Klimaschutz und ständig neue Kommunikations-Gadgets – das beißt sich irgendwie. Ein Berliner Start-up setzt deshalb auf Materialien aus der Weltraumforschung. Umtausch-Smartphones aus Carbon sollen Trendsetter werden.
Carbon, also Kohlenfaserstoff, soll die Wende zur Nachhaltigkeit in der Smartphone-Technologie bringen. Ein Werkstoff, den vor allem gadget- und technikaffine Konsumenten schon bei anderen Alltagsbegleitern wie einem schicken Motorbike oder einem edel-robusten Fahrrad nutzen. Ab Sommer soll die echte, nicht nur aufgemalte, elegant-matte Optik von Carbon in Gestalt eines spacig leichten Design-Telefons „Early Adopters" begeistern. „Connect Mobile", einem Start-up aus Berlin, gelang es, die Hürden, die Carbon in puncto Konnektivität aufstellt, mit einer neu entwickelten Technologie einzureißen. Mit Hightech-Materialien und vielfältigen Herstellungsverfahren sollen die Konventionen einer Industrie, „die jährlich 50 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert, von denen 80 Prozent nicht recycelt werden, hinterfragt und herausgefordert werden", so das Unternehmen. Deshalb hat sich „Connect Mobile" auf die konzeptionelle Entwicklung, das Design und die Fertigung von Produkten für die Mobilfunk- und Unterhaltungselektronik-Branche aus alternativen und nachhaltigen Werkstoffen spezialisiert. Dazu zählen etwa Carbonfaser oder andere Verbundwerkstoffe.
Was in Deutschland an privat genutzter Telekommunikation über die Ladentische geht, wird kontinuierlich im offiziellen Home Electronics Market Index (Hemix) erhoben und in Kooperation mit dem Bundesverband Technik des Einzelhandels (BVT) veröffentlicht. Der Befund für 2019: Smartphones, die mittlerweile zu Alleskönnern geworden sind, sorgten zwar weiterhin für den größten Umsatz im Segment Consumer Electronics. Trotzdem fiel ihr Umsatz um 3,5 Prozent auf 10,9 Milliarden Euro zurück. Insgesamt wurden 22,1 Millionen Smartphones verkauft. Das bedeutet ein Minus von 4,2 Prozent gegenüber 2018. Der Trend geht dahin, dass sich technikaffine Konsumenten nur noch alle drei Jahre das neueste Modell holen, nicht schon zwölf Monate früher. Das wachsende Klimabewusstsein lässt grüßen.
In Mobiltelefonen stecken sogenannte seltene Erden, die nur begrenzt auf unserem Planeten vorkommen. Das heißt, der Zeitraum ist endlich, in dem überhaupt noch funktionsfähige Smartphones gebaut werden können. Kompletter Verzicht auf schicke Technik-Neuheiten muss dennoch nicht sein. Im Gegenteil: Das Berliner Start-up „Carbon Mobile" hat jetzt ein Smartphone vorgestellt, das sich die Weiterverwertbarkeit der hochwertigen Geräte zur Aufgabe gestellt hat und dabei hohe Ingenieurskunst praktiziert. Das Team um den gebürtigen Syrer Firas Khalifeh will der Branche mit zukunftsorientierter, schöner Technik eine nachhaltige Perspektive geben.
Dabei überschreiten die Ingenieure und Designer bisher gültige Grenzen der Materialwissenschaft. Sie hätten die Verbindungsprobleme sonst nicht lösen können, die das ebenso robuste wie dünne und leichte Carbon in Telefonen verursacht. Ihr neu entwickeltes Hybridmaterial nannten die Innovatoren „Hybrid Radio Enable Composite Material". Kohlefaser wurde bei dieser Technologie mit komplementären, „funkfähigen" Verbundwerkstoffen verwebt. Damit das Smartphone funktioniert, müssen Strahlen ein- und ausgehen können.
Preis wird bei etwa 800 Euro liegen
Wie bei einem Rennwagen sind alle Bauteile des „Carbon 1 MKII" in einem einzigen Gehäuse integriert, einem Monocoque. Weniger Komponenten werden gebraucht. Die fast modulare Monocoque-Konstruktion soll auch den Zugang in das Gerät und Reparaturen vereinfachen. Das war für die Entwickler ganz wichtig, da sie auf eine hohe sogenannte iFixit-Punktzahl hoffen, sobald sich die Bewertungsskala mit dem Kohlenfaserverbundwerkstoff-Smartphone beschäftigt. iFixit ist eine weltweite Gemeinschaft von Menschen, die sich gegenseitig helfen, Dinge zu reparieren. Der Ideengeber, Mitgründer, CTO und CEO von „Connect Mobile", Firas Khalifeh, hatte in Damaskus und an der Universität Duisburg-Essen Computer-Engineering studiert. Der Beginn der Konflikte in Syrien verhinderte, dass er 2011 nach seiner Graduierung ein Stipendium in Deutschland antrat. Deshalb arbeitete Khalifeh zunächst im Tech-Hub des Mittleren Ostens in Dubai. Dort hatte der 31-Jährige 2015 die Idee, Carbonfasern, wie sie die Automobil- oder auch die Luft- und Raumfahrt-Industrie einsetzen, für mobile Telefone zu verwenden. Das Problem: Carbon schottet ab, an seiner mangelnden Kommunikationsfähigkeit waren schon manche gescheitert. Doch Khalifeh nimmt Rückschläge als Anstoß, nach vorne zu denken. Hightech-Materialien aus der Weltraumforschung sind seit jeher seine Leidenschaft. Warum sollten sie nicht in einen nachhaltigen Massenmarkt für private Elektrogeräte einziehen?
Der Ingenieur ging in die Kreativsphäre Berlins und fand Mitstreiter, die ebenfalls nicht locker ließen. Ein Patent und das bislang leichteste Smartphone des Flaggschiff-Segments sind ihr gemeinsamer Erfolg. Im Sommer kommt das „Carbon 1 MKII" auf die Märkte Europas, Afrikas und des Mittleren Ostens – für knapp 800 Euro. Der Design-Trendsetter ist mit 125 Gramm um ein Drittel leichter als vergleichbare Geräte. „Der Preis entsteht durch Kosten, die wir hatten und haben, für Entwicklung, für die Beschaffung von Komponenten, für den Transport und die Zertifizierung, für Montage und Tests", erklärte „Carbon Mobile" auf Nachfrage. „Ebenso durch die Marge, die wir für die Einzelhändler und Betreiber bereitstellen müssen und dann natürlich unsere eigene Marge." Doch man vertraut auf den eleganten Carbon-Hybrid mit dem Weltraum-Touch: „Aus der Sicht der Endbenutzer glauben wir, dass sich der Preis lohnt, wenn sie nach einer Umsetzung eines Smartphones aus einem speziellen Material und den daraus resultierenden Spezifikationen suchen."
Bei der Präsentation des Prototypen Ende Februar in Berlin sagte Khalifeh: „Der heutige Tag ist für uns etwas ganz Besonderes, da das Produkt das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit und Leidenschaft ist." Man sei „stolz, diese Innovation auf den Markt und in unsere Branche zu bringen", und freue sich auf die Reaktionen der Community. „Unser Ansatz ist es, Normen zu hinterfragen, neue Ansätze zu finden und der Branche notwendige, neue Impulse hin zu Miniaturisierung und nachhaltiger Produktion zu geben", betonte der Mitgründer von „Carbon Mobile".
Das „Carbon 1 MKII" ist nur gut sechs Millimeter schlank, und trägt trotz seines geringen Gewichts eine starke 3.050 mAh-Batterie im wertigen Hightech-Gehäuse. Das Carbon-Phone besteht im Gegensatz zu Konkurrenzprodukten nicht aus Plastik und Aluminium. Somit wird es zwangsläufig zum leichtesten und dünnsten Smartphone aus Carbon: designed in Germany, hergestellt in deutschen Manufakturen, mit europäischem Brand-Label und – heutzutage eine Seltenheit – mit hohem Reparaturfaktor sowie einer extrem attraktiven Zielgeraden zum sichergestellten Recycling.
Das „Carbon 1 MKII" ist nur gut sechs Millimeter schlank
Denn das Start-up setzt bei innovationsbegeisterten Nutzern auf ein Tausch-Programm. Dieses macht ein Upgrade auf das jeweils neueste Carbon-Smartphone möglich. „Wir erwarten, dass unsere Kunden mindestens zwei bis drei Jahre lang sehr zufrieden mit ihrem Gerät sein werden", sagen die Berliner. Das Tausch-Programm soll diesen Gadget-Liebhabern nicht nur das stets neueste Kohlenfaserstoff-Telefon garantieren, sondern auch dafür sorgen, dass die kostbaren Carbon-Smartphones im Recycling-Kreislauf bleiben.
Im Pionier-Gerät, das bereits unter www.carbonmobile.com vorbestellbar ist, arbeitet das aktuelle Google-Betriebssystem Android 10. Daher kann das „MKII" mit Gesten gesteuert werden und verfügt über Features wie den sogenannten Dark Mode oder das Digital Wellbeing, das den Smartphone-Genuss begrenzt, bevor er zum Verdruss wird.
Das aktuell dünnste und stärkste Gorillaglas im „MKII" ist nur 0,4 Millimeter dick. Scott Forester, beim Hersteller Corning für Innovationen zuständig, sagt dazu: „Bei der Entwicklung des ,Carbon 1 MKII‘ hat Carbon die Eigenschaften des Gorilla Glass 6 strategisch genutzt, um ein dünneres und leichteres Smartphone zu ermöglichen, das den Lebensstil von Technik-Liebhabern widerspiegelt."
Solider sind die übrigen Merkmale des materialtechnischen Trendsetters: Ein kristallklares 6.0 Zoll großes AMOLED-Display löst mit 2.160 mal 1.080 Pixeln auf. Der Achtkern-Mediatek-Helio-P90-Prozessor mit 8 Gigabyte (GB) RAM und 128 GB internem Speicher ist alltagstauglich. Eine 16 Megapixel Dual-Kamera auf der Rückseite und die 20 Megapixel Selfie-Kamera sorgen bei Fotografie-Fans für nachhaltige Erinnerungen, die auch dann noch auf der persönlichen Speicherkarte bleiben, wenn das Carbon-Smartphone gegen seinen Nachfolger umgetauscht wird.