Der Frauenfußball in Deutschland feiert im Jahr 2020 sein 50. Jubiläum. Ein Grund zur Freude ist das allemal, es beweist aber auch, wie lange Frauen für ihren Sport kämpfen mussten.
Fußball ist für viele in den Kneipen der Welt geboren worden, und dementsprechend war er für sehr lange Zeit auch an den Stammtischen zu Hause. Am Tresen und auf dem Bolzplatz galten Frauen aber immer als höchst suspekt, demnach wurden kickende Frauen gern als dauergewellte Damenmannschaft verniedlicht – und zeitweise vom Deutschen Fußball-Bund gänzlich verboten. Die Vorurteile über den Frauenfußball sind mittlerweile zum größten Teil aus der Welt geschafft, um Gleichberechtigung müssen sie aber nach wie vor sehr kämpfen. Zwar spricht der DFB auf seiner Internetseite nur in höchsten Tönen von seinem Frauenfußball – das war aber auch mal anders. Denn als im Oktober 1970 der Spielbetrieb der Frauen zum ersten Mal aufgenommen wurde, gab der DFB nicht nur „grünes Licht", sondern korrigierte zudem einen an Lächerlichkeit grenzenden Fehler aus der Vergangenheit, der mehr als 15 Jahre Bestand hatte.
Am 30. Juli 1955 untersagte der Dachverband die Bildung von Frauenmannschaften unter Strafandrohung. Die im besten Falle gut gemeinte Begründung dafür lautete: Sorge um Körper und Seele der Frau und deren „weiblicher Anmut". Durch das raue Spiel sei diese „akut gefährdet". Frauen am Ball widersprächen ohnehin „jeglichem sportlichen Empfinden". Äußerst peinlich und bitter für den DFB: Diese Entscheidung fiel genau in die Zeit des deutschen Fußballbooms. 1954 hatte die Nationalmannschaft (der Herren) im schweizerischen Bern in letzter Minute das Spiel gedreht – und so die erste Weltmeisterschaft für das wirtschaftswundernde Deutschland gewonnen. Die daraus auch bei Frauen und Mädchen entstehende Begeisterung für das runde Leder stieß nicht nur auf Gegenliebe, ließ sich letztlich aber nicht vollends reglementieren. Trotz des Verbots bildeten sich außerhalb des Machtbereichs der wertkonservativen Verbandsfürsten Frauenmannschaften, und als über die Gründung eines eigenen Frauenfußballbundes für die fast 40.000 Aktiven spekuliert wurde, gab der DFB notgedrungen nach. Der Rückzug wird heute als „stetiger Fortschritt" verkauft. Doch in die erste Reihe des Fußballs sind die Damen bis heute noch nicht aufgerückt. Bis 1995 wurden sie noch als „Damenmannschaft" geführt, teilweise ist diese Bezeichnung heute noch vorhanden. Gespielt wurde damals zudem mit kleinerem Ball, ohne Stollen und nur sechs Monate im Jahr. Das Misstrauen und der Hohn der männerdominierten Stammtische und Reporterkabinen war den Fußballerinnen sowieso gewiss. Manchmal sahen sie „die Oberweite im Weg", freuten sich aber zugleich auf den Trikottausch nach dem Spiel. Außerdem war auch oft von Kopfbällen die Rede, die von „Dauerwelle zu Dauerwelle" gingen. 1989, als die Frauen zum ersten Mal Europameister wurden, bedankte sich der Verband mit einem Kaffeeservice für jede Spielerin. Die wunderten sich – und spielten weiter. 2003, vier EM-Titel später und nach dem Sieg im WM-Finale gegen Schweden, versprach Mayer-Vorfelder einen „fünfstelligen Betrag" als Siegprämie und spendierte den Spielerinnen seiner erfolgreichsten Nationalmannschaft je 15.000 Euro. Weil das Team neben den Gegnern mit 12,5 Millionen Zuschauern auch die Einschaltquoten dominiert hatte, sollten sogar eigens angeschaffte Trikots dazukommen. Bis dahin waren Länderspiele klaglos in den Altkleidern der Herrenriege bestritten worden.
Begeisterung stieß nicht auf Gegenliebe
Mittlerweile hat der Frauenfußball weitere Fortschritte gemacht. So ist die Bundesliga der Frauen mit Sicherheit weiter professionalisiert worden. Die Nationalmannschaft hat auch aufgrund der Titel der Vergangenheit immer mehr Akzeptanz erlangt, bei großen Turnieren erfreuen sie sich immer größer werdender Zuschauerzahlen daheim in Deutschland vorm Fernseher. In Sachen Bezahlung sieht das anders aus. Spitzenspielerinnen können gut und gern von ihrem Gehalt leben, von den Millionenverträgen der Männer sind sie aber noch meilenweit entfernt – Angebot und Nachfrage regelt leider auch beim Fußball den Preis. Weil Frauenfußball außer zu großen Meisterschaften kaum im Fernsehen stattfindet, ist es für viele Vereine noch immer schwer, Sponsoren zu finden. Im Männerfußball stehen große Dax-Unternehmen Schlange, im Frauenfußball ist der Kampf um Sponsoren ein ganz anderer. Der wohl größte Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball ist beim Zuschauerzuspruch zu verzeichnen. Der Zuschauerschnitt in der aktuellen Saison der Frauen-Bundesliga liegt bei knapp unter 1.000 Besuchern. Die für den Gesamtbereich Ligen, Verbände und Vereine zuständige DFB-Direktorin Heike Ullrich räumt ein, dass der aktuelle Zuschauerschnitt zwar den „Turnaround" nach Jahren der Stagnation bedeute, jedoch weit entfernt von dem sei, „wo wir hinwollen." Der DFB will 50 Jahre nach der Aufhebung des Frauenfußballverbots in diesem Jahr „Flagge und Haltung zeigen" – und schaut sich dafür eine Idee aus England ab. Ein eigenes Wochenende während einer Länderspielpause im zweiten Halbjahr 2020, an dem Fußballfans aufgefordert werden, ein Frauen- oder Mädchenspiel zu besuchen. „Geklaut ist manchmal besser als selbst entwickelt", sagt Ullrich.
Größere TV-Akzeptanz
England scheint mit dem Rückenwind der Frauen-EM 2021 und der Unterstützung der FA in vielen Bereichen weiter. In der Women‘s Super League (WSL), in der die großen Clubs aus der Premier League fast geschlossen den Frauenfußball für sich entdeckt haben, weisen aktuell fünf Vereine (Tottenham Hotspur, FC Liverpool, FC Chelsea, Manchester City und West Ham United) einen Zuschauerschnitt von 5.000 und mehr auf. Einzelne Highlight-Spiele mit fünfstelligen Kulissen in den Männer-Stadien haben immens geholfen. „Man spürt, dass das Thema Frauen- und Mädchenfußball dort auch gesellschaftspolitisch angekommen ist und gerade in diesem Bereich eine große Rolle spielt", sagt Ullrich. „Das wünsche ich mir auch für Deutschland: Diese selbstverständliche Begeisterung für den Fußball als Ganzes, die Anerkennung und Wertschätzung, bei der kein Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball gemacht, sondern beides als attraktives und anspruchsvolles Angebot gesehen wird. Gerade bei der gesellschaftspolitischen Verankerung des Frauenfußballs sehe ich bei uns noch Potenzial, das machen die Engländer vorbildlich." Und weil der Frauenfußball in England boomt, war das Wembley-Stadion gegen Deutschland mal eben ausverkauft. Zur Saisoneröffnung mit dem Derby zwischen Manchester City und United strömten 31.213 Besucher in die normalerweise den Stars von Pep Guardiola vorbehaltene Heimstätte, die Chelsea Ladies trugen an der Stamford Bridge ihr erstes Heimspiel vor 24.546 Interessierten aus, zum zweiten kamen 4.149. Und Aufsteiger West Ham lockte mit stark verbilligten Preisen für Vereinsmitglieder gegen Tottenham 24.790 Neugierige ins London Stadium. Auch am Fernseher kommen Frauen nicht zu kurz, nachdem sich 11,7 Millionen Briten diesen Sommer das WM-Halbfinale USA gegen England ansahen: Im Free-TV laufen 30 WSL-Spiele bei BBC und BT Sport, alle Partien werden über einen FA-Player und eine App live gestreamt. Ullrich sieht auf diesem Sektor auch die Frauen-Bundesliga mit einem „guten Gesamtpaket" aufgestellt. Aber: „Gerade was den Zuschauerzuspruch angeht, können wir mit der Entwicklung nicht zufrieden sein."
Viele Zuschauer in England
Ändern würde sich das sicherlich, wenn die Profivereine, die eine Männermannschaft unterhalten, eben genauso in den Frauenfußball investieren würden, so wie es die großen Vereine in England auch machen würden. Borussia Dortmund und Schalke 04 beispielsweise sträuben sich dagegen, aber alleine der Name dieser beiden Vereine würde wohl mehr Zuschauer ins Stadion locken als andere. In Frankreich setzen die Topclubs Olympique Lyon und Paris Saint-Germain die Maßstäbe. Die vom FC Bayern im Sommer 2019 nach Paris gewechselte Nationalspielerin Sara Däbritz erklärt: „Die Ultras der Männer sind regelmäßig bei unseren Spielen und machen richtig Stimmung. Zuletzt gegen Marseille haben wir vor 3.500 Zuschauern gespielt, und die Stimmung über 90 Minuten war großartig." Wie es funktioniert, haben einige Nationen bereits vorgemacht. Wie Heike Ullrich so schön ausführte: „Geklaut ist manchmal besser als selbst entwickelt." Jetzt muss der DFB nur noch machen.