„Zu Fuß von München nach Tibet? Warum eigentlich nicht?", fragte sich Stephan Meurisch. Ersparnisse hatte er keine. Deshalb musste es auch ohne Geld gehen. Was ein bisschen klingt wie eine Schnapsidee, hat der gebürtige Dessauer tatsächlich durchgezogen. Zuvor hatte er sich auf dem Jakobsweg mit dem „Virus des Unterwegsseins" infiziert. Einen Tag nach seinem 31. Geburtstag zieht er los. Statt der geplanten zwei Jahre wird der erfahrene Marathonläufer fast doppelt so lange brauchen.
Auf dem Rücken einen überdimensionalen 30-Kilo-Rucksack. Sein schweres Zelt muss er in vier Jahren aber nur zwölfmal aufschlagen. Unzählige Menschen bieten ihm ein Bett zum Schlafen an. Häufig wird er auch noch üppig bekocht und lernt so die jeweilige Küche des Landes kennen. Ohne einen Cent in der Tasche durchquert er 13 Länder, darunter Österreich, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, die Türkei, Georgien und der Iran. Zwischendurch jobbt er als Englisch-Lehrer oder bietet Umarmungen für eine kleine Spende an.
Als er Deutschland verlässt, wirken die Leute auf ihn „getrieben". In der Ferne dagegen erscheinen ihm die Menschen, die ihm begegnen viel glücklicher, zufrieden mit dem wenigen, das sie haben, was sie gern mit ihm teilen. Wie ist es, als „reicher Europäer" bei den Ärmsten der Armen Unterschlupf zu finden? Der gelernte Elektriker, der als Kind davon träumte, Lokomotivführer zu werden, versucht, sich für die Hilfsbereitschaft erkenntlich zu zeigen. Hackt Holz, hilft bei der Olivenernte oder macht Reparaturen. Häufig bekommt er dann zu hören: „Lass das. Du bist doch bei uns zu Besuch!" Die Gastfreundschaft geht einmal sogar so weit, dass ein türkischer Gastgeber darauf besteht, ihm die Füße zu waschen.
Kann man nach solch mitunter extremen Erfahrungen überhaupt noch in ein normales Leben zurückkehren? „Was ist normal?", fragt der Abenteurer. „Wandern ohne Geld" ist inzwischen Stephan Meurischs Beruf geworden. Er schreibt Bücher darüber, hält Vorträge und arbeitet als Coach.