Nach intensiver Vorbereitung startet Hertha BSC an diesem Sonntag (19. Januar, 15.30 Uhr) gegen den Rekordmeister in die Rückrunde.
Das neue Jahr begann mit einem wenig schmeichelhaften zweiten Platz: In einer Umfrage des Fachmagazins „Kicker" hatten knapp 240 Bundesligaprofis unter anderem über die größte sportliche Enttäuschung der Hinrunde abgestimmt. In der Auszählung wurde Hertha BSC am Ende lediglich vom SV Werder Bremen „überflügelt" – doch das konnte dem Verein nicht nur aufgrund des zu diesem Zeitpunkt abgehaltenen Trainingslagers im fernen Florida herzlich egal sein. Schließlich hatte man bereits gegen Ende der Hinserie die Weichen (nicht nur) für die nähere Zukunft gestellt: mit dem Einstieg des Investors Lars Windhorst und dessen persönlichem Freund Jürgen Klinsmann, der in Windeseile vom Aufsichtsratsmitglied zum Trainer mutierte, nachdem die Trennung von Ante Covic beschlossene Sache war. Danach – das lässt sich allein an den nackten Zahlen ablesen – fand Hertha BSC zurück in die Spur: Nach der Heimniederlage gegen Dortmund in der ersten Partie unter Klinsmann folgten vier Spiele ohne Niederlage mit acht Punkten Ausbeute. Dazu blieb man dreimal in Folge ohne Gegentor, das hatte es bei der „Alten Dame" zuletzt vor fast vier Jahren gegeben. Auch wenn der Kick zum Teil noch nicht besonders ansehnlich daherkam, Einstellung sowie Kampfgeist stimmten und wurden belohnt. Wichtig jedenfalls, dass man erhobenen Hauptes in die Winterpause gehen konnte.
In dieser bot sich nun erstmals für Klinsmann und Co. die Gelegenheit, die beabsichtigten Veränderungen im Kader und hinsichtlich der Taktik voranzutreiben. Fast schon aberwitzig dabei, wie anfangs prominente Kandidaten für die Berliner publik wurden. Von Mario Götze (Borussia Dortmund) über Julian Draxler (Paris Saint-Germain) bis zu Granit Xhaka (FC Arsenal) verlieh das Ganze auch der neuen Kragenweite Ausdruck, nach der man bei Hertha BSC potenzielle Neuzugänge aussuchen kann. Finanziell sind derartige Transfers durch die Windhorst-Millionen neuerdings darstellbar, ideell aber bedarf es noch besonderer Überzeugungskraft. So war das Berliner Interesse zwar mal mehr, mal weniger deutlich hinterlegt, dennoch muss man sich in Geduld üben. Selbst als „Bankdrücker" bei einem europäischen Top-Club wird man schließlich lange überlegen, ob man zu einem Verein wechselt, der nächstes Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit nicht international spielen wird. Dazu macht der Geldsegen die Verhandlungen nicht unbedingt einfacher. So soll etwa Xhaka zwar Interesse an einem Engagement bei Hertha bekundet haben. Der aktuelle Arbeitgeber des Schweizer Nationalspielers aber blockte, um möglicherweise die Ablösesumme in die Höhe zu treiben. An Götze interessiert, zeigte sich außerdem zuletzt auch Inter Mailand, das sicher finanziell mithalten und dazu eine handfeste internationale Perspektive bieten kann.
Dreimal in Folge ohne Gegentor
So fiel der erste Winterzugang der Berliner – Santiago Ascacíbar wechselte für circa zwölf Millionen Euro vom VfB Stuttgart an die Spree – bezüglich Prominenz und Finanzvolumen zunächst etwas bescheidener aus. Der erst 22-jährige Argentinier hat aber auch schon 56 Bundesligaspiele absolviert und ist A-Nationalspieler seines Landes. Im defensiven Mittelfeld soll Ascacíbar seine Qualitäten – immense Lauf- und Zweikampfstärke – einbringen. Das Vertrauen etwa in die Fähigkeiten von Eduard Löwen, der erst vor der Saison zu Hertha gewechselt war, schien dagegen auf dieser Position von Seiten der neuen sportlichen Führung nicht restlos gegeben. Der gleichaltrige Deutsch-Russe verließ so auf eigenen Wunsch das Trainingslager in Richtung FC Augsburg. Überhaupt ist dem neuen Trainer der Kader zu groß: 25 Spieler sollen es nach den Vorstellungen Klinsmanns sein, mit denen er die Rückrunde angehen will, inklusive des einen oder anderen Neuzugangs. Herthas zahlreiche Youngster (Julian Albrecht, Florian Baak, Maurice Covic, Palko Dardai, Dennis Jastrzembski oder Muhammed Kiprit) liefen dabei inzwischen schon für die U23 auf, Sidney Friede schloss sich Zweitligist SV Wehen-Wiesbaden an. Aber auch bei dem einen oder anderen gestandenen Spieler deutet sich eine Trennung bis spätestens 31. Januar an: Salomon Kalou (34) möchte öfter spielen und sucht einen neuen Verein. Dazu hat der in dieser Spielzeit bislang enttäuschende Ondrej Duda (25) seine Wechselabsichten bereits öffentlich kundgetan, war aber in Florida mit von der Partie. Dem slowakischen Nationalspieler würde man aber im Fall eines an ihm interessierten Clubs sicher keine Steine in den Weg legen, ebenso wie Alexander Esswein (29) oder Mathew Leckie (28).
Selbst das Trainingslager in Florida, das bereits länger feststand, stellte Klinsmann zwischenzeitlich auf den Prüfstand, die weite Anreise missfiel dem früheren Nationalspieler. Wegen bereits vereinbarter Verpflichtungen musste sich der 55-Jährige („Dann müssen wir halt das Beste draus machen") schließlich doch fügen. Allerdings verkürzte er den Aufenthalt Anfang Januar in den USA um zwei Tage und ließ seine Schützlinge als ersten Bundesligisten mit der Vorbereitung beginnen. Zu diesem Zweck strich er freie Tage und ließ die Mannschaft noch vor dem Jahreswechsel mit dem Training beginnen. Selbst am Neujahrstag bat Klinsmann in den Fitnessraum. Nachdem er dem Team wieder zu mehr defensiver Stabilität verholfen hatte, standen in der Spielpause Athletik und Ausdauer ganz oben auf der Agenda. Höhere Laufintensität soll der Mannschaft helfen, das Pressing ohne Ball auf ein höheres Level zu bringen und das eigene System auf Dauer auch durchsetzen zu können. So soll das Spiel quasi automatisch auch ansehnlicher werden. Neben mehr Dynamik will Klinsmann seinem Team obendrein in puncto Offensivkraft auf die Sprünge helfen – so leitete der ehemalige Stürmer die spezifischen Einheiten mit seinen Angreifern zum Teil selbst.
Selbst am Neujahrstag im Fitnessraum
All diese Vorbereitungen sollen bereits zum Rückrundenstart an diesem Sonntag (19. Januar, 15.30 Uhr) greifen: Dann wird der FC Bayern München im Olympiastadion erwartet. Ein guter Gegner, um in das neue Jahr zu starten, schließlich gibt es in Duellen mit dem Rekordmeister generell nicht viel zu verlieren. Hertha BSC hat sich dazu gegen die Bayern zuletzt eine auffällig positive Bilanz erarbeitet. Nur eins der letzten sechs Aufeinandertreffen ging verloren, auf heimischem Platz blieb man dazu dreimal ungeschlagen.