Ruhestand? Noch lange nicht! In „Enkel für Anfänger" suchen drei Rentner als Leihoma und Leihopa neue Herausforderungen.
Alte Leute sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Früher war die ungeschriebene Regel, dass Oma strickend im Schaukelstuhl sitzt und Opa grimmig olles Unkraut zupft. Dann kam die Rentner-Generation, die aktiv ist, Sport treibt oder eine fremde Sprache lernt. Altsein geht auch später. Nun kommt mit „Enkel für Anfänger" der passende Film. Das ist eine amüsante Komödie mit einer großartigen Maren Kroymann in der Hauptrolle.
Kinder, die selbst keine Großeltern haben
Die Geschichte: Karin (Maren Kroymann) ist Rentnerin. Kerngesund ist sie und eigentlich Kandidatin, um noch einmal durchzustarten, Verpasstes nachzuholen und ihr Leben aktiv zu genießen. Eine Reise nach Neuseeland vielleicht? Ihr Gatte (Günther Maria Halmer) winkt jedoch ab. Schon der Flug würde so viel kosten wie zwei Treppenlifter – und ihr Haus in Beige ist doch auch schön. So einfach lässt sich Karin aber nicht abspeisen. Sie sucht nach ganz neuen Herausforderungen. Da schlägt ihr Freundin Philippa (Barbara Sukowa) vor, Leihoma zu werden. Karin schnappt sich kurzerhand ihren alten Freund Gerhard (Heiner Lauterbach) und versorgt beide mit zwei lebhaften Patenenkeln. Das sind Kinder, die selbst keine Großeltern haben, aber ganz gerne mal von Alten betreut werden könnten. Alles im Lot nun für Karin, Philippa und Gerhard? Nicht ganz. Denn das betagte Trio merkt, dass so ein Familienwahnsinn für Fortgeschrittene doch anstrengender ist als gedacht. Hyperaktive Patchwork-Geschwister, stirnrunzelnde Helikoptereltern und alleinerziehende Mütter mit ihren Dating-Profilen mischen die Leben der Senioren nun mächtig auf. Kinder borgen ist doch was anderes als Treppenlifter fahren.
Die Story klingt ein wenig nach seichter Vorabendunterhaltung, aber tatsächlich ist der Film eine rasante Komödie, die richtig Spaß macht – und zwar Senioren ebenso wie Kindern, Jugendlichen und jungen Eltern. Ihnen allen wird immer wieder der Spiegel vorgehalten, um ihre Macken und Launen in schönen, schrägen Szenen und viel Klamauk zu überspitzen. Dass der Film auch eine gute Portion satirischen Biss hat, ist Hauptdarstellerin Maren Kroymann zu verdanken. Sie gilt derzeit als Königin der Satire und ist mit ihren 70 Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Immerhin hat die TV-Seniorin zurzeit ihre eigene Satire-Sendung in der ARD und ist mit ihrem Satire-Musik-Solo „In my Sixties" weiter auf Tour – und spielt in „Enkel für Anfänger" erstmals die Hauptrolle in einem Kinofilm. Besonders in der ersten Hälfte der Handlung ist ihr satirischer Blick auf das Thema Alter stark zu merken, was sehr amüsant ist.
Auch die anderen Senioren-Schauspieler sind sehenswert und sorgen für Überraschungen. Wer hätte gedacht, dass Barbara Sukowa, seit „Die bleierne Zeit" (1981) und „Rosa Luxemburg" (1986) auf ernste Frauenfiguren spezialisiert, noch einmal als Komödiantin so richtig aufdreht? Die 70-Jährige macht als durchgeknallte Philippa so manch derbe Witze, die – wie sich im Laufe der Handlung zeigen wird – doch nur Fassaden sind. Für ernstere Szenen ist Heiner Lauterbach als Gerhard verantwortlich. Der kratzbürstige Arzt im Ruhestand lebt nach dem Tod seines Lebenspartners und schwulenfeindlichen Diskriminierungen allein in seiner öden Wohnung. Bitter ist, dass der Griesgram als alternder Schwuler noch immer Anfeindungen erlebt – und sich trotzdem auf das Abenteuer mit den geborgten Kindern einlässt. Der 66-jährige Lauterbach sorgt dann auch für eine der schönsten Szenen, als er seinem Leih-Enkel den alten Schlager „Über den Wolken" vorsingt.
Durchgeknallt mit derben Witzen
Das ist sehr berührend, leitet aber auch eine dramaturgische Wende ein. Denn im zweiten Teil gibt sich der Film doch recht rührselig und verliert seinen satirischen Biss. „Enkel für Anfänger" hätte gern etwas mehr piesacken können. Das finale Plädoyer sitzt aber perfekt: „Wann hat man schon die Chance, etwas Neues auszuprobieren? Immer!", formuliert es Kroymanns Karin. Jeder Mensch sollte offen für das Leben sein, sich auf unbekannte Wege wagen und auf andere Menschen zugehen. Dann kommt das gute Gefühl fast von allein.