Die Links-Ikone Bernie Sanders liegt bei den Vorwahlen der US-Demokraten vorn
Er ist der Alptraum der Wall Street, der Polit-Schreck der Reichen und Mächtigen: Amerikas Links-Ikone Bernie Sanders drängt auf das Duell gegen Präsident Donald Trump. Zwei von drei Vorwahlen der Demokraten hat er mit großem Vorsprung für sich entschieden. Auch bei der letzten Abstimmung im Bundesstaat Nevada triumphierte der 78-jährige Senator aus Vermont. Er elektrisierte nicht nur die Jugendlichen, seine bisherige Stamm-Klientel. Sanders räumte auch bei den Farbigen und Latinos ab. Selbst bei gemäßigten Anhängern der Oppositionspartei kam er an.
Klassenkampf-Parolen sind in Amerika normalerweise ein sicheres Mittel, sich aus dem Spiel zu kegeln. Doch bei Sanders ist das anders. Er bezeichnet sich selbst als „Sozialist“. Und er trommelt mit einem Forderungskatalog, der radikaler nicht sein könnte: Der weißhaarige Volkstribun verlangt eine saftige Einkommensteuer-Erhöhung für Spitzenverdiener, Krankenversicherung für alle und eine kostenfreie Universitätsausbildung.
Es ist immer wieder das Gleiche: Sanders kommt, und die Halle tobt. Die Energie, die er verströmt, ist umso erstaunlicher, als er im vergangenen Herbst einen Herzinfarkt erlitten hatte. Der feurige Redner ist für viele Amerikaner ein Versprechen, dass sich an den vermeintlich zementierten Verhältnissen etwas ändern könnte.
Die wachsende soziale Ungleichheit, die großen Kapitalvermögen satte Gewinne an der Börse beschert und einen erheblichen Teil der Mittelschicht mit stagnierenden Löhnen zurücklässt, ärgert etliche US-Bürger. Hinzu kommt, dass die Studiengebühren explodiert sind und viele Berufsanfänger ihre Karrieren mit einer sechsstelligen Schuldenlast beginnen.
Sanders’ furchtlose Körpersprache, die hämmernde Rhetorik mobilisiert. Seine parteiinternen Konkurrenten machen ihm es allerdings auch leicht. Elizabeth Warren, Senatorin aus dem Bundesstaat Massachusetts, hat eine ähnliche Programmatik wie Sanders, ist allerdings im Auftritt weniger energisch. Die linken Kandidaten Sanders und Warren kannibalisieren sich gegenseitig – über weite Strecken zu Lasten Warrens.
Das Gleiche trifft auf die Galionsfiguren der moderaten Demokraten zu. Michael Bloomberg, der mit dem Verkauf von Finanznachrichten ein Milliardenvermögen anhäufte, kann zwar bei den Wahlkampfmitteln aus dem Vollen schöpfen. Aber er ist spröde, kein mitreißender Redner. Und: Er hat die ersten Abstimmungen ausgelassen und steigt erst am 3. März ein. Ob er sich durchsetzen kann, ist offen.
Joe Biden, der ehemalige Vize unter Präsident Barack Obama, ist bislang die große Enttäuschung. Lange Zeit galt der 77-Jährige als Favorit gegen Trump. Seine jahrzehntelange politische Erfahrung, seine hemdsärmelige Art, seine kristallklare Sprache katapultierten ihn in die Position des geborenen Herausforderers.
Doch immer wieder ließen verbale Ausrutscher an seiner Qualifikation für den Top-Job zweifeln. Hinzu kam, dass sich verschiedene Frauen beschwerten, Biden habe sie unangenehm berührt – in der „Me Too“-Ära ein schwerwiegendes Handicap. Plötzlich stand Biden als der aus der Zeit gefallene Kandidat da. Er hat eine letzte Chance: Wenn er die Vorwahlen im Bundesstaat South Carolina an diesem Samstag nicht gewinnt, ist seine Kampagne zu Ende.
Der 38-jährige Pete Buttigieg hat die jugendliche Frische, die Biden fehlt. Er war jahrelang Bürgermeister der 100.000-Einwohner-Stadt South Bend im Bundesstaat Indiana, wo er sich mit Sanierung und einer fußgänger- und fahrradfahrerfreundlichen Verkehrspolitik einen Namen machte. Zudem diente er als Soldat in Afghanistan. Aber Buttigieg gegen Trump? Viele halten ihn für talentiert, haben aber dennoch Zweifel, ob der Zweikampf nicht zu früh kommt.
Alle gemäßigten Demokraten kritisieren immer wieder – zurecht – die Schwachstelle von Sanders: Er hat kein überzeugendes Konzept für die Finanzierung seiner Umverteilungspläne. Doch den Kandidaten schwimmen die Felle davon. Wenn sie sich nicht sehr bald auf den aussichtsreichsten Anwärter einigen und die anderen aus dem Rennen aussteigen, dürfte das Momentum für Sanders noch größer werden. Bis zum 3. März haben sie dazu noch Zeit. Am „Super Tuesday“ finden in 14 Bundesstaaten Vorwahlen statt. Ein Drittel aller Delegiertenstimmen wird dann verteilt.