Seine Sport-Karriere musste er wegen Verletzungen beenden. Nun kämpft sich Luca Wieland aber zurück – und startet als Musiker durch.
Emptiness" – Leere: Ein Stück weit leer hat sich Luca Wieland in den zurückliegenden Monaten sicherlich auch gefühlt. Der sympathische bald 26-Jährige hatte als Zehnkämpfer viel vor, kündigte Mitte des Jahres jedoch das Ende seiner Karriere an. „Ich habe das ganze Frühjahr gebraucht, um damit fertig zu werden", sagt er. Immer wieder kämpfte er mit Verletzungen, nun erwischte es ihn aber so stark, dass er nach Einschätzung der Ärzte wohl bald eine Knieprothese gebraucht hätte – und das noch vor seinem 30. Geburtstag. „Das lag schwebend über mir."
„Emptiness" nun ist trotz des dunklen Titels eine Art Hoffnungsschimmer für den gebürtigen Berliner Luca Wieland, der derzeit im Heusweiler Ortsteil Holz bei seinen Großeltern wohnt. Hier, mit wunderschönem Blick über das Köllertal, soll nun seine zweite Karriere starten: „Ich will in diesem Jahr mal schauen, was musikalisch geht." Mitte September veröffentlichte er dazu seine erste Single – eben „Emptiness". Die ruhige Ballade mit dem traurigen Schwarz-Weiß-Video ist auf seinem Youtube-Kanal „Lucrai" – so auch sein Künstlername – zu sehen und zu hören. Die Produktion ging bereits einen Winter davor über die Bühne. Er verarbeitet darin seine erste Trennung. Es war auch sein erstes selbst geschriebenes Lied, wie er erzählt.
Ende November folgte die melancholische Uptempo-Nummer „Summerwind". Dominiert bei seinem Debüt noch die Akustik-Gitarre, schlägt er mit „Summerwind" bereits einen deutlich elektronischeren Ton an. Das habe er auch immer im Sinn gehabt, wie er ausführt. Als seine größten Einflüsse bei der Stilrichtung benennt er Illenium, Seven Lions und Porter Robinson. „Alles Künstler die in Deutschland noch relativ unbekannt sind." Die beiden Titel, wie auch das für das Frühjahr geplante Album, entstanden in Zusammenarbeit mit den Skypia Studios und DJ und Produzent Ded!cate. Beide haben ihren Sitz in Halle. Dort wohnte Luca Wieland auch eine Zeit lang, nachdem er 2017 von der LAZ Saar 05 Saarbrücken zum Team von Rico Freimuth gewechselt war. Der in Potsdam geborene Zehnkämpfer Freimuth gewann 2015 bei der WM in Peking den dritten Platz und zwei Jahre später in London den zweiten Rang. Unter Anleitung dieser Expertise wollte Luca Wieland sich auf sein großes Ziel vorbereiten: die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Doch dann machte sich der Oberschenkel wieder bemerkbar; Ärzte stellten fest, dass sich im Knie Knorpel und Knochen gelöst hatten. Besonders schmerzhaft: Mit seiner persönlichen Bestleistung von 8.201 Punkten bei einer Qualifikations-Meisterschaft wäre er bei der EM 2018 in Berlin nur knapp hinter einem Platz auf dem Podest gelandet. Doch da hatte der mehrfache saarländische Jugendmeister gerade eine Operation am Knie hinter sich – die Angst lief sozusagen immer mit.
Seine erste Single ist bereits veröffentlicht
Als seine favorisierten Disziplinen nennt er Sprintstrecken, Hürdenlauf und Hoch- und Weitsprung. Die kurzen, intensiven Belastungen dabei machten ihm nichts aus. Weniger gern mochte er die Kraftdisziplinen und den Langlauf. Trotzdem mangelte es an seiner Einstellung keineswegs: „Das Ziel ist es, dass am Ende die Muskeln brennen", sagt er über seine Trainings. Immerhin war er nicht nur im kleinsten Flächenland Deutschlands erfolgreich, sondern auch als ehemaliger College-Meister in den USA nahe am Weltniveau. Dort konzentrierte er sich vier Jahre lang auf die College-Meisterschaften, belegte bei einem Outdoor-Turnier sogar den dritten Platz. Der Sport ist ihm übrigens keineswegs abhandengekommen. Denn bei seinem Heimatverein, dem LAZ Saar 05 Saarbrücken ist er derzeit Trainer für die U14- und die U16-Athlethen. Dafür kann er auf seine eigene Lebenserfahrung zurückblicken, wie man es nicht macht. „Ich war oft festgebissen und extrem auf den Sport fokussiert", sagt er selbstkritisch. Mittlerweile sei er jedoch sozialer und offener geworden. „Es war ein bisschen wie eine Transformation."
Nun steht also die Musik an oberster Stelle. Bereits früh nahm er Gitarrenunterricht, an den er sich aber eher ungern erinnert: „Es wurde mir schlecht vermittelt." Ab seinem 17. Lebensjahr wendete sich das Blatt. Sein Onkel brachte ihm die Grundkenntnisse am Saiteninstrument über Skype bei. Luca Wieland lernte zudem kontemporäre Musikstücke und Lieder im Western-Stil. In jeder freien Minute, die er nicht im Training oder an der Uni verbrachte, griff er zur Gitarre oder arbeitete an seinem Gesang. Hinzu kam durch Privatunterricht und Onlinekurse eine weitere Verfeinerung der Technik. „Neben dem Sport habe ich all die Jahre Musik nur als Hobby gesehen, aber trotzdem davon geträumt, einmal damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen", blickt er zurück.
Acht Gitarren besitzt Luca Wieland, vier stehen bei seiner Schwester in Berlin, die anderen vier in Holz. Hier legt er auch mittels der Software FL Studio von Image-Line Hand an seine Lieder an. Um sich immer weiterzubilden, schaut er quasi täglich Tutorials auf Youtube. „Am besten ist aber natürlich ein Gitarrenlehrer", sagt er. Seine Kreativität lebt er auch in den bisherigen beiden Videoclips aus. Da stammt die Idee jeweils von ihm selbst, Regie führt er ebenfalls. Zudem stellte er für „Summerwind" Videos seiner Sommerurlaube und Aufenthalte in den USA zur Verfügung.
Ein gutes Händchen für Melodieführung
Dort, genauer gesagt an der University of Minnesota, studierte er Wirtschaft und Unternehmensführung und nebenbei noch „Pre-Med". Dabei handelt es sich um einen Ausbildungsweg, der die Studierenden auf das eigentliche Medizin-Studium vorbereiten soll. Denn das könnte sich Luca Wieland ebenfalls vorstellen. Dafür muss er sich bereits jetzt für das Wintersemester 2020 bewerben. An dem Gedanken an ein Studium der Medizin reizt ihn die Verbindung von „neuraler und physischer Gesundheit", von Medikation und Spiritualität. „Wissenschaft ist ein ideales Konzept, um die Realität so zu beschreiben, wie wir sie sehen", sagt er.
Nun aber erst mal die Konzentration auf die Musik. Dafür würde er auch gern mit Gleichgesinnten ein Netzwerk gründen. An elektronischen Stilrichtungen haben es ihm selbst beispielsweise Dub Step oder House angetan. Künstler wie San Holo oder Illenium würden den DJ-Begriff deutlich erweitern, was ihm selbst sehr zusage. Er hat zwar ein gutes Händchen für Melodieführung eines Liedes und die beiden Titel sind gefällig produziert, doch auf Erfolge in den Charts ziele er nicht ab. „Ich möchte die Leute berühren", nennt er als vorrangiges Ziel. Dazu möchte er auch gerne Live-Auftritte absolvieren, sowohl mit E- als auch mit Akustik-Sets. Einen kleinen Vorgeschmack darauf hatte er während seiner Schulzeit – da spielte er bereits mal vor rund 1.000 Leuten.