Die Macht der Bewertungsportale ist durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs gestärkt worden. Sie müssen nicht offenlegen, wie Bewertungen im Einzelnen zustande kommen. Ihr Algorithmus ist ihr Geschäftsgeheimnis.
Der Fall: Die Fitnessstudio-Besitzerin Renate Holland fühlte sich schlecht behandelt: Yelp, ein Internet-Bewertungsportal, beurteile ihren Betrieb ständig negativ, sagt sie. Sie hat dagegen geklagt – und verloren. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Yelp braucht nichts zu ändern, die Bewertung kann so stehen bleiben.
Jeder hat schon einmal ein Bewertungsportal genutzt, sei es Check 24, Go local, Jameda, Tripadvisor, Quandoo oder Kununu. Man findet Bewertungen zu Hotels, Ärzten, Arbeitgebern, Urlaubsorten, Pflegeprodukten – es gibt kaum etwas, das nicht bewertet wird. Und ständig wird man als Kunde aufgefordert, Noten zu vergeben.
Mit am wichtigsten sind die Urlaubsportale. Das funktioniert meistens so: Ich möchte in die Toskana und suche ein Hotel der mittleren Preisklasse, möglichst nicht zu weit weg vom Meer. Ein Vergleichsportal liefert diverse Treffer, und wenn der Preis stimmt, schlage ich zu. Mit wenigen Klicks habe ich das gewählte Hotel schon gebucht. Die Portale führen also den Unternehmen, hier den Hotelbetreibern, Kunden direkt zu. Check 24 macht sogar ganz offen Werbung für seine „Testsieger".
Firmen möchten denn auch gern diese Bewertungs- und Vergleichsportale im Netz für sich nutzen. Sie sind für sie genauso wertvoll wie das Ranking bei Google oder das Urteil der Stiftung Warentest. Zwei, drei vernichtende Urteile können ein Restaurant oder einen Rechtsanwalt schon in Misskredit bringen.
Wie die Beurteilungen zustande kommen, ist nicht unbedingt transparent. Besonders aktive Social Media-Nutzer, die häufig Bewertungen auf bestimmten Plattformen abgeben, können aktiviert und für ein Statement gewonnen werden. Hoteliers belohnen positive Bewertungen schon mal mit Sonderkonditionen oder einem Blumenstrauß. Ganz übel wird es, wenn sich ein Unternehmen Bewertungen kauft oder ein Computerprogramm die Bewertungen vornehmen lässt: Es gibt Programme, die unterschiedliche, aber genormte Sätze erzeugen und im Namen fiktiver Nutzer versenden.
Software erkennt bestellte Beiträge
Im Extremfall könnte eine Hotelkette ein Bewertungsportal so lange mit miesen Kritiken bombardieren (lassen), bis der Konkurrent in die Knie geht. Gerade Yelp aber erklärt auf seiner Homepage, dass seine Bewertungen nur deswegen so wertvoll sind, weil sie „unbeeinflusst" seien. Die „automatisierte Software von Yelp" sortiere Beiträge, „die wirken, als seien sie von Unternehmen erbeten worden…", sofort aus. denn das Bitten um Beiträge führe zu einem verzerrten Bild.
Dennoch kommt es immer wieder zum Streit. Im Fall der Fitnessstudio-Besitzerin begann der Ärger damit, dass eines ihrer Studios eine relativ schlechte Durchschnittsnote bei Yelp erhielt: nur 2,5 Sterne. Seither wehrt sich Renate Holland.
In der Verhandlung vor dem BGH kam heraus, dass in die Gesamtnote nur neun der insgesamt über 70 Bewertungen einflossen. Während die meisten dieser 70 Bewertungen positiv waren, hatten ausgerechnet die berücksichtigten Nutzer nur wenige Sterne abgegeben. Sie gaben den Ausschlag, und die Gesamtnote rutschte ab.
Yelp machte vor Gericht geltend, dass hinter seinen Bewertungen ein eigener Algorithmus steckt. Also ein Computer-Programm, das bestimmt, welche Bewertungen in die Gesamtnote miteinfließen und welche nicht. Wie das genau funktioniert, bleibt dem Verbraucher verborgen –
Yelp beruft sich auf das Geschäftsgeheimnis. Und bekommt damit Recht.
Denn die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin überwiegen nach Überzeugung des BGH-Senats nicht die schutzwürdigen Belange von Yelp. Die Einstufung von Bewertung in „empfohlen" und „nicht empfohlen" sei durch die Berufs- und Meinungsfreiheit geschützt.
„Ein Gewerbetreibender muss Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen", sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters. (Az. VI ZR 495/18, unter anderem). Der Algorithmus bleibt Geschäftsgeheimnis und ist nicht überprüfbar. Wäre das anders – so der Anwalt des Bewertungsportals – könne jeder, der weiß, wie gefiltert wird, dafür sorgen, dass manipulierte Beiträge durch die Filter durchkämen.