Es dürfte der spannendste Titelkampf seit Jahren in der Fußball-Bundesliga werden. Wohl vier ernsthafte Bewerber für den deutschen Meistertitel gibt es kurz vor Beginn der Rückrunde – in die Serienmeister FC Bayern München nicht von der Pole Position startet.
Neben einem aufsehenerregenden Meisterrennen kämpfen in dieser Saison gleich acht Teams im Tabellenkeller ums Überleben. FORUM checkt die Aussichten der Bundesligisten vor der Rückrunde.
RB Leipzig
Herbstmeister, vier Punkte Vorsprung vor dem FC Bayern, gar sieben vor Borussia Dortmund – Trainer Julian Nagelsmann hat in seinem ersten halben Jahr bei den Bullen ganze Arbeit geleistet. RB Leipzig geht als heißer Meister-Anwärter in die Rückrunde. Sogar als Favorit? Für die Bundesliga-Spieler ja. 43,1 Prozent von ihnen sehen laut einer „Kicker"-Umfrage in Leipzig den nächsten Meister. Nagelsmann geht das Unternehmen gelassen an. Er startete mit seinem Team als Letztes in die Rückrunde und verzichtete auf ein Trainingslager.
Borussia Mönchengladbach
Auch Marco Rose legte in seinem ersten Halbjahr im neuen Job einen Raketenstart hin. Mit Gladbach war er bis weit in den Herbst hinein Tabellenführer. Als wirklich ernsten Titelanwärter sehen viele die Borussen trotzdem noch nicht. Und auch, wenn es für Gladbach in allererster Linie darum geht, den Einzug in die Champions League zu sichern, ist das die kleine Chance der Elf vom Niederrhein. Wie auch die Tatsache, dass die Gladbacher sich nach dem Aus in beiden Pokal-Wettbewerben voll auf die Liga konzentrieren können. So peinlich das Europa-League-Aus auch war.
Bayern München
Nachdem sie mit Niko Kovac nie so recht warm wurden, schwärmen die meisten Spieler vom beförderten Co-Trainer Hansi Flick. Der langjährige Assistent von Bundestrainer Joachim Löw hat nach dem Aufstieg in die erste Reihe Blut geleckt. Eine Rückkehr ins zweite Glied sei für ihn nicht mehr vorstellbar, ließ er wissen. In der Rückrunde muss sich Flick aber weiter beweisen. In einem weiter unruhigen Umfeld, in dem sich die Bayern mit der bevorstehenden Verpflichtung des künftigen Manuel-Neuer-Konkurrenten Alexander Nübel ein weiteres Minenfeld geschaffen haben. Alles in allem wird es eng mit dem achten Meistertitel in Serie.
Borussia Dortmund
Im Sommer wurde der BVB für seine klugen Transfers gelobt und gab auch selbst offen das Ziel Meistertitel aus. Die Hinrunde war trotzdem sehr holprig, Trainer Lucien Favre wurde in der Öffentlichkeit mehrfach angezählt. Mit dem Transfer des europaweit umworben Torjägers Erling Haaland sorgte der BVB für Aufsehen, dafür will nun Paco Alcacer weg. Das Potenzial für eine Aufholjagd haben die Dortmunder grundsätzlich, der Meistertitel ist dennoch unwahrscheinlich.
FC Schalke 04
Dass sie nicht in den Auflistungen der Titel-Kandidaten auftauchen, obwohl sie die Hinrunde punktgleich mit dem Erzrivalen Dortmund abschlossen, stört die Schalker nicht. Nach einer Horror-Saison sind die Ansprüche bescheiden, doch der neue Trainer David Wagner hat die Königsblauen regelrecht wiederbelebt. Die Mannschaft funktioniert, der Schulterschluss mit den Fans ist gelungen. Der bevorstehende Abgang von Kapitän und Torhüter Nübel ist eine sportliche wie emotionale Baustelle, dennoch wird Schalke zumindest den Einzug in die Europa League schaffen.
Bayer Leverkusen
Wieder wird Leverkusen eine Aufholjagd starten müssen, um noch in die Champions League zu kommen. Die kann gelingen, wenn Supertalent Kai Havertz seine Form wiederfindet und Neuzugang Exequiel Palacios aus Argentinien direkt einschlägt. Doch trotz des geringeren Rückstands als im Vorjahr wird die Aufgabe nicht leichter. Denn Leipzig, München und Dortmund scheinen für die Champions League gesetzt. Und die im Vorjahr von Bayer überholten Gladbacher wirken stabiler.
1899 Hoffenheim
Kaum ein Team war in der Hinrunde schwerer zu tippen als die Hoffenheimer. 2:1-Siegen in München oder gegen Dortmund standen deftige Heimpleiten gegen Mainz (1:5), Freiburg (jeweils 0:3 in Liga und Pokal) oder Augsburg (2:4) entgegen. Da die Offensive nach Abgängen von Spielern und Trainer Nagelsmann nicht mehr so selbstverständlich funktioniert wie im Vorjahr, wird die TSG konstanter werden müssen, wenn sie in die Europa League will.
SC Freiburg
Für die Profis ist der achte Platz der Freiburger laut „Kicker"-Umfrage eine größere Überraschung als das Hoch der Gladbacher. Weil der SC gefühlt noch mehr Punkte unglücklich verlor als glücklich gewann. In der Hinrunde gelang der Start auch wegen eines dankbaren Auftakt-Programms. Gelingt das wieder, könnte Freiburg bis in die Europa League schweben.
VfL Wolfsburg
Die kleine Herbstkrise mit nur einem Sieg aus sieben Spielen kam vor allem deshalb überraschend, weil die Wolfsburger zunächst sehr stabil wirkten. Zwischenzeitlich waren sie – neben Juventus Turin – die am längsten ungeschlagene Mannschaft der europäischen Top-Ligen. Ähnlich wie bei Freiburg haben die Wolfsburger die lösbaren Aufgaben fast alle zu Beginn. Gelingt da ein sehr guter Start, ist die Europa League noch drin.
FC Augsburg
Auch vor der nun schon neunten Erstliga-Saison in Folge wurden die Augsburger als Abstiegskandidat gehandelt. Und wieder trotzen die Schwaben den Unkenrufern. Das erstaunt deshalb, weil es ständig Unruheherde gibt. Nach Caiuby und Martin Hinteregger ging mit Michael Gregoritsch der nächste einstige Leistungsträger im Unfrieden. Doch Trainer Martin Schmidt lenkt erfolgreich dagegen. Bei acht Punkten Vorsprung auf Rang 16 müsste schon viel schiefgehen, dass Augsburg noch absteigt.
Union Berlin
Nach dem erstmaligen Aufstieg in die Erste Liga lebten die Eisernen ihren Traum einfach weiter. Zu Hause ist Union eine Macht, schlug unter anderem Dortmund und Gladbach. Als Krönung beendeten die Köpenicker die Hinrunde vor dem Stadtrivalen Hertha. Doch die Euphorie: Den Zusammenhalt und die Stabilität muss Union sich bewahren. Fünf Punkte Vorsprung auf die heiße Zone sind kein beruhigendes Polster. Zumal die Mannschaft individuell eben doch schwächer besetzt ist als die meisten Konkurrenten.
Hertha BSC
Das Experiment mit dem nächsten Trainer-Eigengewächs Ante Covic scheiterte. Der sensationelle Einstieg von Weltmeister Jürgen Klinsmann als Trainer hat die Hertha wahrlich wachgerüttelt. Mit vier Spielen ohne Niederlage ging sie in die Winterpause. Immer noch gefährdet, aber scheinbar stabil. Aufpassen müssen die durch Millionen von Investor Lars Windhorst unterstützten Berliner nur, dass sie bei den Schwärmereien von neuen Superstars und der Champions League nicht das Tagesgeschäft vernachlässigen.
Eintracht Frankfurt
Nach anderthalb Jahren wie im Rausch, ging der Eintracht zum Jahresende regelrecht der Sprit aus. Nach dem furiosen 5:1 gegen den FC Bayern am 2. November hatten die Frankfurter zwei Punkte Rückstand auf Rang zwei. Weil sie danach nur noch einen Punkt aus sieben Spielen holten, ist die Abstiegszone nun deutlicher näher als eine dritte Europacup-Teilnahme in Folge. Deshalb muss die Eintracht auch aufpassen, dass sie nicht weiter in dieses Fahrwasser gerät. Auch wenn die Qualität für einen Abstieg eigentlich zu hoch ist.
1. FSV Mainz 05
Der Einstieg von Trainer Achim Beierlorzer war kurios: Eine Woche nach seiner Entlassung in Köln stieg er in Mainz ein und gewann 5:1 in Hoffenheim. Obwohl zudem ein 5:0 in Bremen gelang, konnten sich die Mainzer aber nie richtig absetzen von der heißen Zone. Und kämpfen in der Rückrunde doch wieder einmal nur ums Überleben.
1. FC Köln
Vor dem Derby gegen Leverkusen am 14. Dezember schien der FC tot. Die Kölner waren Letzter, und es gab wenige, die an eine Wende vor der Winterpause glaubten. Nach drei Siegen in den drei Spielen der abschließenden englischen Woche überwintert der FC aber plötzlich auf einem Nichtabstiegsplatz. Nachbar Düsseldorf nutzte im Vorjahr dieselbe Konstellation für eine sorgenlose Rückrunde. Das kann Köln auch gelingen. Aber nur, wenn im Verein und in der Mannschaft Ruhe herrscht.
Fortuna Düsseldorf
Sie wussten, dass es eine schwierige Saison werden würde in Düsseldorf. Deshalb verfällt trotz Platz 16 nach der Hinrunde auch niemand in Panik. Die Ruhe ist ein wichtiger Faktor im Abstiegskampf, der hart werden wird. Zumal die Fortuna in der Hinrunde vom Hoch ihres Torjägers Rouwen Hennings profitierte, der elf der 18 Tore schoss. Hält er dieses Hoch nicht oder springen andere nicht in die Bresche, wird es eng.
Werder Bremen
Vor der Saison redeten im und um den Verein die meisten von der Europa League. Nun geht es nur noch ums Überleben. Der überall gefeierte Trainer Florian Kohfeldt muss sich als Krisenarbeiter beweisen. Ein Selbstläufer wird der Klassenerhalt nicht. Die Mannschaft hat Potenzial. Doch nur, wenn man in Bremen gleichzeitig Ruhe bewahrt und die Situation nicht unterschätzt, wird Werder das Schicksal von Stuttgart im Vorjahr erspart bleiben.
SC Paderborn
Die Kritiker vor der Saison behaupteten, die Bundesliga sei eine Nummer zu groß für Paderborn. Die Paderborner behaupteten, sie würden ein belebendes Element werden für die Liga. Beides hat sich irgendwie bewahrheitet. Die Ostwestfalen machten oft Spaß, sind aber dennoch Letzter. Und damit weiterhin Abstiegskandidat Nummer eins.