die Bettwurst", ein früher Film von 1971. Der Film handelt von einem Pärchen, das von Dietmars „dunkler Vergangenheit" eingeholt wird. Filme aus den 70ern wirken oftmals richtig alt. Ist gerade das das Reizvolle, oder ist dieser Film zeitlos?
Ich kann ja nur nach dem Publikum gehen. Der Film wird immer wieder angeklickt und ist zum Kultfilm für junge Leute geworden. Das hat sicher damit zu tun, dass diese Methode, mit Laien zu arbeiten, mit echten Laien zu arbeiten, wie mit meiner Tante Luzi und mit Dietmar, dass das damals sensationell neu war. Das hat eine Frische, die einen heute noch interessiert.
Sie werden „Rosakinder" vorstellen. Die Regisseure Julia von Heinz, Chris Kraus, Axel Ranisch, Robert Thalheim und Tom Tykwer haben über ihren Hochschulprofessor Rosa von Praunheim 2012 einen Dokumentarfilm gedreht – ein Geburtstagsgeschenk zu ihrem 70. Was dachten Sie, als Sie den Film zum ersten Mal gesehen haben?
Es ist nicht nur ein Film über mich, sondern auch über die Regisseure selber – das fand ich eben sehr interessant. In der Art, wie sie den Film gemacht haben, kommt sehr stark die Persönlichkeit der einzelnen Filmemacher heraus. Das ist ja eine Gruppe von Leuten, die Karriere gemacht hat. Darauf bin ich sehr stolz, denn das gelingt nicht jedem.
Tom Tykwer hat gesagt, durch Sie habe er eine „imaginäre Tür" geöffnet, die ihn weggeholt habe von der „Straße der Beliebigkeit hinein in die Geheimkammern des Kinos". Er hat seinen Weg gemacht. Was ist es, aus ihrer Sicht, was ein Filmstudierender mitbringen muss?
Natürlich Talent. Das ist ja sehr schwer die Prüfung zu machen an einer dieser großen Filmschulen – das erfordert sehr viel Talent. Wir haben über eine Woche Hunderte von Bewerbern geprüft und davon werden zehn ausgewählt jedes Jahr. Das ist immer noch zu viel, weil es immer noch zu viele Filmschulen gibt. Die wenigsten haben hinterher im Beruf eine Chance.
Sie machen seit 50 Jahren Filme. Empfinden Sie das Filmemachen heutzutage als einfacher oder schwieriger?
Ich glaube, das war immer schwierig. Mit einem künstlerischen Beruf sein Geld zu verdienen, war immer schwierig – zu jeder Zeit und in jeder künstlerischen Sparte.
Sie sind heute 77 Jahre alt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die Absicht haben mit dem Filmedrehen aufzuhören. Irre ich mich? Und: An welchem Stoff arbeiten Sie aktuell?
Ach, es ist so viel. Ich habe immer zehn Projekte gleichzeitig, das betrifft Theater und Film, Bücher und Gedichte, Malerei. Ich plane zu meinem 80. ein größeres Event mit einer größeren Ausstellung und drei neuen Filmen, die ich in Arbeit habe und vier Büchern und so weiter. Es macht unheimlichen Spaß zu arbeiten.
Können Sie sich vorstellen noch einmal im Saarland zu drehen?
Ja, das kann ich mir immer vorstellen. Ich finde eigentlich alles interessant, alle Menschen, alle Gegenden …