Seit den Schulstreiks der Fridays for Future ist die Legende einer unpolitischen Jugend ad acta gelegt. Dabei war die Jugend noch nie politisch uninteressiert.
Mag sein, dass das Bild von Schülern, die mit dem Auto bis zum Schulhof gebracht werden, nicht gerade den Eindruck vermittelt, dass da eine Generation heranwächst, die eine Rebellion gegen „die Alten“ anzetteln würde. Dieses Bild einer womöglich überbehüteten jungen Generation hat lange Zeit zum Eindruck einer einigermaßen lethargischen, auf jeden Fall unpolitischen jungen Generation beigetragen.
Der Eindruck mag mit dadurch verstärkt worden sein, dass eher traditionelle Vorstellungen beispielsweise über Familie und ähnliche Werte in der jüngsten Vergangenheit erkennbare Zustimmung in der jungen Generation fanden. Rebellische Grundstimmungen wie zu den oft zitierten 68igern und folgenden Zeiten waren eher nicht auszumachen.
Parteipolitische Jugendorganisationen haben wie ihre Mutterparteien mit dem zu kämpfen, was man gemeinhin Politikverdrossenheit nennt. Der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann erklärte die Entfremdung junger Menschen von parteipolitischem Engagement noch mitten in der ersten Fridays-Euphorie Anfang vergangenen Jahres im Magazin „Cicero“ schlicht mit der Struktur der Parteien, die auf junge Menschen wie „riesige, fremdartige Apparate, die nach bürokratischen Prinzipien fungieren“, wirken. So sehr Parteien sich zu öffnen versuchen, sie wirken eben doch auf junge Menschen vielfach wie Überbleibsel aus dem letzten Jahrhundert.
Dabei haben Jugendstudien, insbesondere die maßgebende Shell-Studie, aber schon seit einiger Zeit nahegelegt, dass „die Jugend“ gar nicht so unpolitisch ist, wie vielfach beklagt wurde. NGOs wie Greenpeace und Amnesty International sowie Engagement direkt vor Ort in Bürgerinitiativen bei konkreten Anliegen sind für junge Menschen attraktiv. So etwas ist konkreter, als einen Antrag für einen Parteibeschluss zu formulieren, und es ist in der Regel ein Engagement auf Zeit.
Was offenbar zieht, sind Persönlichkeiten
Dass Fridays-Demonstranten in großer Zahl in Parteien eintreten würden und auf dem klassischen „Marsch durch die Institutionen“ Politik und Gesellschaft verändern wollten, wird nicht berichtet, auch wenn die Jugendorganisationen einiger Parteien wieder mehr Aufnahmeanträge zu bearbeiten haben. Was offensichtlich zieht, sind Persönlichkeiten. Fridays-Aktivistin Luisa Neubauer wird ihren Anteil am unerwarteten Mitgliederzuwachs der Grünen haben. Kevin Kühnert, Protagonist für eine linke SPD-Politik, hat die Jusos wieder interessant gemacht. Im aktuellen CDU-Dilemma wünscht sich so mancher einen ‚konservativen Kevin’ statt des amtierenden Junge-Union-Chefs Tilman Kuban.
Gemessen also am parteipolitischen Engagement ist „die Jugend“ keineswegs signifikant politischer geworden. Aber sie war und ist eben auch keineswegs so unpolitisch, wie ihr unterstellt wurde. Bei den Fridays hat sie ihr Thema und ihre Ausdrucksform für latente Unzufriedenheit gefunden. Dass darauf erst einmal auch medial mit einer Debatte über Schulpflicht geantwortet wurde, ist nichts anderes als Ausdruck einer Entfremdung. Ebenso wie die Kritik, die Fridays hätten keine (politischen) Konzepte. Abgesehen davon, dass der Vorwurf nicht einmal eine Halbwahrheit ist: Ist es die Aufgabe einer aufbegehrend jungen Generation, gleich all die Antworten zu liefern, die die Erwachsenwelt – aus Sicht der jungen Menschen – nicht zustande bringt?
Inzwischen macht das Wort von einem Krieg der Generationen die Runde. Überzogene Formulierungen könnten das nahelegen. Sicher ist es ein Konflikt, der sich auch zwischen den Generationen abspielt, wenn junge Menschen für sich eine andere Zukunft reklamieren als die bloße Fortschreibung der Gegenwart der älteren Generation. Dass sie dafür gute Gründe haben, wird ihnen niemand ernsthaft absprechen können.
Im Übrigen gibt es „die Jugend“ ebenso wenig, wie „die Älteren“. Neben den Fridays gibt es weiter die vielen anderen, auch konservativen Ausprägungen. Gemeinsam ist ihnen aber die Frage nach der Zukunft, der persönlichen sowieso, aber eben auch der globalen Welt. Wie die aussehen wird, ist naturgemäß ungewiss. Vielleicht wird es eine klimaneutrale Welt voller Cyborgs? Es gibt wahrlich keinen Mangel an grundsätzlichen Entwicklungen, die unsere Welt verändern – für alle. Aber die jetzt Jungen werden am längsten damit klarkommen müssen.