Fortuna Düsseldorf hat Friedhelm Funkel entlassen und somit in Rente geschickt. Das hat bei vielen Fans für Proteste gesorgt. Doch es gab durchaus sportliche Gründe dafür. Und Nachfolger Uwe Rösler macht in den ersten Tagen Hoffnung.
Neutrale Beobachter am Rhein fühlten sich ein wenig erinnert an die Trennung von Peter Stöger rund zwei Jahre zuvor beim 1. FC Köln. Stöger hatte den chronisch unruhigen FC vier Jahre lang trainiert und war zum Kult-Trainer aufgestiegen. Der Österreicher hatte die Kölner sofort zum Aufstieg in die 1. Bundesliga geführt, hielt im zweiten Jahr die Klasse, schaffte als Neunter im dritten die erste einstellige Bundesliga-Platzierung seit 1992 und führte die Kölner im vierten Jahr sogar erstmals seit 25 Jahren in den Europacup. Dazu hatte Stöger Köln regelrecht in sich aufgesaugt. Die Menschen liebten ihn, und Vize-Präsident Toni Schumacher wollte Stöger zum „kölschen Arsène Wenger" machen. Der Franzose hatte 22 Jahre am Stück den FC Arsenal trainiert.
Doch in der Saison 2017/18, direkt nach der Europacup-Qualifikation, legte Köln eine nie da gewesene Bauchlandung hin. Nach nur drei Punkten aus 14 Spielen – der schlechtesten Ausbeute, die je ein Team seit der Bundesliga-Gründung 1963 hingelegt hatte – wurde Stöger entlassen. Und nachdem so mancher vorher noch diese Trennung gefordert hatte, folgte nun ein regelrechter Fan-Aufstand. In einer „Express"-Umfrage hielten 76 Prozent der Leser die Entlassung für falsch, manche traten aus dem Verein aus, andere versuchten sogar eine außerordentliche Mitgliederversammlung auf die Beine zu stellen, um das Präsidium zu stürzen. Die Botschaft: Einen Peter Stöger entlässt man nicht. Egal, wie die sportliche Bilanz aussieht.
„Einen Friedhelm Funkel entlässt man nicht"
Parallelen zu Friedhelm Funkel sind durchaus augenscheinlich, deshalb dieser ausführliche Exkurs. Funkel trainierte Fortuna Düsseldorf ebenfalls vier Jahre, was auch dort eine gefühlte Ewigkeit ist. Auch er war bei den Fans über alle Maßen beliebt – weil er zum einen ein echter Rheinländer ist – er stammt aus Neuss, das fließend in Düsseldorf übergeht – und weil er eben auch unerwarteten Erfolg hatte. Funkel rettete die Fortuna im ersten Jahr vor dem Abstieg in die Dritte Liga, konsolidierte sie im zweiten, stieg im dritten in die 1. Bundesliga auf und hielt dort im vierten spektakulär die Klasse. Im Winter 2019 hatte die Fortuna schon den sicheren Abgang Funkels zum Saisonende vermeldet, weil man sich nicht auf eine Vertrags-Verlängerung einigen konnte. Der Aufsichtsrat fing die Entscheidung nach Protesten von Fans und aus der Mannschaft ein, Funkel verlängerte, dafür musste kurz darauf Vorstandschef Robert Schäfer gehen. Die Botschaft „einen Friedhelm Funkel entlässt man nicht" war da schon klar gesendet.
Und das brachte die Bosse bei Fortuna Düsseldorf zügig in Nöte. Denn diese Saison verlief nicht gut. Zwar folgte kein so extremer Absturz wie einst in Köln unter Stöger. Manche sagen gar, er sei normal und man könne gar nicht mehr aus dieser Mannschaft herausholen. Dennoch entwickelte sich nach und nach das Gefühl, dass die Fortuna es in diesem Jahr mit Funkel nicht mehr schaffen würde. Es gab viele Dinge, die vereinsintern kritisch beäugt wurden. Zum Beispiel, dass der 66-Jährige, längst ältester Trainer im Profi-Fußball, extrem treu an „seinen" Spielern wie Adam Bodzek (34) und Oliver Fink (37) festhielt, manchen Neuzugang wie Nana Ampomah aber fast schon demonstrativ links liegen ließ, oder dass der Rückhalt in der Mannschaft zumindest ein wenig schwand. Und dass Funkel sich gern als „Elder Statesman" gab, der sich so häufig und regelmäßig über andere Vereine äußerte, dass es in den sozialen Medien zum Running Gag wurde. Funkel analysierte öffentlich die Abwehr-Probleme des FC Bayern, er empfahl dem Hamburger SV Neuzugänge oder erklärte, warum Werder Bremen den Abgang von Max Kruse nicht verkraftet habe.
Zudem stimmten irgendwann auch die Ergebnisse nicht mehr. Als Funkel Ende Januar entlassen wurde, war Düsseldorf Letzter. Hatte einen Sieg aus den vorherigen neun Spielen geholt und war in fünf der letzten sechs Spiele gar ohne Tor geblieben. Das sind Zahlen, bei denen auch Fortuna Düsseldorf einen Trainer entlassen kann.
Entlassung nach dem Absturz auf den letzten Platz
Doch im Fall von Funkel gab es viele Dinge, die der Geschichte eine Dynamik gaben. Die Vorgeschichte aus dem Winter 2019. Seine Stöger‘sche Beliebtheit. Die Tatsache, dass er stets angekündigt hatte, nach Düsseldorf nie wieder einen Verein zu trainieren und die daraus resultierende Gewissheit, dass man diese Institution der Bundesliga tatsächlich in die Rente schicken würde. Und die Tatsache, dass erst kurz vor Weihnachten, nach dem letzten Spiel im Kalenderjahr 2019, sein Vertrag im Falle des Klassenerhalts verlängert worden war. Entsprechend groß war die Aufregung, als die Deutsche Presse-Agentur Ende Januar berichtete, dass Funkel vor der Entlassung steht. Schließlich hatte zwischen der Vertragsverlängerung und dieser Nachricht nur ein einziges Spiel gelegen. Das war allerdings nach ganz schwacher Leistung zu Hause mit 0:1 gegen Abstiegs-Konkurrent Werder Bremen verloren gegangen. Zudem lagen wegen der Winterpause doch rund vier Wochen zwischen der Verlängerung und der Veröffentlichung der Zweifel.
Es war dann auch ein bisschen wie bei Peter Stöger. Zuerst hatte der Wind sich ein wenig gedreht, viele Fans hatten Funkel kritisch gesehen und schon seine Entlassung gefordert. Als es eine Woche später nach dem 0:3 in Leverkusen und dem Absturz auf den letzten Platz tatsächlich passierte, kam bei vielen die Wehmut hoch. Die Erinnerung an die tollen vier Jahre. Die Gewissheit, dass Funkel nun tatsächlich nach über 1.000 Spielen als Spieler und Coach in der Bundesliga in die Trainer-Rente geht. Zudem verkaufte sich der mit allen Wassern gewaschene Funkel auch beim Abschied clever. Er stellte seine Enttäuschung heraus, beklagte sich vorsichtig über die Art seines Abschieds und beteuerte gleichzeitig, immer Fortune zu sein und der Mannschaft den Klassenerhalt zu wünschen. Aus Vereinssicht höchst unglücklich kam hinzu, dass der Club Funkel am Vorabend noch euphorisch für seine Auszeichnung als „Düsseldorfs Trainer des Jahres" gefeiert hatte – der direkt folgende Tweet war der der Trennung –, und dass die Fortuna in einem ihrer kreativen Spieltags-Plakate mit Blick auf das folgende Spiel gegen die Eintracht aus Frankfurt Funkel am Spielfeldrand gezeigt hatte – versehen mit dem Spruch: „Wir vertrauen nur einer Bank".
Auf der Bank gegen Frankfurt saß aber am Ende eben nicht mehr Funkel, sondern schon Uwe Rösler. Denn im Gegensatz zum 1. FC Köln, der wohl auch dokumentieren wollte, sich nicht schon vor dem Abschied mit einem Stöger-Nachfolger beschäftigt zu haben und deshalb U19-Trainer Stefan Ruthenbeck beförderte, präsentierte Düsseldorf direkt den Nachfolger. Und der verkaufte sich vom ersten Moment an gut. Auf seiner Antritts-Pressekonferenz gab er sich bescheiden und huldigte seinem Vorgänger. Mit der Mannschaft gab er sofort Gas und zeigte sich als Anti-Funkel. Wo dem Routinier immer Kampf und Stabilität die höchsten Tugenden waren, setzte Rösler gegen Frankfurt gleich auf Aktivität und Mut. Er brachte in Neuzugang Valon Berisha und dem in der Hinrunde verletzten Kevin Stöger gleich zwei spielstarke Mittelfeldspieler und stellte den von Funkel nicht benötigten Ampomah neben Torjäger Rouwen Hennings in den Sturm.
Rösler verkaufte sich vom ersten Moment an gut
Die Fortuna-Fans waren schnell mitgerissen. Obwohl Düsseldorf durch ein Gegentor in der dritten Minute der Nachspielzeit nur 1:1 spielte, galt die Partie schnell als Neuanfang, was der Vorstands-Vorsitzende Thomas Röttgermann geradezu euphorisch herausstrich: „Das war genau das, was wir uns erhofft hatten. Das Tempo war höher, der Zug zum Tor stärker und die Körpersprache eine ganz andere."
So zog die Fortuna drei Tage später auch erstmals seit 1996 wieder ins Viertelfinale des DFB-Pokals ein. Zwar spielten sie beim Drittligisten Kaiserslautern und angesichts eines 1:2-Pausenrückstands alles andere als ungefährdet. Doch das letztliche Endergebnis von 5:2 ließ eine ungeahnte Offensivstärke des schwächsten Bundesliga-Sturms erahnen.
Ein wenig haben sich die Wogen also schon geglättet. Dennoch bleibt die Trennung von Funkel für viele Fortuna-Fans ein Tabu-Bruch, weswegen der Vorstand von einigen von ihnen weiter kritisch beäugt wird. Das wird sich wohl nur dann legen, wenn Rösler tatsächlich den Klassenerhalt schafft. „Ich bin froh, dass sich die Proteste auf den Vorstand kanalisiert haben und nicht auf die Mannschaft oder den neuen Trainer", erklärte Röttgermann. „Das hätte ansonsten alles konterkariert, was wir erreichen wollten."