Brennen beim Wasserlassen, Schmerzen im Unterleib, häufiger Harndrang. All dies sind Symptome einer Harnwegsinfektion oder auch Blasenentzündung. Frauen sind besonders häufig betroffen. Urologin Sylvia Gitzhofer erklärt im Interview unter anderem, woran das liegt und was man vorbeugend tun kann.
Frau Gitzhofer, was ist eine Harnwegsinfektion?
Eine Harnwegsinfektion ist eine meist bakteriell bedingte Entzündung der Harnblase und -röhre. Diese kann sogar zu einer Nierenbeckenentzündung führen.
Welche Bakterien sind ursächlich?
Das ist unterschiedlich. Meistens sind es ganz normale Darmkeime, die relativ harmlos sind, so lange sie im Darm sind. Durch Schmierinfektionen gerade bei Frauen – wo ja die Darm- und die Harnröhrenöffnung anatomisch sehr nah beieinander liegen – können diese Bakterien schnell in die Harnröhre gelangen. Wenn man wenig trinkt, wie das viele Frauen tun, kann der Körper die Harnröhre nicht richtig durchspülen. So haben diese Keime, die in diesem sterilen Bereich nichts zu suchen haben, die Möglichkeit in der Blase Fuß zu fassen, sich zu vermehren und dringen dann in die Blasenwand ein und verursachen so die typischen Beschwerden.
Welche Beschwerden sind das?
Brennen beim Wasserlassen, weil die Harnröhre entzündet ist. Ständiger Harndrang, weil die Harnblasenwand entzündet und gereizt ist – in der Blasenwand befinden sich Dehnungsrezeptoren, die melden, wenn die Blase voll ist. Ist die Blasenwand irritiert, hat man ständig das Gefühl die Blase wäre voll. Es haben aber nicht alle Patienten gleich schlimme Infekte. Bei manchen Patienten kann es sogar zu Blutungen aus der Blasenwand kommen, wenn diese so entzündet ist, dass Gefäße involviert sind. Dann hat man auch Blut im Urin.
Wie behandelt man eine Harnwegsinfektion?
Es gibt neue Leitlinien von der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Sie empfehlen, dass man einen unkomplizierten Harnwegsinfekt – ohne Fieber, ohne Blut im Urin, einfach nur das Brennen und häufige Wasserlassen – auch mal ohne Antibiotika behandeln kann, wenn es der erste Infekt überhaupt oder der erste in zehn Jahren ist. Das heißt man nimmt morgens und abends Ibuprofen 400, trinkt viel. Ergänzend gibt es noch unzählige pflanzliche Produkte, die sehr wirksam und in der Apotheke freiverkäuflich sind.
Es gibt aber auch Frauen, die häufiger Blasentzündungen haben.
Ja, es gibt Frauen die rezidivierende Infekte haben. Sind die Keime aggressiver oder ist die Keimbelastung einfach höher, muss man mit einer Antibiose ansetzen. Viele Haus- und Frauenärzte behandeln ebenfalls Harnwegsinfekte, oft leider ohne Urinkulturen, mit denen man genau herausfinden kann, welches Bakterium ursächlich ist. Es gibt Hunderte Bakterien und dazu Hunderte Antibiotika. Die passen nicht immer alle zusammen. Wenn man weiß, welchen Keim man hat, kommt aus dem Labor direkt eine Liste mit Antibiotika, die optimal passen. Hausärzte und Gynäkologen geben oft irgendeins, wenn das nicht zum Keim passt, kommt die Patientin kurz nach Absetzen erneut und hat wieder einen Infekt.
Wie oft ist denn oft?
Es gibt Patientinnen, die sagen: Wenn es in die kalte Jahreszeit geht und man kalte Füße hat, bekommt man einen Infekt. Das gilt nicht als chronische Entzündung oder rezidivierend. Wenn jemand aber alle vier Wochen einen Harnwegsinfekt hat, dann kann man von einem rezidivierenden Infekt sprechen. Dann sollte man etwas genauer schauen, ob anatomisch alles in Ordnung ist, ob Harnröhrenengen vorliegen, ob die Patientinnen Restharn haben, also ob noch Urin in der Blase ist, nach dem Toilettengang. In diesem Restharn fühlen sich Bakterien nämlich wunderbar wohl. Das alles sollte man ausschließen. Auch eine Blasenspiegelung wäre dann ratsam. Es kann auch ein Stein vorliegen, der eine chronische Entzündung auslöst, weil Bakterien sich dort festsetzen können.
Welche Alternativen zu Antibiotika gibt es? Sie nannten vorhin schon viel trinken und einige pflanzliche Mittel aus der Apotheke …
Ja, auch zum Beispiel Cranberry-Extrakt ist sehr wirksam. Den gibt es als getrocknete Früchte, als Saft, als Kapseln. Ich sag‘ meinen Patientinnen immer: Diese getrockneten Cranberry-Früchte können sie abends statt Chips vor dem Fernseher essen. Darin ist ein Enzym enthalten, das der Blase hilft, die innere Schleimhaut, die innere Schutzschicht aufzubauen: die sogenannte Glykosaminoglykan-Schicht. Denn wenn Bakterien in der Blase waren, die durch diese Gag-Schicht in die Blasenwand gewandert sind, dann ist diese porös. So kann schnell ein neuer Keim eindringen. Da können Cranberrys hilfreich sein. Auch Vitamin C und Zink stärken das Immunsystem und können als Prophylaxe dienen.
Wie kann man sonst noch einer Harnwegsinfektion vorbeugen?
Es gibt viele Frauen, die kommen und sagen: Warum hab‘ ich das denn jetzt? Ich bin doch so sauber. Die sind zu sauber. Wenn man dreimal am Tag den Intimbereich zum Beispiel mit Feuchttüchern reinigt, dann ist das so als würde man sich zu oft die Hände waschen und desinfizieren. Die Schutzschicht der Haut geht kaputt, und so ist es auch bei der Schleimhaut. Also ganz normal einmal am Tag duschen, das reicht vollkommen aus. Viele Frauen neigen auch dazu nach dem Geschlechtsverkehr eine Infektion zu bekommen, weil die Harnröhre relativ weit in der Scheidenvorderwand mündet. Durch die Reibung beim Geschlechtsverkehr können vermehrt Keime – auch vom Partner – eindringen. Diese Frauen profitieren davon, wenn sie eine Viertelstunde nach dem Geschlechtsverkehr auf Toilette gehen und einmal Wasser lassen. Dann werden die Keime, die sich an der Harnröhrenmündung festsetzen wollen, einfach weggespült. Die Trinkmenge ist aber das A und O. Wenn man genug trinkt, reinigt sich der Körper von alleine. Auch vor dem Toilettengang im öffentlichen Bereich sollte man sich immer die Hände waschen, da dort unzählige Bakterien lauern.
Gibt es auch Medikamente, die prophylaktisch eingenommen werden können?
Es gibt Frauen, die von einem Infekt in den anderen gehen. Dann kann man versuchen, der Blase Zeit zu geben, sich zu erholen, noch mal gesund zu werden und neue Schleimhaut aufzubauen. Hier kann eine Langzeitprophylaxe helfen, ein sehr gering dosiertes Antibiotikum über drei Monate. Der Urin enthält so immer ein bisschen Antibiotikum. Bakterien, die in die Harnröhre gelangen, haben so überhaupt nicht die Möglichkeit sich festzusetzen und zu vermehren.
Für Patientinnen mit häufigen Harnwegsinfekten gibt es seit einigen Jahren auch Impfungen. Wie funktionieren diese?
Die Impfungen stärken das Immunsystem. Es gibt zwei verschiedene. Es gibt die Impfung mittels Tabletteneinnahme über drei Monate. Sie impft aber nur gegen den E. coli, den Hauptverursacher der Blasenentzündung. Bei der Impfung mittels Injektion bekommen Patientinnen drei Spritzen im Abstand von ein bis zwei Wochen. Eine Auffrischung erfolgt nach einem Jahr. Was ich an der Impfung mittels Injektion besser finde, ist, dass sie mehrere Keime abdeckt. Die Kosten für beide Impfungen sind etwa gleich. Sie müssen von den Patientinnen leider selbst bezahlt werden.
Warum ist die Harnwegsinfektion bei Männern schwerwiegender?
Das hängt damit zusammen, dass die Genitalorgane mit der Harnröhre verbunden sind. Bei Frauen ist es ja nur die räumliche Nähe. Bei Männern münden in die Harnröhre die Samenleiter und die Prostata liegt um die Harnröhre herum. Liegt eine Harnwegsinfektion mit einer Infektion der Harnröhre vor, geht diese Entzündung ganz schnell retrograd über die Samenleiter, entgegen des normalen Weges, in den Hoden und löst dort eine Hoden- oder eine Prostataentzündung aus. In höherem Alter können Männer häufiger von einer Blasenentzündung betroffen sein.
Empfiehlt es sich, nach der Einnahme des Antibiotikums eine Darmsanierung zu machen?
Ja, denn durch das Antibiotikum werden auch die guten Darmbakterien, die wir zur Verdauung brauchen, in Mitleidenschaft gezogen. Wenn man also einen bakteriellen Wiederaufbau des Darmes macht, schützt das auch vor einem erneuten Harnwegsinfekt. Der Darm ist ein großes Immunsystem. Es ist also nicht unwichtig, nach der Einnahme von Antibiotikum, in der Apotheke nach Medikamenten mit zum Beispiel Milchsäurebakterien zu fragen. So können sich die guten Darmbakterien wieder im Darm ansiedeln. Auch der Wiederaufbau der Scheidenflora mit Milchsäurebakterien ist nach dem Antibiotikum zu empfehlen. Die guten Scheidenbakterien, die für das saure Milieu der Scheide sorgen, sind nach einer antibiotisch behandelten Blasenentzündung oft verschwunden. Dafür gibt es in der Apotheke Scheidenzäpfchen, die man über drei Abende nimmt. Man kann also an verschiedenen Stellen ansetzen, um dem Körper zu helfen seine natürliche Flora zurückzugewinnen.