Kroatien kennen viele. Gefühlt war jeder schon mal da. Jahr für Jahr fahren oder fliegen Millionen Deutsche im Sommer in das Land mit der schönen Küste und dem klaren Adria-Wasser. Dort bleiben sie, wenn es hochkommt, eine Woche. Sie kommen dann gut erholt nach Hause und erzählen weiter, wie schön es war – meistens.
Doch das Land ist eben mehr als nur eine Urlaubsregion. Es ist seit 2013 formell gleichberechtigtes Mitglied der Europäischen Union. Es stellt eine EU-Kommissarin (Ressort „Neuer Schwung für die Europäische Demokratie") und hat im ersten Halbjahr 2020 zudem die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das wichtigste Ereignis wird der EU-Gipfel im Mai in Zagreb sein, bei dem es vor allem um die Zukunft der EU-Erweiterung gehen wird. Da kann das Land mit seinen gerade einmal vier Millionen Einwohnern der europäischen Integration einen, wenn auch kleinen, Stempel aufdrücken.
An pro-europäischen Haltungen mangelt es nicht. Im Gegenteil. Die beiden wichtigsten Parteien des Landes überbieten sich praktisch darin. Dass nun mit Zoran Milanović ein Mann die Präsidentschaftswahlen gewonnen hat, der im Wahlkampf „Normalität" versprach und „Charakter", kann man als Beleg dafür nehmen, dass populistische oder nationalistische Parolen eben nicht immer ziehen oder vielleicht nicht mehr.
Mit Rijeka kann das Land nun auch eine europäische Kulturhauptstadt vorweisen, die diese Zugehörigkeit zu Europa besonders deutlich verkörpert. Eine wichtige Hafenstadt, einst nach Triest die zweitwichtigste des österreichisch-ungarischen Kaiserreiches, die wirtschaftlich wie kulturell von ihrer Offenheit lebt. Sie ist vor allem italienisch, aber auch ungarisch und nicht zuletzt kroatisch geprägt, ihre wechselhafte Geschichte hat sie geformt, nun geht es ihr vor allem darum, den Strukturwandel zu meistern. Viele Veranstaltungen locken zum Jahr der Kulturhauptstadt, auch ein Literaturfestival im mondänen Opatija zählt zu den Attraktionen.
Kulturelle Angebote sollen auch dem Tourismus eine neue Richtung geben, denn von ihm lebt das Land nach wie vor und manche sagen, es ist von ihm allzu sehr abhängig. Man will daher auch Touristen ins Land holen, die mehr suchen als Sonne und Meer. Denn wenn es nicht gelingt, neue Perspektiven für die Kroaten im Lande zu schaffen, wird die dramatische Abwanderung das Land weiter ausbluten lassen. Rund 400.000 Kroaten leben bereits in Deutschland, weil sie hier bessere Jobs bekommen. Bei aller Heimatliebe zählt das dann doch noch etwas mehr.