Steuersenkung für die Bahn auf sieben Prozent, alles beim Alten beim Fernbus. Das ist unfair, sagt Flixbus. Gibt die Bahn die Steuersenkung überhaupt an die Kunden weiter?
Seit dem 1. Januar stehen nicht mehr 19, sondern nur noch sieben Prozent Mehrwertsteuer (MWST) auf dem Bahnticket für eine Fernreise ab 50 Kilometern. Das war im Klimapaket der Bundesregierung so vorgesehen. Die Deutsche Bahn hat angekündigt, diesen Vorteil an Kunden weiterzureichen. Damit würden Tickets rund zehn Prozent günstiger. Das soll mehr Bürger dazu bringen, vom Auto oder dem Flugzeug auf die Bahn umzusteigen. Doch das Fernbus-Unternehmen Flixbus, das unter dem Namen Flixtrain auch Schienenverkehr anbietet, sieht sich ungerecht behandelt und hat eine Klage beim Bundesverfassungsgericht angekündigt. Zudem erwäge das Münchner Unternehmen eine Beschwerde bei der EU-Kommission, wie Mitgründer André Schwämmlein sagte. Dafür hat Flixbus ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das die geplante Mehrwertsteuersenkung für den Bahn-Fernverkehr unter die Lupe nimmt.
Das Unternehmen beruft sich auf eine Ausarbeitung des Steuer- und Finanzrechtsexperten Hanno Kube von der Uni Heidelberg. Das Gutachten, so Flixbus, lege unmissverständlich dar, dass eine Ungleichbehandlung von Fernbahn und -bus europarechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Deutsche Bahn und Flixbus seien gleichberechtigte Wettbewerber. Der im EU-Recht verankerte „Grundsatz der steuerlichen Neutralität verlangt die Gleichbehandlung von miteinander im Wettbewerb stehenden Leistungen und insofern die Gleichbehandlung der leistenden Unternehmer", heißt es darin. „Diese Anforderungen gelten auch bei der Ausgestaltung ermäßigter Steuersätze, unter anderem im Fall von Beförderungsleistungen."
Der Bund weist dies zurück: „Die Bundesregierung sieht beim Schienenbahnverkehr für die Zukunft das größte Potenzial für die Sicherung einer klimaneutralen Mobilität der Bürgerinnen und Bürger", teilte das Finanzministerium auf Anfrage mit. „Der Gesetzentwurf ist mit den Vorgaben des Verfassungsrechts und des EU-Rechts vereinbar." Joachim Englisch, Rechtsprofessor an der Universität Münster, erinnert an ein Urteil zu Taxi- und privaten Fahrdiensten, das die ungleichen Rahmenbedingungen der beiden Mobilitätsanbieter berücksichtigt. Die einen müssten – im staatlichen Auftrag – jeden befördern, die anderen nicht. Das rechtfertige eine ungleiche Besteuerung. Ob klimapolitische Erwägungen für beide gleich gelten, sei unklar, und ob der EuGH so etwas akzeptiert, ungewiss.
Derweil drückt die Bahn mächtig auf die Preise. Die um zwölf Prozentpunkte verringerte Mehrwertsteuer bedeutet eine Preisreduzierung von zehn Prozent. Rechenbeispiel: Eine 100 Euro-Fahrkarte kostet mit 19 Prozent Mehrwertsteuer 119 Euro. Mit sieben Prozent sind es 107 Euro. Differenz: 12 Euro. Das sind nahezu jene zehn Prozent von 119 Euro.
Flixbus könnte Strecken streichen
Wie viel die Bahn nun wirklich weitergibt, ist bei all den Spar- und Supersparpreisen nicht so ganz transparent. Immerhin sind auf jedem Online-Ticket die sieben statt der 19 Prozent ausgewiesen. Doch ob der Sparpreis vielleicht vor der Mehrwertsteuersenkung ein wenig preiswerter war als danach, kann der Verbraucher nicht beurteilen. Und ob die Bahn durch höhere Grundpreise sich das, was ihr an Mehrwertsteuer entgeht, zurückholt, bleibt offen. Auf eine entsprechende Anfrage hat die Pressestelle nicht reagiert.
Immerhin wird der neue Einstiegspreis für ICE-Fahrten mit Bahncard-Rabatt schon bei 13,40 Euro liegen. Das ist der niedrigste Einstiegspreis seit der Bahnreform 1994. Ohne Bahncard beträgt der Preis 17,90 Euro statt bislang 19,90 Euro. Damit gerieten zahlreiche Fernbus-Strecken besonders in den ländlichen Regionen in Gefahr, warnt wiederum André Schwämmlein, weil Flixbus mit den Preisen der Deutschen Bahn künftig nicht mithalten könne. „Vor allem bei den Sparpreisen der Deutschen Bahn werden viele Kunden genau hinschauen, wenn diese noch günstiger werden, und sich vielleicht sagen: „Ich fahre ICE", sagt er.
Die Konsequenz: Flixbus müsse sich preislich nach unten bewegen. „Und das bedeutet, dass ich mein Netz eindampfen muss, denn meine Kosten bleiben ja gleich", sagte Schwämmlein. Rund 30 Prozent des Fernbusnetzes müssten dann eingeschränkt werden, hatte Flixbus wiederholt angedroht. „Das heißt, dass auf stärker befahrenen Strecken Takte reduziert werden." Dort, wo Flixbus nur ein, zwei Mal am Tag unterwegs sei, müssten Strecken ganz gestrichen werden. Diese Maßnahmen würden aber erst im Sommer kommenden Jahres oder sogar erst des Folgejahres anstehen, betonte Schwämmlein.
Unterstützung erhält Flixbus vom größten deutschen Autoverband, dem ADAC. Dieser fordert ebenfalls eine niedrigere Mehrwertsteuer für den Fernbusverkehr. Bei den Treibhausgasemissionen schneide der Fernbus laut Umweltbundesamt pro Fahrgast ebenso günstig ab wie der Schienenpersonenfernverkehr, teilte der Verband mit. Bei regenerativem Strom sei die Bahn zwar besser, doch die Klimavorteile gegenüber dem Auto seien entscheidender.
„Der ADAC verweist auch darauf, dass in etlichen Regionen der Fernbus das Mobilitätsangebot deutlich verbessere", hieß es weiter – gerade in Mittelstädten ohne Fernbahnanbindung. Insofern leisteten diese einen wertvollen Beitrag zur Mobilität auf dem Land.
Die Bundesregierung hatte im Jahr 2013 den Fernbusmarkt liberalisiert – unter anderem, um für mehr Konkurrenz der Deutschen Bahn zu sorgen. Zahlreiche Anbieter waren an den Start gegangen, inzwischen dominiert Flixbus aber den Markt mit einem Anteil von rund 95 Prozent. Unter der Marke Flixtrain ist das Unternehmen zudem im Schienen-Fernverkehr aktiv – und dort der einzige Konkurrent der Deutschen Bahn.